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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0090
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Grafschaft Schaumburg

9. Zuchtmandata
24. Februar 1570

Otto, Graf zu Holstein, Schaumburg und Sternen-
bergb, Herr zu Gemen etc.
cNachdem wir zu mehrmahlen bei ernstlicher straf
verbiethen laßen haben, daß unter der meß und pre-
digt vormittags weder brantewein noch ander wein
oder bier in unßer grafschaft hin und wider auf oder
in kellern oder schenken in stäthen und flecken,
auch in den krügen auf den dörfern noch sonst ge-
zapfet noch gedrunken werden solle, aber doch be-
funden, daß solches wenig beachtet, sondern viel-
mehr darmit, zu abbruch des almächtigen lobs, ehre
und dienstes und zu verachtung unßers gebots, täg-
lich, je länger je mehr, öffentlich und heimlich ver-
faren würded, daß auch bisweilen die pastoren in ih-
rem amt dadurch gröblich verhindert werden, |9v|
und dan unß nicht gebüren wolle, demselbigen, auch
anderm, dardurch der gottesdienst aufgehalten und
versperret1 wird, ferner zuzusehen, so sind wir ge-
meint2, daß folgendermaßen gegen die übertreter ge-
baret3 werden soll, nemlich:
Wer von unßern unterthanen in stäten, flecken und
dörfern hinfort unter der meß und predigt vormit-
tags auf oder in kellern, schenken und krügen oder
sonst in andern häußern brantewein oder andern
wein oder bier zur zeche drinket oder zapfet und
darüber betretten4 oder sonst auß gewisser kund-
schaft darin schuldig befunden wird, es seyn mann

a Textvorlage A (Handschrift): NLA Bückeburg L 9,
Nr. 2, Bl. 9r-11v (spätere Abschrift). Überschrift: Re-
script, die bestrafung der störung des öffentlichen got-
tesdinstes betr., vom 24. Februar 1570. Textvorlage B
(Druck): Landesverordnungen 1, S. 2f.
b B: Sternberg.
c Gestr. in A: Ersamen und vorsichtigen, lieben getreuen.
d B: werde.
e B: dem.
1 Unterbunden, s. Grimm, DWb 25, Sp. 1400.

oder weibspersonen, die zu ihren jaren und vernunft
kommen seyn, niemands ausbescheiden5, die |10r| sol-
len auf den nächst folgenden heiligen tag in der kir-
che vor dem hohen altar, alsolange die meß und pre-
digt wehret, auf den knien liegen und ein brennend
licht oder kerze in ihrer hand halten, auch mit dem
brennenden lichte in zeit des opffers um das hohe
altar gehen und ihr opffer darauf legen, damit sie
dasmahl, wenn die meß und predigt ihr ende hat,
erledigt und ihr buß geleistet haben sollen. Und soll
der drinker, der zapfer und der haußwirth, da es ge-
schiehet, gleich gestrafet werden.
Würden aber dieselbigen personen, die also einmale
gebußfertiget6, zum andern mal betreten oder schul-
dig befunden, so sollen sie gleichfals ihre straf, |10v |
wie obstehet, vor der gemeinen kirchen auf sich ne-
men, und ihnen darzu die schandsteine angehal-
set7 werden, wie ihr zu dere behuf an die kirchen
schandsteine verordnen und zurichten laßen sollet.
Und dieweil nicht weniger nachtheils und verhin-
derung dem gottesdienste ob dem spatzieren um
und auf den kirchhöfen zustehet8, soll das spatzieren
auf den kirchhöven hinfür hiermit bei geleicher stra-
fe einem jeden verboten seyn. Und wo jemants dar-
wider handeln und darüber angetroffen oder sonst
schuldig |11r| befunden würde, der soll zu gleicher
strafe, wie obgesetzt ist, genommen werden.

2 Meinen wir, wollen wir.
3 Vorgegangen, verfahren, FWb 6, Sp. 208f.
4 Ertappt, ergriffen, s. FWb 3, Sp. 2108f.
5 Ausgenommen, s. FWb 2, Sp. 900.
6 Bestraft, s. DRW 2, Sp. 659.
7 Um den Hals gelegt werden, s. Grimm, DWb 1,
Sp. 365. Bei dieser Prangerstrafe wurde eine Schandket-
te mit ein oder zwei Schandsteinen um den Hals des De-
linquenten gebunden (s. DRW 12, Sp. 212).
8 Zuteil wird, s. Grimm, DWb 32, Sp. 849.

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