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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0023
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Die Verwirklichung seiner territorialen und politischen Ziele weist Hessen in den westdeutschen
Raum, wo allein es eine Machtstellung innerhalb der Reichspolitik gewinnen kann. Hier aber stößt
Hessen mit der Macht Mainz zusammen. Beim Tode Heinrich Raspes IV., 1247, kommt Erzbischof
Siegfried von Mainz nach Fritzlar9,um die erledigten hessischen Lehen für das Erzstift zurückzugewinnen
und — zusammen mit den mainzischen Besitzungen auf dem Eichsfeld und in Thüringen - die ,,Funda-
mente eines geistlich-weltlichen Territoriums zu legen“10.
Erschwerend für die Politik der hessischen Landgrafen macht sich die weltliche und geistliche
Abhängigkeit Hessens vom Erzstift Mainz bemerkbar: Die hessischen Landgrafen sind Lehnsträger
des Erzbischofs und unterstehen - da sie kein eigenes Bistum in ihrem Lande haben - seiner geistlichen
Jurisdiktionsgewalt. Durch diese doppelte Abhängigheit von Mainz ist die hessische Politik der Folge-
zeit bestimmt.
Im Machtkampf mit dem Mainzer Erzstuhl beschreiten die hessischen Landgrafen zwei Wege, um
die Selbständigkeit und Unabhängigheit ihrer Herrschaft zu wahren, bzw. herzustellen:
Auf der einen Seite bietet sich der Weg der politischen Erbverbrüderungen, der Bündnisverträge,
der Schutz- und Lehnsherrschaften an11. Mit Sachsen wird schon 1373 eine ewige Erbverbrüderung
geschlossen, der sich Brandenburg 1457 (jedoch ohne kaiserliche Bestätigungsurkunde) anschließt. Der
Erbvertrag mit Ziegenhain (1437) bringt 1450 den Anfall der Grafschaften Ziegenhain und Nidda an
Hessen. 1447 geht Hessen Schutzverträge mit Nordhausen, Erfurt und Mühlhausen ein, 1512 verbündet
es sich mit Kur-Trier. Im 15. Jahrhundert erlangen die hessischen Landgrafen die erbliche Schirm-
vogtei über Hersfeld (1432), den Erbschutz über die Stifter Paderborn, Korvey und Höxter (1434), die
Vogtei über das Stift Neuenheerse (1437), die Schutzherrschaft über Fritzlar (1438)12, die Schirm-
vogtei über sämtliche in Hessen gelegenen mainzischen Besitzungen (1439) und schließlich 1450 die
Vogtei über Fulda13. Dieser Einflußbereich wird vergrößert durch die Lehnsherrschaften: Die Herren
von der Plesse tragen die freie Herrschaft Plesse auf und nehmen sie vom Landgrafen als erbliches
Mannlehen; ihnen folgen die Rabe von Kalenberg a. d. Diemel und die Herren von Uslar mit der Herr-
schaft Gleichen, der Graf Bernhard zur Lippe14 (1449) und die Grafen von Rietberg. Am Ende des
15. Jahrhunderts werden Waldeck und Wittgenstein dem Landgrafen als Lehen aufgetragen. In der
Folge der Kölner Stiftsfehde und durch die damit verbundene Erhebung Landgraf Hermanns, eines
Sohnes Landgraf Ludwigs I,15. 1480, auf den Kölner Erzbischofsstuhl, werden einige Ämter im süd-
lichsten Teil Westfalens an Hessen verpfändet. 1518 tragen schließlich die Grafen von Schaumburg ihr
Gebiet dem Landgrafen Philipp zu Lehen auf. So breitet sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts um das
hessisch-landgräfliche Territorium ein breiter Ring von Gebieten, die mit der Landgrafschaft in teils
loserem, teils festerem Kontakt stehen16.
Am Ende des zweiten Weges steht die Gewinnung der Freiheit von der geistlichen Jurisdiktions-
gewalt der Mainzer Erzbischöfe. Schon im 15. Jahrhundert war der Anfang gemacht, auf hessischem

9 P. Schulz 7.
10 Uhlhorn 46.
11 Vgl. Sohm, Territorium 9, Anm. 1 u. Löning.
12 PA II, 715.
13 Vgl. Uhlhorn, Politik 100.
14 Das Lehnsverhältnis wurde unter Philipp auf Lipperode, Brake und Varenholz erweitert, Uhlhorn, Politik 102.
15 Knetsch, Taf.V Nr. XVIII, 4 S. 58 und Uhlhorn, Politik 100 f.
16 Nachdem Katzenelnbogen durch Heirat 1479 an Hessen gefallen und Nassau und Cleve ebenfalls durch Heirat in
den hessischen Einflußbereich gezogen war, war die Landgrafschaft zu einer Machtgröße herangewachsen. Schon
1466 schließen die Wetterauer Grafen sich zu einem Block gegen Hessen zusammen und versuchen, ,,während der
ganzen Reformationszeit den Anschluß an die Gegner“ Hessens zu halten; Zimmermann, Territorialstaat 2. —

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