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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0197
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Stadt Hildesheim

und bey den grossen declamationum et disputatio-
nüm ohne versemnuß [!] in allen classibus gehalten
werden, also das die knaben sommerzeits alle tage
auß den furgelesenen lectionibus ein exercitium ex
tempore in der schule zur gewissen stunde, die dazu
deputiret, machen, und alle 14 tage ihnen ein extra-
ordinarium exercitium gegeben, dasselbe von den
praeceptoribus woll corrigiret und den knaben die
vitia gezeiget werden, denn was weren ihnen sonsten
die exercitia nutze, wenn ihnen nicht solte gezeiget
werden, wo sie es recht oder unrecht gemacht
hetten ?
Damit auch in diesem stucke der praeceptorum
fleiß gespuret werden muge, so wollen wir ernstlich,
das der rector unßern superintendentem, dem die
inspectio scholae befolen ist, alle 14 tage aus einer
iglichen classe der corrigirten exercitia eins zustel-
len solle. Es soll auch von den praeceptoribus den
knaben auferlegt werden, das sie feine bucher
machen und darin alle ihre exercitia zusammen-
schreiben und behalten, damit sie hernach selber
ihren profectum erkennen können, also soll es auch
mit den carminibus gehalten werden.
In quarta und quinta soll das exercitium eleganter
scribendi und analyses zu machen per vices fleißig
pro et iuxta captüm discentium getrieben werden,
und soll der, so mit den knaben decliniret und
coniugiret, auf einen casum und personam eine
kurze deutsche formulam loquendi fursagen und
von den knaben foddern, das ers latinisch sage,
e.g.: Declina vir.pDarauf möchte er ihm latinisch
furgeben, 1. der mann ist gestern bei uns gewest,
genitivo, das pferd ist des mannß, dativo, gib dem
mann das gelt etc. Also auch in den verbis, alß amo,
mag man ihm furgeben, ich liebe die musicam,
amas, du liebest das gelt, amat, der Hebet seine
eltern etc. und so fortan. Dadurch können die kna-
ben dahin kommen, das sie allgemach lernen latein
reden und können sehen, wozu ihnen das decliniren
und conjugiren nutze sey, und ob sie es gleich sobalt

p 146/24: + No. hic vir
q 146/24: oder
Vgl. J. G. Seybold, aaO. 339; K. F. W. Wander,
Deutsches Sprichwörter-Lexikon III. 1873, 581. 53.
26 Vgl. J.G.Seybold, aaO. 495.

nicht treffen, soll man gedult damit haben und
ihnen zurecht helfen, quia nemo nascitur artifex25
et qui nunquam male, nunquam bene26.
Endlich, waß wir droben bey den praeceptoribus
vom latin reden gemeldet, soll bey dießem lege
wiederumb repetiret werden, daß, wo die knaben
beisammen sein, sie latinisch reden, auf das sie also
durch teglichen gebrauch und ubung der latinischen
sprach erfaren und kundig werden, weil es die ge-
meinste und nötigste sprach ist, ohne welche man
der anderen kunste und sprache keine lehren noch
recht lernen kann.
III. Von der haußzucht
Dießes ist den legibus scholasticis, so jerlich zwei-
mal verlesen werden, mit fleiß einverleibet, doch
kurzlich alhie etwas zu melden, so sollen die
praeceptores ihre discipulos vermahnen.
1. Daß sie daheim in ihrer eltern und herrn heu-
sern gottfurchtig sein, fleissig beten, abents und
morgens, vor- und nach essens, nach dem formular
des h. Catechismi27 und nach den exempeln der
h. schrieft.
2. Daß sie ihren eltern und herrn nach dem vierten
gebott geburlich gehorsam und ehre bezeigen, willig
sein, nicht wieder bellen, wenn die eltern, herrn undq
frauen schelten und straffen, denn eltern nichtuntreu
sein, nichts nehmen, daß ihnen die eltern oder herrn
nicht gegeben, und waß dergleichen mehr zu solcher
ehr und gehorsamb gehöret, und konnen hie aber-
mal viel schöner exempel und historien der h.
schrieft und auß andern buchern angezogen werden.
3. Daß sie zuchtig sein, am tisch, im hauß, auf
der straßen, wann die eltern allein, sonderlich aber,
wenn sie frembde leut bey sich haben, deßleichen
auch, wenn sie in andern heußern sein: item daß
sie eingezogen sein und zu hause bleiben und nicht
auf der strassen umblaufen und buberey treiben.
4. Daß sie zu hauß die bucher nicht von sich
27 Luthers Kleiner Katechismus, ,,Wie ein Hausvater
sein Gesinde soll lehren, morgens und abends sich
segenen" und ,,Wie ein Hausvater sein Gesinde soll
lernen, das Benedicite und Gratias sprechen"; Bek.
Schr., 52 1f.

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