10. Erziehung der jugend anordnung.
[1584]1
Wan wyr, der radt der stadt Hildisheim, mit ge-
burligem amptfleis erwagen, wie hoch und treffent-
ligen viel allen christligen gemeinden, ihnsunderheit
dan samptlich der ganzen welt daran gelegen, das
die jugent von ihren eltern, freunden, furmundern,
schul- und lermeistern, hern und frauwen, dan auch
von einer jeden christligen und weltligen ubericheit
mit geboten, guten exemplen, unnachlessigen fleis,
anhalten linden und scharfen straffen zu gottes-
frucht, zucht, gehorsam, allen andern dugenden und
aufrichtigem wandel gezugen, vormanet und ge-
zwungen werden, auch ihm werk gespuret, mit was
christligem, sorglichem fleiße die loblige alte welt,
unser christmilder gedechtnis selig gestorbene hohes
und nideriges standes furfaren, uns allein in disem
christlig vorgeluchtet, ampt und gilde, auch andere
erlige handel und wandel, uber das nicht allein par-
ticular- und sunderbare scholen fast in allen gemein-
den, sundern zudem hohe universiteten, darinne die
jugent zu Gottes frucht, guten seiten, aller erbarheit,
freien kunsten2 erzogen und deromaßen angeweisen
werden muchte, damit dieselbe zu christlichen emp-
tern, narunge und hantierunge umb desto fugliger
geraten, in unstraffbaren leben der welt dienen
muchte, angeordent, bestetiget, erhalten und mit
sunderbaren frie und gerechticheiten, jerligen zem-
ligen unterhalt, gulten und zinsen begabet, hinwider-
umb uns erinnert, wie große geverlige ungelegen-
heiten daraus entstanden, wan die wilde jugent in
ihrer kintheit vursaumet und unerwisen geplieben,
und solliche beswerden gerne vorhuten wolten:
Derowegen gebieten wir hiemit, das ein jeder hauß-
1 Druckvorlage: Stadt-A. Hildesheim, Akte 173/2,
Nr. 8, Bl. 54—57. Die Überschrift steht von anderer
Hand auf einem besonderen Deckblatt. Konzept mit
einigen Korrekturen.
2 = artes liberales: Grammatik, Dialektik, Rhetorik
(= Trivium); Arithmetik, Geometrie, Musik, Astro-
nomie (= Quadrivium).
3 = Blöcken, Stämmen, Klötzen, Postamenten; vgl.
Lasch und Borchling I, 297.
4 = Mist; vgl. Schiller und Lübben III, 78f.
vater, furmunder, schul- und lermeister und ider-
menniglich seine liebliche pflicht und lehr kinder,
gesinde und angehorige in geburligen zwange halte,
zu Gottes ehr, christligen wesen, wandel und arbeit
unnachleßlich zehe und vormane, denselben mit
guten exemplen derogestalt vurgehe, das sie solchs
semptlich und sunderlich vor Gott dem almechtigen,
ihrem gewissen und ubericheit zu furantwo[r]ten und
zu andern notruftigen einsehen kein ursache geben.
Bevorab aber, weil wyr leider mit smarz befinden,
das in duser unser stadt etzlige ihre kinder, vor-
wante und mundelinge wilde erwaßen und außer-
halb geburliges zwanges nach ihrem gefalle und lust
frie leben, wohin se wollen, passiren, auch ausser-
halb ihrer heusern anders wohe, ja auch auf der
gaßen vor anderer leute torn auf blocken3, sunsten
und zumal auf den messe4 hin und wider liggen, sich
des ledigganges5, bettlens erneren und gewenen
und zu ewigen furderben fursetzlich oder ir fur-
ursachlig gedien laßen, die jungen leute frech, un-
achsam, unartich, wider zur bosheit, spelen, saufen,
fressen, ligen, drigen und andern groben sunden
geratten, lunse6, ketten, iesen7,haußgeratt, gelt
und geldes wert, nattelen8, die fruchte im velde,
epfel, beirn, allerley obeß und anders von wagen,
pflugen, venstern, erkern, aus den heusern, garten,
auch zumall vische aus den dichen9stelen, solli-
chen diebstal umb gar geringe gelt vurstechen10 und
unterbringen, entlich ihren vordienten, straftragen-
den loen zum greuligem spectakl und grossem her-
zeleid ihrer eltern und bekanten mit furlust ihrer
eher, lebendes und gesundheit, durch den nach-
5 = Müßigganges; vgl. Schiller und Lübben II,
646.
6 = Achsnägel; vgl. Schiller und Lübben II, 749.
7 = Werkzeug und Gerät aus Eisen; vgl. Lasch und
Borchling II, 467.
8 = Nadeln; vgl. Schiller und Lübben III, 161f.
9 = Teichen; vgl. Schiller und Lübben I, 516f.;
Lasch und Borchling I, 424.
10 = unterschieben; vgl. Lasch und Borchling I,
939.
927
[1584]1
Wan wyr, der radt der stadt Hildisheim, mit ge-
burligem amptfleis erwagen, wie hoch und treffent-
ligen viel allen christligen gemeinden, ihnsunderheit
dan samptlich der ganzen welt daran gelegen, das
die jugent von ihren eltern, freunden, furmundern,
schul- und lermeistern, hern und frauwen, dan auch
von einer jeden christligen und weltligen ubericheit
mit geboten, guten exemplen, unnachlessigen fleis,
anhalten linden und scharfen straffen zu gottes-
frucht, zucht, gehorsam, allen andern dugenden und
aufrichtigem wandel gezugen, vormanet und ge-
zwungen werden, auch ihm werk gespuret, mit was
christligem, sorglichem fleiße die loblige alte welt,
unser christmilder gedechtnis selig gestorbene hohes
und nideriges standes furfaren, uns allein in disem
christlig vorgeluchtet, ampt und gilde, auch andere
erlige handel und wandel, uber das nicht allein par-
ticular- und sunderbare scholen fast in allen gemein-
den, sundern zudem hohe universiteten, darinne die
jugent zu Gottes frucht, guten seiten, aller erbarheit,
freien kunsten2 erzogen und deromaßen angeweisen
werden muchte, damit dieselbe zu christlichen emp-
tern, narunge und hantierunge umb desto fugliger
geraten, in unstraffbaren leben der welt dienen
muchte, angeordent, bestetiget, erhalten und mit
sunderbaren frie und gerechticheiten, jerligen zem-
ligen unterhalt, gulten und zinsen begabet, hinwider-
umb uns erinnert, wie große geverlige ungelegen-
heiten daraus entstanden, wan die wilde jugent in
ihrer kintheit vursaumet und unerwisen geplieben,
und solliche beswerden gerne vorhuten wolten:
Derowegen gebieten wir hiemit, das ein jeder hauß-
1 Druckvorlage: Stadt-A. Hildesheim, Akte 173/2,
Nr. 8, Bl. 54—57. Die Überschrift steht von anderer
Hand auf einem besonderen Deckblatt. Konzept mit
einigen Korrekturen.
2 = artes liberales: Grammatik, Dialektik, Rhetorik
(= Trivium); Arithmetik, Geometrie, Musik, Astro-
nomie (= Quadrivium).
3 = Blöcken, Stämmen, Klötzen, Postamenten; vgl.
Lasch und Borchling I, 297.
4 = Mist; vgl. Schiller und Lübben III, 78f.
vater, furmunder, schul- und lermeister und ider-
menniglich seine liebliche pflicht und lehr kinder,
gesinde und angehorige in geburligen zwange halte,
zu Gottes ehr, christligen wesen, wandel und arbeit
unnachleßlich zehe und vormane, denselben mit
guten exemplen derogestalt vurgehe, das sie solchs
semptlich und sunderlich vor Gott dem almechtigen,
ihrem gewissen und ubericheit zu furantwo[r]ten und
zu andern notruftigen einsehen kein ursache geben.
Bevorab aber, weil wyr leider mit smarz befinden,
das in duser unser stadt etzlige ihre kinder, vor-
wante und mundelinge wilde erwaßen und außer-
halb geburliges zwanges nach ihrem gefalle und lust
frie leben, wohin se wollen, passiren, auch ausser-
halb ihrer heusern anders wohe, ja auch auf der
gaßen vor anderer leute torn auf blocken3, sunsten
und zumal auf den messe4 hin und wider liggen, sich
des ledigganges5, bettlens erneren und gewenen
und zu ewigen furderben fursetzlich oder ir fur-
ursachlig gedien laßen, die jungen leute frech, un-
achsam, unartich, wider zur bosheit, spelen, saufen,
fressen, ligen, drigen und andern groben sunden
geratten, lunse6, ketten, iesen7,haußgeratt, gelt
und geldes wert, nattelen8, die fruchte im velde,
epfel, beirn, allerley obeß und anders von wagen,
pflugen, venstern, erkern, aus den heusern, garten,
auch zumall vische aus den dichen9stelen, solli-
chen diebstal umb gar geringe gelt vurstechen10 und
unterbringen, entlich ihren vordienten, straftragen-
den loen zum greuligem spectakl und grossem her-
zeleid ihrer eltern und bekanten mit furlust ihrer
eher, lebendes und gesundheit, durch den nach-
5 = Müßigganges; vgl. Schiller und Lübben II,
646.
6 = Achsnägel; vgl. Schiller und Lübben II, 749.
7 = Werkzeug und Gerät aus Eisen; vgl. Lasch und
Borchling II, 467.
8 = Nadeln; vgl. Schiller und Lübben III, 161f.
9 = Teichen; vgl. Schiller und Lübben I, 516f.;
Lasch und Borchling I, 424.
10 = unterschieben; vgl. Lasch und Borchling I,
939.
927