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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0244
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in einzigartiger Weise beleuchtet. Visitatoren waren der. Superintendent Schlüter, der Lizentiat Hering
und der Magister Velstein30. Für diese Visitation wurden neue Visitationsartikel aufgestellt. Sie sind
gesondert überliefert31 und auch eingetragen in den zweiten Band der Visitationsprotokolle32. Als
„Schlüter’sche Visitationsfragen‘‘ sind sie abgedruckt bei L. Schauenburg33. Den Protokollen zufolge
wurde bei der Visitation im allgemeinen auch ‚ganz entsprechend den Visitationsartikeln verfahren,
wurden 1. Pastoren, 2. Küster und Schulmeister, 3. Vogt, Kirchgeschworene und Eingepfarrte in drei
Examensgängen gesondert befragt. Die Protokolle geben erstmals Zeugnis von dem Leben in den Ge-
meinden. Sie sind deshalb ziemlich eingehend in den Fußnoten zum Abdruck der Visitationsartikel
herangezogen. Neben den ausführlichen Protokollen gibt es noch ein Kurzprotokoll über die Visitation34,
das gleichfalls zur Kommentierung benutzt worden ist.

Wie in der KO von 1573, so spielt auch in den Visitationsartikeln von 1609 die Frage nach den
Büchern der Pastoren eine wichtige Rolle, und die Antworten geben Aufschluß über die theologische
Bildung der Pastoren. Hafenreffer, Chemnitz, Aretius, Lukas Osiander u.a. werden als gelesene
Autoren genannt. Auch die Loci communes Melanchthons sind z.T. noch im Besitz und im Gebrauch.
Der Pastor zu Burhave hat sogar das ganze Corpus doctrinae Philippi, daneben Herbrandus und
Hemmingius. Hafenreffer, so heißt es im Protokoll von Stolhamm, soll mit Vorsicht gelesen werden, be-
sonders in loco von den beiden Naturen in Christo, weil er andere Ausdrücke dafür gebraucht als ge-
wöhnlich. Besonders bei der Aufführung der Bibelkommentare ist es erstaunlich, wie stark das re-
formierte Element vertreten ist. Doch wird den Pastoren das Bekenntnis zur Konkordienformel, Lehre
der KO und zur Verdammung der calvinistischen Lehre abgenötigt.

Die Schlüter’schen Visitationsfragen blieben während. der Dienstzeit Schlüters in Geltung. 1638
erfuhren sie erstmals einige Änderungen. Danach wurden die Visitationsfragen noch öfter modifiziert35.

An der Visitation von 1609/11 ist weiter besonders bemerkenswert, daß für die einzelnen Visita-
tionsorte von den Visitatoren auf Grund des Befundes Visitationsabschiede verfaßt wurden, die der Ab-
stellung von Mängeln dienen sollten. Besonders ausführlich und eindrucksvoll ist der Abschied für
Bardenfleth36. Darin sind so ziemlich alle Punkte zusammengefaßt, die sich bei der Visıtation über-
haupt ergaben, so daß die wesentlichen Bestimmungen aus den Abschieden für die anderen Orte unter
sachlicher Zuordnung unter dem Text des Abschiedes für Bardenfleth angegeben werden können. Auch
Schauenburg hatte schon den Abschied für Bardenfleth für den Abdruck ausgewählt37. Es konnte
keine bessere Wahl getroffen werden. Für Delmenhorst liegen Visitationsberichte erst seit 1658 vor38.

d) Delmenhorster Sittenmandate
Was die Herrschaft Delmenhorst betrifft, so haben wir über das Kirchenordnungswesen in unserem
Zeitraum nur spärliche Nachrichten. Überliefert ist ein „Mandat, belangent die hochzeiten, kindtaufen

30 Vgl. Staats-A. Oldenburg, Best. 73 Nr. 139, 1. Stück.

31 Staats-A. Oldenburg, Best. 20, Tit. 19 Nr. 51.

32 Ebd. Best. 73, V. P. Bd. 2. Unser Text Nr. 6 nach beiden Überlieferungen.

33 L. Schauenburg 1, 456-461. 4

34 Staats-A. Oldenburg, Best. 20, Tit. 19 Nr. 52. |

35 Vgl. L. Schauenburg I, 41ff. 456ff. 464ff. Besonders wichtig die Visitationsfragen des Superintendenten Niko-
laus Vismar (1640-1651).

36 Text Nr. 7, Staats-A. Oldenburg, Best. 73, V. P. Bd. Bl. 231 236.

37 L. Schauenburg I, 473-477,

38 Vgl. E. Grundig, 483 mit Anm. 30 (Hinweis auf Staats-A. Oldenburg, Best. 73, Bd. 16, Bl. 581ff.). Das Kir-
chenbuch der Stadt Delmenhorst beginnt 1658; Taufbücher werden aber schon 1632 erwähnt, und 1639 (25.10.)
führt die Kirchenrechnung für 6 g Papier zu einem Buch auf, damit nicht nur die Kindtaufen, sondern auch die
Verstorbenen aufgeschrieben werden können; vgl. E. Grundig, aa0. mit Anm. 33 (hingewiesen auf Staats-A-
Oldenburg, Best. 20, Tit. 19, 138).

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