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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0354
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Goslar

halten, stets und ohne aufhören in der kirchen und
daheim in ihren häusern und zellen fleissig und emb-
sig beten und in der samlung einander mit gesprä-
chen und christlichen gesängen zu Gottes lob und
preis ermuntern und bitten für alle stände und men-
schen und insonderheit für die frommen christen,
derer handreichung sie täglich geniessen.
αWenn sie aber also leben, wie wir leider mit betrüb-
ten hertzen von ihrer viel erfaren haben, daß sie un-
tereinander in steten haß, neid, zorn, in fluchen,
schelten und hadern leben, wie können sie beten,
sintemahl Gott die sünder nicht höret, ein hader-
hafter mensch keine gabe auf den altar legen kann,
so Gott möchte gefallen, und summa: der zorn we-
der für Gott noch menschen gutes schaffet. Wird
nicht vom apostel Jacobo eine haderhaftige zunge
genant: ein feuer und weldt voller ungerechtigkeit,
ja, unter |28| unserm gliedmaßen daß, so den gantzen
leib bepfleckt und zündet all unser wesen an, als
würde es vom höllischen feuer angezündet? O, wehe
den zornigen hertzen und zänckischen zungen.
Demselbigen bösen wesen zu wehren, ordnen wir
hiemit, daß hinführo denenjenigen, so zu zanck und
hader ursache geben und denselbigen anfahen, der
hofmeister (wie ihm oben auferleget) mit ernst soll
einsagen. Wollen sie aber nicht gehorsamen, sondern
muthwillig in zorn und verbitterung wieder den an-
dern fortfahren, soll er den pfarrherrn und die für-
steher zu hülfe nehmen. Und nach erkundigung der
sachen soll dem schuldigen der korb aufgehangen
werden 1, 2 oder 3 wochen58. Fängt dieser nachmals
mit demselbigen oder mit einem andern zanck an,
soll er doppelt die vorige straffe leiden. Würde aber
jemand darüber gefunden, der gantz und gar keinen
frieden halten wolte und allen zanck und unfriede
ohne aufhören anrichtete, soll er auf diesen armen-

α Joh. 9 [31]; Matth. 5 [23-24]; Jacob. 1 [19-20]; 1 Joh. 3
[10-12.14-17] et 4 [20-21]; Jacob. 4 [richtig: 3] [6] .

58 Vgl. vorne S. 329.
59 Sondern.
60 Der Mehrheit.
61 Üble Nachrede tun, s. FWb 1, Sp. 695f.

hofe nicht gelitten, sondern wiederum davon gewie-
sen werden und, waß er darauf gegeben und ge-
bracht, |29| verlustig seyn.
Und damit dem hoffmeister, dem pastori oder auch
denen vormunden keine schuldt gegeben werde, als
thäten sie dem schuldigen unrecht, soll keine ohne
fleissige nachforschung und erkundigung der sachen
in straffe genommen werden, besonder59 die gantze
samlung darzu gefodert und alle befraget werden.
Alsdann giebt man denen meisten personen60 glau-
ben und folget darauf die straffe. Und so unter ihnen
etliche gefunden, so etwa aus gunst die warheit wol-
ten verschweigen, die sollen mit denen schuldigen
gestrafft werden.
Fluchen, schelten, schweren soll ihnen keinesweges
und von keiner person auf den hoffe gelitten werden.
So oft einer dessen wird überwiesen, sol ihm zwo
wochen der korb aufgehangen werden. Sollen auch
niemand verläumden, schmähen, lästern noch after-
reden61, er sey geistlich oder weltlich, hohes oder
niedriges standes, denn sie vor alle zu bitten schul-
dig sind. Da aber jemand unter ihnen gefunden, der
sich dieser sünde wieder das achte geboth Got-
tes62 gelüsten liesse, soll so ofte der das thut und so
hoch die beleidigte person ist in straffe genommen
werden und der pröben 1, 2 oder mehr wochen man-
geln, auch 4 mariengroschen63, zuvor und ehe er der-
selben wieder fähig, erlegen, welche |30| den armen
sämtlich ausgetheilet werden sollen. Schändliche,
ärgerliche worte und reden sollen aus keinem munde
gehen. So aber jemand sie führen wolte, soll von
hoffmeister und meisterinn mit ernst darum ge-
straffet werden.
Wenn sie aber zusammen kommen, sollen sie feine,
gottselige, christliche und freündliche worte und re-

62 2Mos 20,16; 5Mos 5,20.
63 Erstmals 1503/5 in Goslar, dann auch in anderen Orten
des Harzes geprägte Münze, deren Name von der ur-
sprünglich auf der Rückseite abgebildeten Muttergottes
herrührte (später auch mit anderen Darstellungen). Ma-
riengroschen waren zwischen dem 16. und 19. Jh. im nie-
dersächsisch-westfälischen Raum gebräuchlich.

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