Goslar
Mitte der sechziger Jahre hatte sich die Einnahmesituation des Kistenamtes dann anscheinend deutlich
verbessert262. Entsprechend war auch die Besoldung der Prädikanten angehoben worden. Hatte der Lohn
eines Pfarrers Ende der zwanziger bzw. Anfang der dreißiger Jahre noch bei etwa 30 Mark jährlich gelegen,
also kaum über dem eines Altaristen um 1520, der keine Familie zu versorgen hatte, war das Gehalt eines
Pfarrers Mitte der sechziger Jahre auf 100 Gulden, das eines Kaplans auf immerhin 80 Gulden gestie-
gen263. Darüber hinaus besaßen die Geistlichen freies Wohnrecht und bezogen unentgeltlich Korn aus den
Korngefällen des Kistenamtes264. Nicht genau beziffern lassen sich ihre Einnahmen aus den für Kasualien
erhobenen Gebühren.
Die Konsolidierung des Gemeinen Kastens mag auch dazu beigetragen haben, daß es im August 1566 zu
einem Vergleich zwischen dem Rat und den Geistlichen kam, in welchem sowohl die Frage der Lohnfort-
zahlung im Fall von Krankheit und Siechtum als auch das Problem der Versorgung der Hinterbliebenen
geklärt wurde. Entsprechend der auch in anderen evangelischen Städten und Territorien gebräuchlichen
Regelung sagte der Goslarer Rat den Witwen und Waisen jetzt für ein Jahr (das sogenannte Nachjahr)
einen Weiterbezug der Besoldung und ein Wohnrecht im Pfarrhaus oder der Kaplanei zu265. Darüber hinaus
genossen die Witwen auf Lebenszeit das Privileg der Befreiung vom Schoß und anderen Abgaben, das den
Geistlichen bei ihrer Anstellung eingeräumt worden war. Den Söhnen der Geistlichen wurde die Möglich-
keit zum Erwerb des Bürgerrechts gewährt. Der nächste Schritt zur Versorgung der Pfarrfrauen war dann
die Einrichtung einer Predigerwitwenkasse Mitte des 18. Jahrhunderts (1754)266.
Wie bereits in der Vereinbarung von 1550 gelobten die Geistlichen auch 1566 die Übernahme der Amts-
pflichten eines verstorbenen Kollegen. Vielleicht war es in der zurückliegenden Zeit zu Problemen bei der
Versorgung der Gemeinden gekommen, vielleicht handelte es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme des Rats
angesichts der 1565/66 in Niedersachsen grassierenden Pest267 ;jedenfalls erklärte sich dieser bereit, beim
Ausfall mehrerer Prädikanten noch während des Nachjahres eine Neubesetzung vakanter Stellen vorzu-
nehmen.
20. Berufung von Tilemann Heshusen zum Superintendenten, 23. März 1553 (Text S. 302)
Am 15. April 1547, nur wenige Tage vor der Schlacht von Mühlberg, starb der Superintendent Eberhard
Widensee. Seine Stelle scheint in den folgenden Jahren nicht wieder besetzt worden zu sein. Für Goslar
waren es sehr aufregende Jahre, die mit der endgültigen Niederlage der Stadt im Konflikt mit Herzog
Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel im Riechenberger Vertrag vom Juni 1552 endeten268. In die
Zeit nach diesem für Goslar so grundlegenden historischen Einschnitt fällt die Berufung Tilemann Hes-
husens zum Superintendenten der Stadt. Sie kam wohl auf die Vermittlung Philipp Melanchthons zustande,
der mit dem Goslarer Rat in brieflichem Kontakt stand (s. oben unter Nr. 18)269. Heshusen war Melan-
262 Zum Goslerer Kistenamt vgl. oben S. 200.
263 Vgl. Graf, Pfründe, S. 48.
264 Vgl. Trumph, Goslarische Kirchen-Historie, S. 69f.
265 Vgl. z.B. Sehling, EKO VI,2, S. 1131 und EKO VII,1,
S. 161 sowie in diesem Band zur Grafschaft Schaumburg
Nr. 21, S. 166f.
266 Vgl. Graf, Pfründe, S. 48, Anm. 125 (mit Hinweis auf
StadtA Goslar B 7852).
267 Vgl. Sonja Ribbentrop, Pest und Policey im norddeut-
schen Raum im Kontext von Wirtschaft, Administration
und Policey, Hamburg 2014, S. 37.
268 Seit der Rückkehr Heinrichs von Braunschweig-Wolfen-
büttel in sein Land im Sommer 1547 hatte die Stadt in der
beständigen Angst vor einem Überfall gelebt. Es dauerte
jedoch fast fünf Jahre, bis sich der Herzog im Juni 1552,
also kurze Zeit nach der politischen Stabilisierung des
Protestantismus in Deutschland durch den erfolgreichen
Feldzug Moritz’ von Sachsen, zum Vorgehen gegen Goslar
entschloß: Der Herzog besetzte das Stift Riechenberg und
begann mit der Belagerung der Stadt.
269 Vgl. auch die Nachweise in MBW, R 10 (Itinerar), S. 87.
Anscheinend war vor Heshusens Berufung Christoph Leib
als möglicher Kandidat für das Amt im Gespräch gewe-
sen. Melanchthon riet Leib aber zur Annahme der ihm
angetragenen Superintendentur in Brandenburg, die eine
sehr viel ruhigere Amtsführung verspreche als die in Gos-
lar (MBW, R 7, Nr. 6719).
210
Mitte der sechziger Jahre hatte sich die Einnahmesituation des Kistenamtes dann anscheinend deutlich
verbessert262. Entsprechend war auch die Besoldung der Prädikanten angehoben worden. Hatte der Lohn
eines Pfarrers Ende der zwanziger bzw. Anfang der dreißiger Jahre noch bei etwa 30 Mark jährlich gelegen,
also kaum über dem eines Altaristen um 1520, der keine Familie zu versorgen hatte, war das Gehalt eines
Pfarrers Mitte der sechziger Jahre auf 100 Gulden, das eines Kaplans auf immerhin 80 Gulden gestie-
gen263. Darüber hinaus besaßen die Geistlichen freies Wohnrecht und bezogen unentgeltlich Korn aus den
Korngefällen des Kistenamtes264. Nicht genau beziffern lassen sich ihre Einnahmen aus den für Kasualien
erhobenen Gebühren.
Die Konsolidierung des Gemeinen Kastens mag auch dazu beigetragen haben, daß es im August 1566 zu
einem Vergleich zwischen dem Rat und den Geistlichen kam, in welchem sowohl die Frage der Lohnfort-
zahlung im Fall von Krankheit und Siechtum als auch das Problem der Versorgung der Hinterbliebenen
geklärt wurde. Entsprechend der auch in anderen evangelischen Städten und Territorien gebräuchlichen
Regelung sagte der Goslarer Rat den Witwen und Waisen jetzt für ein Jahr (das sogenannte Nachjahr)
einen Weiterbezug der Besoldung und ein Wohnrecht im Pfarrhaus oder der Kaplanei zu265. Darüber hinaus
genossen die Witwen auf Lebenszeit das Privileg der Befreiung vom Schoß und anderen Abgaben, das den
Geistlichen bei ihrer Anstellung eingeräumt worden war. Den Söhnen der Geistlichen wurde die Möglich-
keit zum Erwerb des Bürgerrechts gewährt. Der nächste Schritt zur Versorgung der Pfarrfrauen war dann
die Einrichtung einer Predigerwitwenkasse Mitte des 18. Jahrhunderts (1754)266.
Wie bereits in der Vereinbarung von 1550 gelobten die Geistlichen auch 1566 die Übernahme der Amts-
pflichten eines verstorbenen Kollegen. Vielleicht war es in der zurückliegenden Zeit zu Problemen bei der
Versorgung der Gemeinden gekommen, vielleicht handelte es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme des Rats
angesichts der 1565/66 in Niedersachsen grassierenden Pest267 ;jedenfalls erklärte sich dieser bereit, beim
Ausfall mehrerer Prädikanten noch während des Nachjahres eine Neubesetzung vakanter Stellen vorzu-
nehmen.
20. Berufung von Tilemann Heshusen zum Superintendenten, 23. März 1553 (Text S. 302)
Am 15. April 1547, nur wenige Tage vor der Schlacht von Mühlberg, starb der Superintendent Eberhard
Widensee. Seine Stelle scheint in den folgenden Jahren nicht wieder besetzt worden zu sein. Für Goslar
waren es sehr aufregende Jahre, die mit der endgültigen Niederlage der Stadt im Konflikt mit Herzog
Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel im Riechenberger Vertrag vom Juni 1552 endeten268. In die
Zeit nach diesem für Goslar so grundlegenden historischen Einschnitt fällt die Berufung Tilemann Hes-
husens zum Superintendenten der Stadt. Sie kam wohl auf die Vermittlung Philipp Melanchthons zustande,
der mit dem Goslarer Rat in brieflichem Kontakt stand (s. oben unter Nr. 18)269. Heshusen war Melan-
262 Zum Goslerer Kistenamt vgl. oben S. 200.
263 Vgl. Graf, Pfründe, S. 48.
264 Vgl. Trumph, Goslarische Kirchen-Historie, S. 69f.
265 Vgl. z.B. Sehling, EKO VI,2, S. 1131 und EKO VII,1,
S. 161 sowie in diesem Band zur Grafschaft Schaumburg
Nr. 21, S. 166f.
266 Vgl. Graf, Pfründe, S. 48, Anm. 125 (mit Hinweis auf
StadtA Goslar B 7852).
267 Vgl. Sonja Ribbentrop, Pest und Policey im norddeut-
schen Raum im Kontext von Wirtschaft, Administration
und Policey, Hamburg 2014, S. 37.
268 Seit der Rückkehr Heinrichs von Braunschweig-Wolfen-
büttel in sein Land im Sommer 1547 hatte die Stadt in der
beständigen Angst vor einem Überfall gelebt. Es dauerte
jedoch fast fünf Jahre, bis sich der Herzog im Juni 1552,
also kurze Zeit nach der politischen Stabilisierung des
Protestantismus in Deutschland durch den erfolgreichen
Feldzug Moritz’ von Sachsen, zum Vorgehen gegen Goslar
entschloß: Der Herzog besetzte das Stift Riechenberg und
begann mit der Belagerung der Stadt.
269 Vgl. auch die Nachweise in MBW, R 10 (Itinerar), S. 87.
Anscheinend war vor Heshusens Berufung Christoph Leib
als möglicher Kandidat für das Amt im Gespräch gewe-
sen. Melanchthon riet Leib aber zur Annahme der ihm
angetragenen Superintendentur in Brandenburg, die eine
sehr viel ruhigere Amtsführung verspreche als die in Gos-
lar (MBW, R 7, Nr. 6719).
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