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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0283
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Grafschaft Oldenburg

ein ander ding die erbsünde und ein ander ding des
menschen substanz, natur und wesen. Die erbsünde
ist nicht die natur und substanz des menschen,
sonder ein verderbung derselben, das nemlich des
menschen verstand, vernunft, wille und alle kreften
des leibs und der seelen also verderbt, das sie in
göttlichen sachen aus ihnen selbs nichts vermögen,
sondern von Gott, dem höchsten gut, zu dem bösen
verkeret seind. Derhalben denn die sünde nicht für
sich selbst sein kan, sondern sie ist ein geschöpf
Gottes, und da das geschöpf Gottes nicht were, als
da sind die teufel und menschen, so were auch die
sünde nicht, und ist und bleiben doch der teufel
und die verdampte menschen ein geschöpf Gottes,
auch nach dem fall, die sünde aber in ihnen ist
des teufels werk, deren anfenger der teufel ist,
welcher nichts schaffen, aber was gut geschaffen
ist, aus Gottes verhengnis verderben kan.
Und das zeugt S. Paulus mit klaren worten an,
da er schreibt [Rm 7, 18-21]: Ich weis, das in mir,
das ist in meinem fleisch, nichts guts wonet. Item,
so ich tu, das ich nicht wil, so tu ich dasselbig nicht,
sondern die sünde, die in mir ist. Item, so finde ich
nur ein gesetz, der ich wil das gute tun, das mir das
bös anhangt.
Hie machet S. Paulus ein klaren unterscheid
zwischen ihm, das ist zwischen seinem wesen, und
der sünde und sagt nicht, das er oder sein natur die
sünde sey, sondern das die sünde in ihm sey und
ihme anhange, und das er begere, der sünden ledig
und los zu werden.
Darumb ist ein anders S. Paulo sein natur, sub-
stanz, wesen, leib und seel, und ein anders die sünd,
die in S. Paulus substanz, natur, wesen, leib und seel
stecket und ihme anhangt. Das wesen hat er von
Gott, die sünde aber von dem bösen feinde, der sie
unsern ersten eltern angehengt hat.
27 Vgl. N. Selneccer, ,,CHRISTIANAE INSTITV-
TIONIS PARS TERTIA, CONTINENS DOC-
trinam catecheticam: Catechismum D.D.Lutheri
Graece et Latine: Decalogi Explicationem: et Quae-
stiones Catecheticas, accomodatas ad Vsum scho-
larum: ... FRANCOFORTI AD MOENVM...
M.D.LXXIII." Ibid. 198f.: ,,Estne peccatum sub-
stantia hominis, cum nominetur caro et vetus homo ?
Nequaquam est substantia hominis. Nam hominis
substantia et natura a Deo est creata, et eam absque
peccato, carnem scilicet nostram assumsit Filius Dei.

Und das kan ein jeder einfeltiger laye aus seinem
einfeltigen kinderglauben urteilen, da wir bekennen:
Ich glaub in Gott, Vater, allmechtigen, schöpfer
himels und der erden, das ist aller ding, die im
himel und auf der erden sein, von dem wir haben
leib und seel, augen, ohren etc. Aber hie hören wir
nicht, das er die erbsünde geschaffen habe.
Das aber gesagt wird, des menschen natur ist
ganz und gar dem gesetz Gottes zuwider, darumb
ist sie die erbsünde selber, darauf ist also zu ant-
worten: Des menschen natur ist dem gesetz Gottes
zuwider allein umb der sünde willen. Denn da sie
nicht mit der sünde befleckt were, so were sie dem
gesetz nicht zuwider, als zuvor und ehe Adam ge-
sündigt hat, ist Adams substanz, natur und wesen
dem gesetz Gottes nicht zuwider gewesen. Darumb
seind es zwey unterschiedene ding, des menschen
wesen und die sünde, da keins das ander ist, obwol
eins von dem andern befleckt werden kan, und ist
dem gesetz nichts zuwider denn die sünde und das
mit der sünde befleckt wird, obgleich sein wesen
bleibet, doch ein unrein, befleckt, sündig wesen27.
Vom göttlichen ewigen gesetz und von
unterscheid der zehen gebot und der
andern gesetz in Mose, nemlich der
levitischen ceremonien und bürgerlichen
gesetzen1
Die alte gewöhnliche weise, die gesetze im Mose
in drey teil zu teilen und zu unterscheiden, ist ein
zimliche anleitung, die leute zu unterrichten von
vielen grossen sachen, nemlich also:
Es sind dreyerley gesetz in Mose, etliche sind ge-
nant lex moralis, das nennen wir das ewig gesetz
oder urteil wider die sünde in allen menschen, wie
wir hernach weiter erkleren wollen.
Peccatum autem est adventitia qualitas, qua natura
humana deformata est, et rea facta irae et mortis
aeternae. Caro autem et vetus homo metonymice
usurpantur: caro pro carnis vitiositate sive rebellio-
ne: vetus homo pro iniustitia et peccato. Ponitur
enim substantiae nomen pro adiuncto et causa pro
effectu: quod ad confutandos Manichaeos obser-
vandum est, qui ad substantiam nomina ista retu-
lerunt." Weiteres über die Erbsünde Inst. Christ.
Rel. I, 354 ff.
1 Mit dieser Überschrift setzt wieder die Abhängigkeit

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