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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0235
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chthonschülers und Kursachsen eng verbundenen Selneccer21. In der Oldenburger KO werden bei aller
Anhänglichkeit an Melanchthon auch Passagen von Chemmnitz übernommen, die sich gegen Melan-
chthons Lehre wenden, so z.B. wenn gefragt wird: „Hat auch der mensch nach dem fall, da er gesündigt
und den heiligen Geist verloren, dennoch so viel tugend und kraft behalten, das er aus natürlichem ver-
mügen sich könne zu Gott bekeren und. from und selig werden?“ Und die Antwort darauf lautet :
„Keinesweges !“ Hier gehört Melanchthon zu denen, die — um es mit der FC auszudrücken — „,gelehret,
obwohl der mensch aus eignen kräften nicht vermöge, Gottes gebot zu erfüllen ... ohne die gnade des
heiligen Geistes, doch hab er noch soviel natürlicher kräften vor der wiedergeburt überig, daß er etlicher-
maßen Sich zu der gnade bereiten ... könnte“, so in den Loci Seit 153522. Trotzdem möchten die Verfasser
unserer KO gern, daß die Pastoren die Loci communes, wie sie dem Corpus doctrinae einverleibt sind
(in der Fassung von 1556), selbst im Besitz haben. Andererseits kommt unsere KO dem Wortlaut der
FC schon ganz nahe, wenn sie mit Chemnitz sagt: „Zum andern nimpt die schrift dem natürlichen
menschen in geistlichen sachen nicht allein alle geschickligkeit und krefte, sondern schreibet ihm dagegen
zu ganz und gar eine widerwertige unart...“23 .In der Abendmahlsfrage unternimmt die Oldenburger
KO selbständig eine Angleichung an Melanchthons Entwicklung. Auf die mit den Worten Melanchthons
aus dem Examen der Ordinanden gestellte Frage: „Was wird im abendmahl des Herrn Christi ausge-
teilet und empfangen ?“, antwortet sie mit eigenen Worten : „Mit dem euserlichen gesegneten brot der
ware leib Christi, der für uns gegeben ist, und mit dem eusserlichen gesegneten wein das ware blut des
Herrn Christi, das für uns zur vergebung der Sünden am kreuz vergossen ist24 .“ Damit berücksichtigt
sie offenbar die Wittenberger Konkordie von 1536 und auch den Art. X der Confessio Augustana
variata. In der Variata heißt es: „daß mit dem Brot und Wein den Essenden wahrhaftig dargereicht
werden Leib und Blut Christi"25 . Es ist nun fast amüsant zu sehen, daß unsere KO sich im folgenden
Text wieder an Chemnitz anlehnt und im Zuge dessen den 10. Art. aus der Invariata (freilich nach der
lat. Fassung) zitiert, danach auch noch den entsprechenden Passus aus der Apologie und den Schmal-
kaldischen Artikeln folgen läßt26. Man kann nicht annehmen, daß Selneccer und Hamelmann hier ein
Versehen unterlaufen sei. Es entspricht der Haltung Selneccers, Melanchthon aus Melanchthon zu inter-
pretieren und ihn mit Luther zu harmonisieren.
Die offenkundige Milde im lutherischen Bekenntnis soll jedoch keinesfalls ein Einstiegsspalt für
reformierte Lehren sein. In der Vorrede zur KO betonen die Grafen Johann und Anton, daß sie ins-
besondere deswegen auf eine Ordnung im Übereinstimmung mit anderen Kur- und Fürstentümern,
Graf- und Herrschaften, „die sich in einhelligen gleichen verstand zu der christlichen Augspurgischen
Confession bekennen", bedacht gewesen seien, weil der leidige Satan mit falscher Lehre und Irrtümern
die reine, gesunde Lehre und den Gebrauch des Sakramentes zu verdunkeln sich unterstehe. Die ost-
friesische Nachbarschaft mochte für die Lutheraner Oldenburgs besorgniserregend sein. Die enge An-
lehmung an die KOO lutherischer Territorien bot Schutz und eine gewisse Sicherheit, eine stillschwei-
gende Übereinkunft bzw. ein Bündnis gegenüber der Gefahr, die aus nächster Nachbarschaft drohte.
Mit den Worten aus Chemnitz’ Kurzem einfältigen Bericht setzte man sich gegen die Sakramentierer
ab: „Das aber auch die sacramentschwermer nicht mögen in diese kirchen einreissen, sollen die leute
für diesem ihrem irrtumb gewarnet werden, das sie fürgeben, die sacramenta sein allein eusserliche
zeichen, die da Gottes gnade nur bedeuten oder eusserlich davon allein zeugnis geben und erinnerung
Für Oldenburg bedrohlich waren zunächst vor allem die Hoenschen und Zwinglischen, dann die
am Corpus doctrinae Philippicum fest und gab den Anschein, als stimme Melanchthon mit Luther vollkommen
überein. Die Lehre von der ubiquitas carnis Christi wurde allerdings abgelehnt. Vgl. P. Tschackert, aaO. 548 f.

21 Selneccer sprach in der Dedication seines Genesiskommentars an Kurfürst August sein Einverständnis mit dem
Corpus doctrinae Philippicum aus; vgl. Wagenmann-Dibelius, RE3 18, 186.

22 Unten S. 997. 23 Unten S. 999. 24 Unten S. 1053.
25 Unten S. 1053, Anm. 2. 26 Unten S. 1053f. 27 Unten S. 986f. 1042f.

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