Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0045
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
nachweisbar, ferner Einwirkungen von Hyperius her32, andere Vorlagen können nur geahnt werden.
Aber das Ergebnis läßt sich doch so weit greifen, daß die Verfahrensweise der Ordnung ihren Quellen
gegenüber sichtbar wird. Sie schließt sich nicht einer Quelle — und damit einem Traditionsstrom an —
sondern läßt mehrere ,,Väter“ zu Wort kommen, diese aber wiederum so, daß sie ihnen gegenüber eklek-
tisch und scheidend verfährt.
b) Die Lehre von der Taufe33 steht zu Beginn des dritten und zunächst auch letzten Teils der
Ordnung. Inhaltlich enthält dieser Teil die Lehre von den Sakramenten und den sakramentlichen
Zeremonien. Im Hinblick auf die Verwendung der Kirchenväterzitate ist der praktisch-rechtliche Teil
des Taufabschnittes in seinen auf die Äutorität der alten Kirche gestützten Aussagen wichtig. Der
Beweisgrund für den Vollzug der mit der Taufe verbundenen Handlung liegt so weit bei den Väterzitaten,
daß die Herbeibringung neutestamentlicher Bibelstellen nur an einzelnen Punkten für nötig erachtet
wird34.
Gegenstand der Beweisführung sind hauptsächlich die von dem Täufling oder den Paten zu voll-
ziehenden praktischen Handlungen. Und hierbei liegt in der ersten Hälfte des Abschnittes die Betonung
so stark auf dem Miterleben und Mithandeln des Täuflings, daß inhaltlich die Erwachsenentaufe und
damit der Katechumenat35 zur Diskussion steht, dem dann erst in der zweiten Hälfte die Frage nach der
Berechtigung der Kindertaufe folgt. Diese starke Tendenz zu einer Abhandlung über die Erwachsenen-
taufe erhält die Ordnung durch die von ihr beigebrachten Väterstellen36.
a) Die Ordnung benutzt in der Untermauerung ihrer Taufpraxis die Schrift des Hyperius De
catechesi37 und schließt sich dieser in den ersten Zitatgruppen, die den Katechumenat zum Inhalt haben,
fast ausschließlich an38. Hinter Hyperius aber steht eine Tradition, die (im Hinblick auf die canones
Geschichte der dogmatischen Florilegien vom 5. bis 8. Jahrhundert, TU NF 13, 1 (der ganzen Reihe 28. Bd.),
1904; M. Faulhaber, Katenen und Katenenforschung, Byzant. Ztschr. 18, 1909; M. Faulhaber, Die Pro-
pheten-Catenen nach Römischen Handschriften, Bibl. Studien 4, 1899.
31 Die meisten Väterstellen im Abschnitt über die Schrift sind in der folgenden Art angezogen: Zu jeder einzelnen
Frage werden wenig Belegstellen aus der Väterliteratur beigebracht, diese aber ausführlich zitiert. Sie können in
diesem Abschnitt - bis auf das Zitat Augustinus ep. 19 ad Hieronymum, S. 216 — auf das Decretum zurückgeführt
werden (die Einzelnachweise zu den Zitaten vgl. S. 214), zum Teil jedoch unter Benutzung des Urtextes, vgl. S. 216.
32 Vgl. etwa zu dem Zitat Origenes in Jeremiam homilia prima, S. 219.
33 Vgl. S. 266ff.
34 In dieser ersten ,,form zu teufen“, in der die Dichtigkeit der Väterzitate außergewöhnlich groß ist, fehlt eine aus-
führliche Tauflehre, die aus der Schrift entwickelt wird; sie wird jedoch ständig vorausgesetzt. Der ganze erste Teil
des Taufabschnittes der KO, der auf die Erwachsenentaufe abzielt, weist als Schriftzitat lediglich Act 2, 37—41
(S. 266) auf und das nur zur Begründung dafür, daß schon die Apostel vor der Taufe die Leute unterrichtet hätten,
besonders in der Lehre von der Buße und dem Glauben. Im Abschnitt von der Kindertaufe häufen sich die Schrift-
stellen stärker, vgl. S. 269f.
35 Daß auch die Zeitgenossen die Ordnung so aufgefaßt haben, zeigt die österreichische Kirchen-Agenda von 1571,
die diesen ersten Abschnitt unter der Überschrift ,,Ein kurzer christlicher unterricht, alte personen zu taufen“
(Bl. 13 v—14 v) übernimmt.
36 Unter ihnen nehmen jetzt die Konzilsbeschlüsse und Papstdekrete einen breiteren Raum ein. Gegenüber der Schrift-
lehre fällt auf, daß die Väter sehr selten wörtlich zitiert, sondern stark in Gruppen zusammengefaßt werden. Jeweils
eine Gruppe dient der Erhärtung einer Frage. Dabei sind die meisten Zitate mit der Angabe des Fundortes versehen;
jedoch lassen einige Stellen diese Angaben vermissen. Und gerade bei diesen zunächst so wenig profiliert erschei-
nenden Stücken ist die Fülle der Tradition innerhalb der reformatorischen Theologie das Erstaunliche und läßt
auf eine Kenntnis und Verbreitung der in den Zitaten gegebenen Tradition schließen, die nicht dahinter vermutet
wird.
37 Die Schrift des Hyperius ,,De catechesi“ ist aufgenommen in die Varia opuscula I, Basel 1570.Vgl. J. Fr. Bach-
mann, Die Geschichte der Einführung der Confirmation I, 27. Eine Abhängigkeit der Ordnung von dieser Schrift
ist schon früher häufig behauptet worden, jedoch nicht zwingend nachgewiesen, vgl. S. 266ff. — Die kleine Schrift
ist reichlich mit Kirchenväterzitaten und Konzilsbeschlüssen versehen und gibt diese Zitate auch im Wortlaut an.
38 Vgl. die Zitate S. 267ff. (zu achten ist dabei auf die Formeln, mit denen die Zitate in beiden Schriften eingeführt
werden, und auf die jeweilige Zählung der canones: Es ergibt sich recht eindeutig eine auf Entlehnung beruhende
Zitatreihe!).

29
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften