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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0233
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Mandat zur Einschärfung der KO an alle Untertanen7 , und zu Advent 1574 wurde die KO in Gebrauch
genommen8 .

Die Oldenburger KO von 1573 ist ein spätes Kind der Reformation. Im Jahr 1573 hatte die Re-
formation schon ihre Tradition. Lag die Kirchenrechtsbildung auch im Schoße der Partikularkirchen,
so ergaben sich doch große Ordnungszusammenhänge, indem das kirchenrechtliche Gut vielfach von
einer Partikularkirche auf die andere tradiert wurde. Die Oldenburger KO ist eine Art Sammelbecken
kirchenrechtlichen Gutes verschiedener Traditionen. Mag man einerseits bedauern, daß sie so wenig
originell ist, eigentlich gar nicht auf Oldenburger Boden gewachsen, so darf andererseits nicht übersehen
werden, welchen Wert es hat, daß sie sich einer großen lutherischen Ordnungsfamilie einfügt, die kirch-
liche Verbindung herstellt zu anderen lutherischen Ländern. Auch ist sie nicht nur Sammelbecken ge-
wesen, sondern hat das aufgenommene Gut ihrerseits wiederum weitergereicht. In ihrem Lehrteil fußt sie
auf Melanchthons Examen der Ordinanden, das dieser der Mecklenburger KO von 1552 voranstellte9 ,
und dem Kurzen einfältigen Bericht des Martin Chemnitz, der der Wolfenbüttler KO von 1569 bei-
gegeben ist10 , sowie dem Büchlein des Urbanus Rhegius, „Wie man fürsichtiglich reden soll“ von 153611,
Teilweise reiht sie sich ein unter die Vorarbeiten zur Konkordienformel.

Melanchthon hat in seinem Examen der Ordinanden aufgezeigt, wie beide Regimente, das Predigt-
amt, durch das Gott die Kirche regiert, und das Schwertamt, durch das er das weltliche Reich
dazu da sind, das ewige göttliche Gesetz, den Dekalog, das zu handhaben. Das Predigtamt
dient der Verkündigung von Gesetz und Evangelium, wobei das Gesetz nicht nur als Zuchtmeister auf
Christus, sondern auch als ethische Norm für den Gerechtfertigten erscheint14 . Das ist bei Melanchthon
humanistisches Erbe, daß er die ethische Forderung an den Christen immer unterstreicht : der Dekalog,
so wie ihn der Herr selbst ausgelegt hat, soll erfüllt werden. Dann wird der Dekalog aber auch von der
Obrigkeit Nur eine christliche Obrigkeit kann ihn ganz handhaben ; denn nur sie weiß

7 Text Nr. 2. Staats-A. Oldenburg, Best. 292, Nr. 9; Heilersieg, Tom. 3. Zeitgenössische Abschrift, Fragment.

8 S. ebd. 9 Sehling V, 132ff. 161ff. MW VI, 168ff.

10 Sehling VI, 1, 83 ff. Chemnitz, 1522-1586, seit 1567 Superintendent in Braunschweig, Mitarbeiter am luthe-
rischen Konkordienwerk; vgl. F. Lau, RGG 3I, 1647f. (Lit.); H. Reller. EKL I, 682f.

11 Neuere Ausgabe von A. Uckeley 1908. Zu Rhegius vgl. unten S. 1075, Anm. 3. - Zum Konsens mit anderen Kir-
chen bemerkt H. Hamelmann, Opera, 780: „Corpus quidem doctrinae fuit et est per omnia consonum isti reli-
gioni, quae sonat in inferioris Saxoniae ecclestis, et cum ea convenit, cui praecipui theologi tam in Suevia, Thurin-
gia, Misniaque, quam in Saxonia, Westphalia et Borussia, subseripserunt ante septennium.“

12 Die Zwei-Reiche-Lehre Luthers ist hier offenkundig auf eine Zwei-Regimentenlehre reduziert. Vgl. zum Schicksal
der Zwei-Reiche-Lehre in den KOO des 16.Jh.s J. Heckel, aaO. 611f.

13 Sehling V, 166. MW VI, 184f.: „,...lex moralis, ist nicht ein vergenglich gesetz oder erstlich mit Mose angefan-
gen, sonder es ist die ewige, unwandelbare weisheit in Gott selbs und die ewige regel der gerechtigkeit, in seinem
göttlichen willen, die er aus unaussprechlicher gütigkeit, in die vernünftige creaturn gebildet hat... Und dieses
gesetz nennet man mit gewönlichem namen zehen gebot...‘“. — Vgl. unsere KO, unten S. 1009.

14 Sehling V, 186. MW VI, 235f.: „Wenn nu S. Paulus spricht, wir sind ledig von diesem gesetz, so verstehe, von
der ewigen straf, so wir durch glauben an den Herrn Christum vergebung der sünden und gnad erlangen, und mit
seiner gerechtigkeit bekleidet werden. — Und bleibet zu gleich Gottes ewige weisheit und gerechtigkeit, der wir furthin
gehorsam sein sollen. Und wirkt der Son Gottes selbst in uns leben und gibet seinen heiligen Geist, das der gehorsam
angefangen werde... Darum sollen die prediger die zehen gebot vleissig predigen und aus Gottes wort erkleren, das
man aus göttlichem zeugnis wisse, was sünde sei, und dagegen, welche werk Gott gefellig sind...“. Vgl. unsere
KO, unten S. 1013. Sehling V, 166. MW VI, 185: „Und hat [Gott] sie [die ewige regel der gerechtigkeit] dar-
nach allezeit, fur und fur, in seiner kirchen, von Adams zeiten, mit seiner predigt, erkleret und erholet. Das wir
wissen sollen, wie er selbs ist, nemlich, weise, gütig, warhaftig, gerecht, keusch, und das er wolle, das die vernünftige
ereatur ihm gleichformig sein sol...‘. Vgl. unsere KO, unten S. 1009. 1012. Vgl. auch Sehling V, 185. MW VI,
234. Vgl. dazu Herrlinger, Die Theologie Melanchthons in ihrer geschichtlichen Entwicklung. 1879, 228 ff.
Sehling V, 189. MW VI, 244: ‚,... Alle weltliche oberkeit sol erstlich sein die stimme des ganzen göttlichen, ewigen
gesetzes, das man nennet legem moralem oder zehen gebot, zu erhaltung eusserlicher zucht. Und alle oberkeit ist
diesem göttlichen gesetz selb unterworfen, und vor allen andern werken dazu geordnet, das Sie diese göttliche weisheit
und gerechtigkeit den menschen furtrage und bekant mache ...“.

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