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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0277
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Grafschaft Oldenburg

Frag:
Was ist sünd,
erbsünd und wirkliche sünde1?
In der ersten epistel Johannis ist ein kurzer
spruch, der deutlich leret, was sünd ist, nemlich
[1. Joh 3, 4]: Sünd ist, was wider Gottes gesetz ist2.
Diese rede sol man wol betrachten und recht ver-
stehen, nicht allein von eusserlichen werken, sondern
auch von aller blindheit, unordnung und bösen
neigungen in allen kreften der teufel und menschen,
und ist dabey zu vorstehen, das die sündige person
darumb in Gottes ungnad ist und ist schüldig
ewiger straffe3.
Erbsünde ist von wegen der ersten ubertretung
Adams und Eva und von wegen der angebornen
blindheit von Gott und bösen neigungen, die in uns
durch denselben fall komen sind, in Gottes ungna-
den sein, und ist diese sünde in allen menschen, die
aus menlichem samen natürlicherweise geboren
werden, und sind darumb alle in Gottes ungnaden
und ewiglich verdampt, welche nicht durch den
Herrn Christum vergebung der sünden erlangen und
widergeborn werden. Denn wie Adams und Evae
natur nach dem fall zerstöret ist, also sind ihre
kinder und alle menschen, die natürlicherweise ge-
born sind, hernach zerstöret, sind nicht Gottes
wonung, sondern sind vol zweivels von Gott und
vol böser neigung, und diese blindheit und unordent-
liche neigung streiten wider Gott und sind sünd,
wie Paulus ausdrücklich spricht Ro. 8 [7]: Fleisch-
lich gesinnet sein, ist ein feindschaft wider Gott,
darumb so der mensch nicht vergebung erlangt
durch Christum, bleibet er von wegen dieser sünden
im ewigen zorn, straff und verdamnis4.
Wirkliche sünd sind alle werk wider Gottes gebot,

1 Hier setzt wieder die Abhängigkeit von Melan-
chthon, Der ordinanden examen 1552, ein; vgl. MW
VI, 182; Sehling V, 165: ,,Was ist sünd, erbsünd
und wirkliche sünde?"
2 Wörtlich nach Melanchthon, Der ordinanden
examen 1552, MW VI, 182; Sehling V, 165.
3 Der Absatz wörtlich nach Melanchthon, Der
ordinanden examen 1552, MW VI, 182; Sehling V,
165.
4 Der Absatz wörtlich nach Melanchthon, Der

innerlich in der seel und herzen und eusserlich in
allen gliedmassen, und ist der teter auch umb der-
selbigen willen in Gottes ungnaden und verdampt,
so er nicht zu Gott bekehret wird und vergebung
der sünden erlangt durch den Herrn Christum5
Und sollen die leut ernstlich unterrichtet werden,
das der sünde fürnemen gleiche straffe ist, die grau-
same ewige angst, darin die teufel und die verdamp-
ten menschen den gerechten und ernstlichen zorn
Gottes fülen werden.
Daneben in diesem leiblichen leben sind auch
straffen, nemlich der todt, und allerley leibliche
plagen. Diese alle sind ein anfang der ewigen straffen
in den unbekerten.
Sie sind aber auch umb dieser drey ursach willen
den menschen aufgelegt, erstlich, das wir alle da-
durch erinnert werden, das unterschied sey zwischen
tugend und untugend, und das Gott gewisslich ein
weise, gütig, warhaftig, gerecht, keusch wesen sey
und wider alles das warhaftiglich zürne, das dieser
seiner weisheit widerwertig ist. Das wir nun diese
unterscheid und gerechten zorn erkennen, hat er
auch die leiblichen plagen, die nicht gering seind,
auf die menschen gelegt6.
Zum andern, Gott wil durch diese leibliche plagen
eusserliche zucht und frieden erhalten und die
gotteslesterer, eidprichtige, reuber, mörder, ehe-
brecher und andere, befleckt mit blutschanden, weg-
reumen. Und helt Gott selbs fest auf dieser regel,
das uber eusserliche sünden auch in diesem leben
gewislich leibliche straffen folgen, wie geschrieben
ist [Mt26, 52]: Wer das schwert nimpt, wird mit
dem schwert umbkomen etc. Item von blutschan-
den [Lev 18,28]: Hütet euch, das euch das land
nicht ausspeie von wegen der blutschanden, wie es
die Cananeer ausgespien hat. Gott wil eusserliche

ordinanden examen 1552 in dessen 2. Wittenberger
Druck (auch entsprechend dem Druck von 1558;
CR 23, XLVIf.); vgl. MW VI, 182 mit Anm. 25; vgl.
Sehling V, 165.
5 Der Absatz im allgemeinen wörtlich nach Melan-
chthon, Der ordinanden examen 1552, MW VI,
182f.; Sehling V, 165.
6 Die drei letzten Absätze wörtlich nach Melan-
chthon, Der ordinanden examen 1552, MW VI,
183; Sehling V, 165.

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