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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0297
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Grafschaft Oldenburg

Es sollen auch treue, vleissige pastores und lerer
diese lere vom unterscheid des gesetzes und evange-
lii in ihren predigen ad usum accomodiern20, wenn
der prediger gottlose, sichere leute für sich hat, die
er durch göttliche kraft und wirkung gerne wolte
füren und bringen zu warer erkentnis ihrer sünden,
das sie für Gottes zorn, für dem todt und verdamnis
sich fürsehen und also durch ein ernstlich misge-
fallen, reu und leid, von der sünde sich abwenden,
das ist, zur busse komen möchten, was er denen aus
Gottes wort fürhalten, worauf er sie weisen solle,
dardurch der heilige Geist ihnen müge busse, das
ist ware erkentnis, reu und leid ihrer sünden geben,
2.Timoth. 2 [25f.], nemlich nicht das evangelium,
sondern das gesetze; denn dasselbig ist ministerium
peccati et mortis, 2.Corinth. 3 [7ff.], durchs ge-
setze kümpt erkentnis der sünden, Rom. 3 [20], das
gesetze richtet zorn an, Rom. 4 [15], und weiset das
gesetze auch den heiligen in diesem leben die sünde,
so noch in ihrem fleisch wonet, Rom. 7 [7ff.], auf
das sie nicht hoffertig, sondern in der demut herun-
tergehalten werden und ihre seligkeit mit dem lieben
David setzen allein darauf, das ihre sünde ihnen
zugedecket und nicht zugerechnet werden, Rom. 4
[6ff.].
Wenn man aber ein betrübtes gewissen trösten
wil, item wenn man den leuten weisen wil, wo sie
suchen, finden und erlangen mögen Gottes gnade,
versönung, vergebung der sünden und ewiges leben,
sol man sie nicht weisen zum gesetzt21 , das ist, auf
unsere werke. Denn das gesetze ist nicht gegeben,
das es könne gerecht und lebendig machen, Roma. 3
[19f.], Galat. 3 [11], es tröstet auch das gewissen
nicht, sondern richtet zorn an, Roma. 4 [15], ist
ein ampt, nicht des lebens, sondern des todes und
der verdamnis, 2.Corinth. 3 [7ff.]. Sondern auf die
lere des evangelii von Christo sollen solche gewissen
geweiset werden, dasselbig sol ihnen fürgehalten
werden als ein ministerium, mittel und werkzeug,
dardurch der heilige Geist den betrübten gewissen
wil trost, vergebung der sünden, gerechtigkeit und

20 Chemnitz, Kurzer, einfeltiger... bericht...; Seh-
ling VI, 1, 99: Diese lehre von underscheid des ge-
setzes und evangelii wird und soll also ad usum

ewiges leben umb Christus willen durch den glauben
appliciern, schenken und geben.
Uber das22, wenn ein prediger von der verneue-
rung oder von neuem gehorsam also leren wil, das
der heilige Geist durchs wort die herzen möge er-
neuern, mus er darauf gar gut achtung geben, was
er für ein wort und lere darzu gebrauchen solle.
Das gesetze weiset wol, was wir tun sollen, aber es
gibet die kraft und das vermögen nicht, sondern
der heilige Geist mus die herzen erneuern, Tit. 3
[4ff.], und desselben früchte sind alle rechtschaffene,
gute werk, Galat. 5 [22], Ephes. 5 [9]. Der heilige
Geist aber wird gegeben und empfangen nicht durch
das gesetz, sondern durch die predigt vom glauben,
Galat. 3 [2]. Derhalben mus vorhin die person durch
Christum gerecht und Gott angenem werden, als-
denn verneuert der heilige Geist das herze, das es
einen guten fürsatz bekümpt und in betrachtung
der grossen güt und gnad Gottes sich von herzen
ergibt, demselben zu dienen und gehorsam zu sein,
Rom. 6 [17f.].Wenn nun im herzen also die ver-
neuerung des heiligen Geistes angefangen ist, so sol
das herze nicht aus menschensatzungen oder eigener
andacht sonderliche gottesdienste erdenken, Colo. 2
[20ff.], Matt. 15 [2ff.], Deut. 12 [13f.], Ezech. 20
[28], sondern alsdenn kömpt das gesetze und weiset,
was das für gute werke sein, die Gott vorbereitet
hat, das die seinen darinnen wandeln sollen, Ephe. 2
[10], Ezech. 20 [19f.], Deuter. 12 [1ff.], Rom. 12
[1ff.], Gala. 5 [22f.]. Und weil das gesetze alsbalt
auch weiset, das solche auch der heiligen gute werke
in diesem leben schwach, unrein und unvolnkomen
sein, Psalm 32 [5], Roma. 7 [14ff.], so kömpt wie-
derumb das evangelion und leret, wie und warumb
solche gute werk Gott gefellig und angenem sein,
nemlich nicht darumb, das sie rein und vollenkomen
sein, sondern durch den glauben umb des Herren
Christi willen, weil die person des gleubigen Gott
versönet und angenem ist. Solcher unterscheid des
gesetzes und evangelii mus vleissig gehalten werden;
denn was vor unradt in der kirchen daraus entstehe,

accomodiert werden:
21 Chemnitz, aaO.: gesetz.
22 Chemnitz, aaO.: Zum dritten.

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