Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0281
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Grafschaft Oldenburg

gehen hat, die füsse bindet, wie etliche mit den
papisten schwermen, sondern die ganze natur des
menschen ist durch solche sünde verruckt, verder-
bet und vergiftet, also das da ist ein mangel alles
guten und dagegen ein unrat21 zu allem bösen, ja
ein feindschaft wider Gott, Rom. 8 [7]. Zu gutem
haben wir von natur keine lust, liebe, willen oder
geschickligkeit, sondern was böse ist, das wil die
verderbte natur, das kan sie, das tut sie, wie die-
selbige lehre in Apologia, De peccato originis23,
gründlich nach der lenge erkleret wird. Und sollen
die leute berichtet werden, das solche erbsünde sich
anhebt alsbald, wenn der mensch in mutterleibe
empfangen wird, Psalm 51 [7], und wiewol sie in
der taufe vergeben wird und der heilige Geist an-
hebet, dieselbige abzutödten, so bleibt sie doch im
fleisch wonen, das dawider alle heiligen in diesem
leben teglich büssen und streiten müssen, bis der
leib der sünden einmal durch den leiblichen todt
abgelegt werde, Rom. 6 [12f.] und 8 [11]23.
Es sollen auch die pastores vleissig aufsehen
haben und sonderlich itziger zeit, da dieser mani-
cheischer streit von der erbsünde, als das dieselbig
nicht etwas zufelligs in des menschen natur seie,
sondern sie sey des menschen natur selbst, nemlich
sein vernünftige seel mit allen ihren kreften, von

gewinne, so sei des Menschen rectus intellectus zwar
durch die Erbsünde verderbt und unfähig, von sich
aus das Gute zu beginnen, aber in der Bekehrung
durch den Sohn geheilt, redit natura ad suam proprie-
tatem et agit aliter quam natura bruta (Disputatio
de originali peccato et libero arbitrio inter M. Flacium
III. et Victor. Strigelium... Vinariae... 1560...
habita. 1563, 16f.); vgl. Kawerau, RE8 19, 99;
P. Tschackert, aaO. 524. Z.T. gegen Strigel auch
FC, Epitome I, Bek. Schr. 773: ,,Item, daß die erb-
sünde sei nur ein äußerliche hindernus der guten geist-
lichen kräften, und nicht eine beraubung oder man-
gel derselben, als wann ein magnet mit knoblochsaft
bestrichen wird, dardurch seine natürliche kraft nicht
weggenommen, sondern allein gehindert wird...".
Vgl. auch Solida declaratio I, Bek. Schr., 851.
21Chemnitz, Kurzer, einfeltiger... bericht...; Seh-
ling VI, 1, 102: ,,unarth".
22 Apologie II, Bek. Schr., 145ff.
23 Der ganze Absatz im allgemeinen wörtlich nach
Chemnitz, Kurzer, einfeltiger... bericht...; Seh-
ling VI, 1, 102f. Anders am Anfang; Beginn dort
(mitten im Absatz): ,,Dann es ist und muß gehalten
werden...".
24 Vgl. FC, Epitome I, Bek. Schr., 774: ,,Wir verwerfen

Flaccio25 und seinem unruigem anhang von neuen
erreget und ausgesprenget wird, ihre einfeltige zu-
hörer gründlich und treulich, so es vonnöten,
unterrichten und selbst für sich wider solchen
schwarm wol gefasset sein und wissen, quod dogma
istud videlicet peccatum originale esse substantiam
hominis sive ipsam animam rationalem, vere pugnet
cum toto catechismo sive cum universa doctrina
christiana. Primum cum decem praeceptis, omnibus
et singulis. Ideo enim habemus praecepta, ut
agnoscamus et vitemus peccata. Si vero peccatum
esset ipsa hominis substantia, minime vitari posset
peccatum.
Secundo, cum symbolo et huius primo, secundo
et tertio articulo. Docet enim primus articulus,
Deum creatorem esse et conservatorem sue crea-
turae. Cum autem nihil sit conditum sine Deo, qui
solus et unus est creator et ea, quae sunt creata,
sint valde bona, ratione scilicet suae creationis et
ordinis sui, et peccatum non sit bonum, ideo a Deo
peccatum conditum non est, qui nihil etiam magis
odit quam peccatum. Dicere vero a diabolo creatam
esse hominis substantiam sive naturam sive animam
rationalem, quae sit ipsum peccatum atque ita
opus et laudem creationis Deo adimere et diabulo
tribuere, horrenda est blasphemia. Demde secundus
und verdammen auch als ein manichäischen irrtumb,
wann gelehrt wird, daß die erbsünde sei eigentlich
und ohne allen unterschied des vorderbten menschen
substanz, natur und wesen selbst..."; auch Solida
declaratio I, Bek. Schr., 852. Dazu W. Preger, Mat-
thias Flacius Illyricus und seine Zeit II. 1861, 320 ff.;
P. Tschackert, aaO. 524f.; A. Adam, aaO. 11,
366 ff.
25 Matthias Flacius aus Albona in Istrien, daher ge-
nannt Illyricus, 1520-75, vermutlich 1544 Professor
für Hebräisch in Wittenberg, 1557 Professor für NT
in Jena, 1561 Amtsenthebung, 1566 Prediger der
luth. Gemeinde in Antwerpen, 1567 Übersiedlung
nach Straßburg, 1573 wegen Irrlehre des Landes ver-
wiesen, gestorben in Frankfurt/M. Flacius war
gnesiolutherischer Streittheologe: im Anschluß an
das Interim adiaphoristischer Streit gegen Melan-
chthon; Majoristischer Streit gegen Georg Majors
Behauptung der Notwendigkeit guter Werke zur
Seligkeit; Osiandrischer Streit zur Verteidigung der
forensischen Rechtfertigungslehre gegen Andreas
Osiander. Zum synergistischen Streit vgl. oben
S. 1000, Anm. 27. Vgl. W. Preger, aaO. I. 1859; II.
1861; G. Moldaenke, RGG3 II, 971; G. Buttler,
EKL I, 1298 ff.

1006
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften