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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0302
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Kirchenordnung 1573

nicht in die helle versinken, gibet auch den heiligen
Geist, das du freude an Gott hast, und erkennet dein
herz Gottes gegenwertigkeit und gnade durch den
Son, der durchs evangelium dir Gottes gnad im
herzen zeigt, und durch den heiligen Geist, der
freude gibet an Gott und dich treibet zur anruffung
und zum gehorsam gegen Gott.
Wiewol nun die widergeburt also geschihet, so
sol doch für und für dieser glaub fürleuchten, das
du vergebung empfehest und gerecht, das ist, Gott
gefellig seiest umb des Herrn Christi willen, der der
mittler ist und bleibet und stehet im heimlichen
rat göttlicher majestet und bittet für uns und tregt
unsere seufzen zum ewigen Vater und hat gespro-
chen Joan. 14 [6]: Niemand komet zum Vater denn
durch mich.
Wiewol aber etliche andere deutung suchen auf
das wort gerechtigkeit, so ist doch dieses ganz
öffentlich, das wir allezeit für und für erstlich müs-
sen vergebung der sünden durch glauben empfan-
gen, und also hat das herze trost und ist die person
Gott gefellig, Rom. 5 [1]: So wir gerecht worden
sind durch glauben, haben wir frieden bey Gott. So
ist durchaus in aller propheten schrift und reden
allein diese form zu bitten und für Gott zu komen
ausgedruckt: Herr, erbarm dich mein durch dein
barmherzigkeit, und ist dabey der mittler mit aus-
gedruckten worten genant, als in Daniel [9, 18],
nicht von wegen unser gerechtigkeit erhöre uns,

23 Contra und Antwort im allgemeinen wörtlich nach
Melanchthon, Der ordinanden examen 1552,
unter Benutzung des 2. Wittenberger Druckes; vgl.
MW VI, 192 und 253f., Anm. 45. Der 2. Wittenberger
Druck hier übereinstimmend mit dem Druck von
1558, CR 23, LVIIf. Vgl. Sehling V, 169.
1 Die Frage wörtlich nach Melanchthon, Der ordi-
nanden examen 1552, MW VI, 193; Sehling V, 169.
2 Nach der Lehre des Koran gibt es keine Erbsünde.
Der Mensch ist von Natur aus gut; nur Umweltein-
flüsse können ihn schlecht machen. Der Mensch ist
an Gott gebunden entsprechend einem Vertrag zwi-
schen Gott und der präexistenten Menschheit; vgl.
Sure VII, 171. Gott ist fühlbar überall gegenwärtig;
entsprechend gestaltet der Mensch sein Leben nach
den göttlichen Geboten in Erfüllung kultischer
Pflichten, Barmherzigkeitspflege und Rechtlichkeit.
Vgl. A. Schimmel, RGG3 III, 907ff. Vgl. Sure II,
286: ,,Gott legt einer Seele nur soviel auf, als ihre
Kraft reicht; für sie gilt (nur), was sie (an Gutem) er-

Gott, sondern aus deiner grossen barmherzigkeit
umb des Herrn willen. Also sollen wir auch bitten,
und sol der glaub auf den mittler Jhesum Christum,
Gott und menschen, und auf seinen verdienst und
versünung gegründet sein und das herz festiglich
gleuben, das dich Gott gewislich annimmet von
wegen dieser seiner verheissen barmherzigkeit und
sol nicht in zweifel und zappeln bleiben. Daraus ist
klar, das der trost auf dem Herrn Christo und seinem
verdienst, nicht auf unser reinigkeit oder wesent-
lichen gerechtigkeit stehet23.
Was ist unterscheid der warhaftigen lere
in unsern kirchen in diesem artikel
und der bepstlichen falschen lere1 ?
Antwort:
Fürnemlich sol man diese drey unterscheid
merken:
Der erst: die bepstlichen dichten wie die phari-
seer, heiden und Türken2, ein mensch sey darumb
gerecht und Gott gefellig, wenn er in guten werken
lebet, das ist, so er ehrlich lebet in eusserlicher
zucht, und dichten die papisten weiter darzu, das
dieselbigen werk vergebung der sünden verdienen,
item, das sie vergebung der sünden verdienen mit
ihren orden, mesopfern etc.3, wie die phariseer
tichten, ihre opfer verdineten vergebung der sünden
etc.
wirbt, und auf ihr lastet (nur), was sie (an Schlech-
tem) verdient...". Sure IV, 124: ,,Wer aber gute
Taten verrichtet... und gläubig ist, solche werden
in das Paradies eingehen, und nicht wird ihnen so-
viel wie ein Grübchen im Dattelkern Unrecht ge-
tan." (Der Koran arabisch-deutsch, Übersetzung,
Einleitung und Erklärung von Maulana Sadr-Ud-
Din. 1939, 87. 170).
3 Zu den Ordensangehörigen vgl. Thomas, Summa
theol. 2 II q. 186 a. 1: ,,Religio autem... est quaedam
virtus, per quam aliquis ad Dei servitium et cultum
aliquid exhibet. Et ideo antonomastice religiosi
dicuntur illi qui se totaliter mancipant divino servi-
tio, quasi holocaustum Deo offerentes... In hoc au-
tem perfectio hominis consistit quod totaliter Deo
inhaereat... et secundum hoc religio perfectionis
statum nominat." Die Ordensangehörigen leisten
durch Befolgung der Klostergelübde, die mit den
consilia evangelica zusammengebracht werden,
opera supererogationis, die die Kirche wie einen

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