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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0126
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Grafschaft Schaumburg

hohen Gaben, das schone licht von Gott im ver-
standt und den gehorsamb im Hertzen, Item das le-
ben. Uber dieß sind sie Verwundet, daß der Ver-
standt voll zweiffels und Irthumbs ist und das Hertz
voll unordentlicher Neigung, furcht und tödtlichen
|27| schreckens in allerley betrübnuß. Und hetten
also die Menschen im leiblichen unnd ewigen todte
bleiben müssen, so nicht der Sohn Gottes fürbitter
und Mittler worden wehre.

Und ist nötig, hie zuerinnern, das gewißlich war ist
und festiglich zugleuben, das Gott nicht ursach der
Sünden ist47. Er wircket sie nicht, hilfft nicht dazu,
wil sie nicht, weder heimlich noch offentlich, son-
dern zurnet grawsamblich wieder sie. Aber der Teuf-
fel und menschen wille selbst ist ursach der Sün-
den48.

Was ist Sündt, Erbsünd und Wirckliche Sünd?

In der ersten Epistel Johannis ist ein kurtzer
spruch, der deutlich leret, was Sünde ist, nemblich:
Sünd ist, was wieder Gottes Gesetz ist49. Diese rede
soll man wol betrachten und recht verstehen, nicht
allein von eusserlichen Wercken, sondern auch von
aller blindtheit, unordnung und bösen |28| neigungen
in allen krefften, der Teufeln und Menschen. Und ist
dabey zuverstehen, daß die sündige Persohn dar-
umb in Gottes ungnaden und ewiger Straffe schul-
dig ist.
Erbsünde ist von wegen der ersten Ubertretung
Adams und Eva und von wegen der angebornen
blindtheit von Gott unnd bösen neigungen, die in
und durch denselbigen Fall kommen sindt, in Gottes
ungnaden seyn. Unnd ist diese Sünde in allen men-
schen, die auß menlichen Samen natürlicher weise
geboren werden. Und sind darumb all in Gottes un-
gnaden und ewiglich verdampt, welche nicht durch
den Herrn Christum Vergebung der Sünde erlangen
und wiedergeboren werden50. Dann wie Adams und
Eva natur nach dem Fall zerstöret ist, also sindt
ihre Kinder und alle menschen, die natürlicher weise
geboren sind, hernach zerstöret, sind nicht Gottes
wohnung, sondern sind voll Zweiffels von Gott und
vol böser neigung. Und diese blindtheit und unor-
dentliche neigung streiten wieder Gott und sindt
Sünde, wie Paulus außtrücklich spricht |29| Rom. 8
[7]: Fleischlich gesinnet seyn ist feindtschafft wieder

47 Vgl. Jak 1,13. Zur Diskussion um diese Frage vgl. TRE
32, S. 400-406 (s.v. Sünde VII).
48 Vgl. Art. 19 der Confessio Augustana, s. BSELK, S. 114.

Gott. Drumb, so der Mensch nicht Vergebung er-
langt durch Christum, bleibt er von wegen dieser
Sünden in ewigem Zorn, Straff und Verdamnuß.
Wirckliche Sünd sindt alle Werck wieder Gottes Ge-
bott, innerlich in der Seel unnd im Hertzen und eus-
serlich in allen glidmassen. Und ist der thedter auch
umb desselben willen in Gottes ungnaden und ver-
dampt, so er nicht zu Gott bekehret wirdt und ver-
gebung der Sünden erlanget durch den Herrn Chri-
stum.
Und sollen die Leute ernstlich unterricht werden,
daß, der Sünde fürnehme, gleiche straffe ist, die
grausame, ewige angst, drin die Teuffel und die Ver-
dampten menschen den gerechten und ernstlichen
Zorn Gottes fühlen werden. Darneben, in diesem
leiblichen leben sind auch straffen, nemblich der
Todt und allerley leibliche Plagen. Diese alle sein ein
anfang der ewigen straffen in den unbekerten. Sie
sindt aber auch umb dieser dreyer uhrsachen willen
den menschen auffgelegt:
Erst-| 30| lich, daß wir alle dadurch erinnert werden,
das unterschied sey zwischen tugendt und un-
tugendt, und das Gott gewißlich ein weiß, gütig,
wahrhafftig, gerecht, keusch wesen sey und wieder
alles das warhafftiglich zürne, daß dieser seiner
weißheit zuwieder ist. Daß51 wir nun diese unter-

49 Vgl. 1Joh 2,3-4.
50 Vgl. 1Petr 1,3.23.
51 Damit.

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