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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0029
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führung der Ordnung ab25. Auf Grund dieses Votums unterläßt Philipp Druck und Verkündigung der
Ordnung. So ist sie nie geltendes Kirchenrecht geworden.
Über die bereits vorhandenen Versuche einer theologiegeschichtlichen Einordnung der Reformatio
hinaus, sollen zu Kap. 5 und 6 noch einige Überlegungen angestellt werden:
Zu Kap. 5:
Vom Mittelalter her waren die beiden Formen des Meß- und des Predigtgottesdienstes (vor allem
im süddeutschen Raum) bekannt26. Für seinen Abendmahlsgottesdienst verweist Franz Lambert
auf Luthers Deutsche Messe27 und schließt sich damit dem Typus des Meßgottesdienstes an, der später
vornehmlich in Gebieten der lutherischen Reformation Nord- und Ostdeutschlands verbreitet war.
Anders verhält es sich jedoch mit den Sonntags- (ohne Abendmahlsfeier) und Wochentags-
gottesdiensten28. Hier zeigt eine Analyse der Reformatio einen weitgehenden Anschluß an das
Sonntagsoffizium des Breviarium29 - bis hin zu einer Zusammenziehung von Teilen der Matutin und
der Laudes einerseits und des Complet und der Vesper andererseits. Auch Luther kennt in der ,,Ordnung
Gottesdiensts in der Gemeine“ von 1523 einen Anschluß der Morgen- und Abendgottesdienste, selbst am
Sonntag, an das Brevier30, jedoch fehlt bei ihm — anders als in der Reformatio - eine Übereinstimmung
mit dem Brevier bis in die zu singenden Psalmen hinein.
So finden wir Franz Lambert (in Kap. 5) dort in der Nähe lutherischer Traditionen, wo er von
mittelalterlichem Gut beeinflußt ist.
Zu Kap. 6:
Im Kapitel von der Beichte läßt sich ähnliches zeigen. Zeitlich vor Franz Lambert spricht Luther
1521 von einer mehrfachen Form der Beichte31: Er kennt die confessio quae Deo fit (im Anschluß an
Ps. 32, 5)32, das genus ecclesiasticum33 und die confessio fraterna (im Anschluß an Jak. 5, 16)34.

25 Allgemein wird die Ordnung mit der Begründung abgetan, daß ja auch Luther sie nur als einen ,,Haufen Gesetze“
bezeichnet habe (so auch Sohm, Territorium 28). Dagegen Luther selbst: ,,. . . ich bin bisher und kann auch
noch nicht so kune sein, so ein haufen gesetze mit so mechtigen worten bei uns furzunemen . . . denn ich wol weiß,
habs auch wol erfaren, daß, wenn gesetze zu frue fur dem brauch und ubunge gestellet werden, selten wol geraten.
Die leute sind nicht darnach geschickt . . .“ (WA 4, 157f.). Luther lehnt die Einführung der Ordnung etwa mit
derselben Begründung ab, mit der er auch die Durchführung seiner ,,dritten weise“ evangelischen Gottesdienstes
ablehnt und zurückstellt: Die Leute sind noch nicht reif für eine solche Zuchtgemeinschaft,WA 19, 75.
26 H.Waldenmaier, Die Entstehung der evangelischen Gottesdienstordnungen Süddeutschlands im Zeitalter der
Reformation, SVRG Nr. 125. 126, 1916.
27 S. 45.
28 Auch Morgen- oder Abendgebet genannt. Sie sind neben Luthers ,,Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine“ 1523,
über weite Teile Deutschlands, der Schweiz, bis hin nach England verbreitet. So zeigt auch das Common Prayer-
Book eine weitgehende Ähnlichkeit mit dem Kapitel 5 der Reformatio, da beide sich an das Brevier anlehnen.
29 Vgl. S. 47.
30 Für Luther war die Parallelität von Morgen- und Abendgebet einerseits und den Horen andererseits noch deutlich:
,,. . . daß man teglich des morgens eine stunde frue umb vier odder funfe zusamen keme und daselbs lesen ließe,
es seien schuler oder priester, odder wer es sei, gleich wie man itzt noch die lektion in der Metten lieset . . . Des
sontags aber soll solch versamlung fur die ganzen gemeine geschehen, uber das tegliche versamlen des kleineren
haufen, und daselbs, wie bisher gewonet, Meß und Vesper singen . . .“WA 12, 35 f. Vgl. P. Graff, Geschichte der
Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands I2, 1937 S. 206 f.
31 Luther, Von der Beicht, ob die der Bapst macht habe zu gepieten, 1521; WA 8, 175 ff.; Ein kurzer begriff des
Sermons D. M. L. geprediget am Sonntag Reminiscere, von der heymlichen beicht; WA 10, III, 58 ff. — Vgl.
EKL I, 357.
32 WA 8, 175; WA 10, III, 58.
33 WA 8, 177; WA 10, III, 59 f.
34 WA 8, 182; WA 10, III, 61.

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