Goslar
31. Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Goslar und
dem Kapitel des Stifts St. Simon und Judasa
17. Januar 1617
Zuwissen sei hiemit jedermenniglich: Demnach sich
zwüschen einem ehrnvesten rath der stadt Gosslar
und einem ehrwürdigen thumbcapitul des stieffts
SS. Simonis, Judae et Matthiae Apostolorum da-
selbsten eine zeithero irrungen und mißverstende
endtspunnen und biß dato erhalten, das solche
durch güetliche zusamensetzung endtlich mit bei-
derseiths gutem wißen und willen volgender gestaldt
verglichen und vertragen:
Erstlich, so viel den punctum iurisdictionis anbelan-
get, pleibet einem ehrnvesten rath die iurisdictio cri-
minalis in allen sich begebenden fellen frei und be-
vor: Also da ein delinquent ein stiefftsperßon,
nemblich ein canonicus oder vicarius, alß1 sol uff an-
zeig eines ehrnvesten raths der decanus oder residi-
render senior oder welcher solchen in der ordnung
folget, schuldig sein, einem ehrnvesten rath oder ih-
ren verordneten solchen delinqenten heraußer zuge-
ben. Da aber einer oder der ander sich deßen ver-
wiedern2 oder die liefferung auffziehen3 oder sonsten
ein oder andern einem ehrnvesten rath zuwieder
vorenthalten oder verstecken, oder auch da sich ein
oder ander delinquent, so kein stifftsperßon, in de-
ren höfe zur flucht begeben wurde, alß sol ein ehrn-
vester rath oder deßen verordnete auf solche und
derogleichen felle die delinquenten in beiweßen des
capituls camerarii oder, in deßen abwesen, welchen
von den geistlichen die deputirte dazu erfurdern
werden, in den höffen zu suchen, gefenglich anzu-
a Textvorlage A (Handschrift): StadtA Goslar Urk.
Nr. 815. Textvorlage B (Handschrift): StadtA Goslar
Domstiftakten 1610-1618, Nr. 1022. Abdruck: Lich-
tenstein, Abhandlung, S. 65-70.
1 Also (so im weiteren Text).
2 Sich weigern, s. Grimm, DWb 25, Sp. 2264.
3 Aufschieben, s. FWb 2, Sp. 812-814.
4 Besonders, s. FWb 1, Sp. 385.
5 Ein Delikt begeht.
nehmen und furtters der gebuer gegen sie zuverfah-
ren, ohne sperrung und einigen eintrag, befugt, be-
rechtiget und bemechtiget sein und bleiben.
Dabei dan dießes absonderlich4 eingewilliget und
verglichen, das zum fall ein stifftsperßon also grob-
lich delinquiren5 und sich versehen wurde, das sol-
che ubertrettung leibes- und lebensstraffe nach sich
trüge, alß sol gegen dieselben vermuge der geistli-
chen und weldtlichen rechte und zuforderst der
kaiß[erlichen] halßgerichtsordnung Caroli V. proce-
dirt, wen in der sachen hinc inde beschloßen die acta
auff eines ehrnvesten raths guthachten oder auch
des angeclagten begeren auff zwei unverdechtige ju-
ristenfaculteten und, da dieselben nicht uberein-
stimmen, auf die dritte umb rechtsbelehrung ver-
schicket und mitior sententia, zum fall beim recht
kein gnad zuerlangen, exequirt6, inmittelst aber und
bei wehrendem proceß der angeclagte in einer lie-
derlichen, doch verwarlichen custodi enthalten wer-
den soll, wie dan auch ein ehrnvester rath, da sich
zwuschen den stiefftsperßonen schlechte7 schlege-
reien, so ohne bluttrust8 beschehen, mit bestraffung
verschonen und solche dem thumbcapitul, mit clo-
sterlager9 oder sonsten einer mulcta10 zubestraffen,
eingewilliget und nachgelaßen haben wollen.
So viel zum andern die iurisdictionem civilem anlan-
get, ist verwilliget und abgeredet, das zum fall ein
stiefftsperson in personalibus oder realibus bespro-
chen11 wirdt, das alßdan dieselben in prima instan-
6 Vgl. den Rechtsatz: In dubio mitior sententia est prae-
ferenda.
7 Einfache, gewöhnliche, s. Grimm, DWb 15, Sp. 523.
8 Blutvergießen, s. FWb 4, Sp. 685f.
9 Hier ist wohl die Verpflichtung gemeint, an einem ver-
einbarten Orte Quartier zu nehmen, bis die Schuld bzw.
Strafe bezahlt ist. Vgl. DRW 2, Sp. 1413f. und DRW 7,
Sp.1107.
10 Geldstrafe.
11 Verklagt, beschuldigt, s. FWb 3, Sp. 1894f.
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31. Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Goslar und
dem Kapitel des Stifts St. Simon und Judasa
17. Januar 1617
Zuwissen sei hiemit jedermenniglich: Demnach sich
zwüschen einem ehrnvesten rath der stadt Gosslar
und einem ehrwürdigen thumbcapitul des stieffts
SS. Simonis, Judae et Matthiae Apostolorum da-
selbsten eine zeithero irrungen und mißverstende
endtspunnen und biß dato erhalten, das solche
durch güetliche zusamensetzung endtlich mit bei-
derseiths gutem wißen und willen volgender gestaldt
verglichen und vertragen:
Erstlich, so viel den punctum iurisdictionis anbelan-
get, pleibet einem ehrnvesten rath die iurisdictio cri-
minalis in allen sich begebenden fellen frei und be-
vor: Also da ein delinquent ein stiefftsperßon,
nemblich ein canonicus oder vicarius, alß1 sol uff an-
zeig eines ehrnvesten raths der decanus oder residi-
render senior oder welcher solchen in der ordnung
folget, schuldig sein, einem ehrnvesten rath oder ih-
ren verordneten solchen delinqenten heraußer zuge-
ben. Da aber einer oder der ander sich deßen ver-
wiedern2 oder die liefferung auffziehen3 oder sonsten
ein oder andern einem ehrnvesten rath zuwieder
vorenthalten oder verstecken, oder auch da sich ein
oder ander delinquent, so kein stifftsperßon, in de-
ren höfe zur flucht begeben wurde, alß sol ein ehrn-
vester rath oder deßen verordnete auf solche und
derogleichen felle die delinquenten in beiweßen des
capituls camerarii oder, in deßen abwesen, welchen
von den geistlichen die deputirte dazu erfurdern
werden, in den höffen zu suchen, gefenglich anzu-
a Textvorlage A (Handschrift): StadtA Goslar Urk.
Nr. 815. Textvorlage B (Handschrift): StadtA Goslar
Domstiftakten 1610-1618, Nr. 1022. Abdruck: Lich-
tenstein, Abhandlung, S. 65-70.
1 Also (so im weiteren Text).
2 Sich weigern, s. Grimm, DWb 25, Sp. 2264.
3 Aufschieben, s. FWb 2, Sp. 812-814.
4 Besonders, s. FWb 1, Sp. 385.
5 Ein Delikt begeht.
nehmen und furtters der gebuer gegen sie zuverfah-
ren, ohne sperrung und einigen eintrag, befugt, be-
rechtiget und bemechtiget sein und bleiben.
Dabei dan dießes absonderlich4 eingewilliget und
verglichen, das zum fall ein stifftsperßon also grob-
lich delinquiren5 und sich versehen wurde, das sol-
che ubertrettung leibes- und lebensstraffe nach sich
trüge, alß sol gegen dieselben vermuge der geistli-
chen und weldtlichen rechte und zuforderst der
kaiß[erlichen] halßgerichtsordnung Caroli V. proce-
dirt, wen in der sachen hinc inde beschloßen die acta
auff eines ehrnvesten raths guthachten oder auch
des angeclagten begeren auff zwei unverdechtige ju-
ristenfaculteten und, da dieselben nicht uberein-
stimmen, auf die dritte umb rechtsbelehrung ver-
schicket und mitior sententia, zum fall beim recht
kein gnad zuerlangen, exequirt6, inmittelst aber und
bei wehrendem proceß der angeclagte in einer lie-
derlichen, doch verwarlichen custodi enthalten wer-
den soll, wie dan auch ein ehrnvester rath, da sich
zwuschen den stiefftsperßonen schlechte7 schlege-
reien, so ohne bluttrust8 beschehen, mit bestraffung
verschonen und solche dem thumbcapitul, mit clo-
sterlager9 oder sonsten einer mulcta10 zubestraffen,
eingewilliget und nachgelaßen haben wollen.
So viel zum andern die iurisdictionem civilem anlan-
get, ist verwilliget und abgeredet, das zum fall ein
stiefftsperson in personalibus oder realibus bespro-
chen11 wirdt, das alßdan dieselben in prima instan-
6 Vgl. den Rechtsatz: In dubio mitior sententia est prae-
ferenda.
7 Einfache, gewöhnliche, s. Grimm, DWb 15, Sp. 523.
8 Blutvergießen, s. FWb 4, Sp. 685f.
9 Hier ist wohl die Verpflichtung gemeint, an einem ver-
einbarten Orte Quartier zu nehmen, bis die Schuld bzw.
Strafe bezahlt ist. Vgl. DRW 2, Sp. 1413f. und DRW 7,
Sp.1107.
10 Geldstrafe.
11 Verklagt, beschuldigt, s. FWb 3, Sp. 1894f.
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