Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0153
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kasseler Katechismus 1539

alles, das zu uffenthalt dieses lebens dienet. U:
Worümb sagstu teglich und heut ? K: Daß ich mich er-
innere, nicht uff den morgen zu sorgen, sonder teglich
bette und arbeite nach meiner beruffung und zweifele
nicht, Gott werde mir heut und alle tag geben, was ich
bedarf. U: Den glauben bestetige dir der Herre, denn
du in keinen anderen weg wirst genüg bekomen und in
der welt nütz sein. Wie heißet es weiter ?
K: Und vergib uns unser schuld wie wir unsern
schuldigern vergeben. [Bild: Schalksknecht, Mt 18,
23ff.; vgl. WA 30, I, 206. 375] U: Warumb betestu da ?
K: Daß uns unser himlischer Vater die sunde verzeihe,
in die wir leider teglich fallen. U: Warumb setzestu
hinzu, als wir vergeben unsern schuldigern ? K: Daß
ich mich Gott genzlich ergebe zu gedult, wes er mir
von wegen meiner sunden zuschicket, und zufrieden
sei mit allen denen, durch die er mich straffet. U: Wol,
denn betestu recht um verzeihung der sunden, mußtu
deine sund auch recht bekennen und reuen. Wirstu
denn deine sund recht erkennen und reuen und der
genaden bei deinem himlischen vater von herzen be-
geren, so wirstu auch anders nichts können, denn von
ganzem herzen verzeihen allen, die dir je leids gedach-
ten zu tun, das ist, durch die dich dein himlischer
Vater zücbtiget, und wirst dich desselbigen auch vor
deinem himlischen Vater frei bezeugen und erbieten.
Denn die gar ein geringes sein wird, deinem nehisten
die hundert pfenning nachzulassen, weil du deinem
himlischen Vater bettest, dir die zehentauset pfund
nachzulassen. Wie bettestu weiter ?
K: Nicht füre uns in versuchung. [Bild: Christi Ver-
suchung, Mt 4, 1-11; vgl. WA 30, I, 376] U: Wie füret
denn Gott die menschen in versuchung ? K: Ja, so er
uns durch zeitlich glück und unglück auch geistliche
anfechtung vom rechten glauben und der waren frö-
migkeit abfüret. U: Ja, darumb bete getreulich, daß
dich der Herre bei rechtem glauben behalte und ge-
leite dich durch alles glück und unglück zu seinem ge-
fallen. Was folget ?
K: Sonder erlöse uns vom bösen. [Bild: Das kana-
anäische Weib, Mt 15, 21-28; vgl. WA 30, I, 210. 377]
U: Von was bösen ? K: Dem alten bösen feind und
allem seinem fürbaben gegen uns in zeitlichem und
geistlichen. U: Ja, dasselbig ist auch allein arg und bös,
davon wir begeren mögen, erlöset und verwaret zu
werden. Darumb wenn dich der Herre schon krank,
arm oder sonst elend machet und in ungemach stößet,
bitte nur, Vater, nicht füre mich in versuchung, sonder
erlöse mich vom bösen feinde, daß ich von deiner güte
nicht abweiche, so wird dir nichts schaden und alles zu
gutem dienen, und wirt dich der Herre auch endlich
von allem, das dich bekümmert, veterlich erlösen.
Worümb henkestu dran, denn dein ist das reich und
die kraft und die herrligkeit in ewigkeit? K: Wenn
wir recht andechtig betten, werden wir getröstet, daß

er uns erhören will, und das erwecket uns, den Herren
zu preisen und gros zu machen als dem allein alle herr-
schung, macht und glori zustehet. U: Wie beschleu-
ßest du das gepet? K: Mit dem wort, Amen. U: Was
heißet Amen ? K: Das soll also war und gewiß sein. U:
Das gebe dir Gott zu gleuben, denn so du umb deinen
himlischen Vater dies alles betten wirst mit rechtem
kindlichem vertrauen zu ihm, so wirt es ja alles Ja und
Amen sein, wie du es begerest. Der Herre gebe dir nur
emsig und on underlas und aus herzlichem vertrauen
umb dies alles zu betten.
Für die gar jungen.
Underrichter: Kanstu betten, liebes kind? K: Ja,
herr. U: Was ist betten ? K: Gott von berzen anruffen
umb genad und hülfe. U: Wol, wie kanstu aber betten ?
K: Wie uns unser Herre Jesus geleret bat. U: So bette
her. K: Unser Vater in dem himel etc. U: Worümb
sprichstu zu Gott, unser Vater im himel ? K: Daß ich
mich seiner veterlichen und himlischen hülfe deste
mehr getröste. U: Was bettest du von Gott? K: Daß
er uns alles guts verleihe und erlöse und behüte uns
vor allem argen. U: Was guts begerestu zum ersten?
K: Das geistlich. U: Was ist dasselbige ? K: Die gott-
seligkeit. U: Worin stehet die ? K: Daß wir Gott un-
seren himlischen Vater recht erkennen und lieben. U:
Mit was worten begerestu dies ? K: Dein nam werde
geheiliget, dein reich kome, dein will geschehe auf er-
den wie im bimel. U: Wie wirt Gottes nam bei uns ge-
heiliget? K: So wir Gott aus dem heiligen evangelio
recht erkennen und in warem glauben anruffen. U: Ja,
und das ist die erste frucht des heiligen evangeli. Wie
kümpt aber Gottes reich zu uns ? K: So wir uns in den
gehorsam des heiligen evangelii begeben und er uns in
seiner heiligen gemein regiert durch sein wort und
Geist. U: Recht, denn die kirch Christi ist Gottes reich,
das reich der himel, in deren du allein selig werden
must. Wenn geschicht aber sein will uff erden wie im
himel? K: Wenn wir mit allem lust tun und leiden,
was er uns heißet und uffleget. U: Doran hastu dein
leben lang zu lernen und sollest hiezu in der kirchen
Christi imer angefuret werden. Worümb bettestu mehr?
K: Umb die leibliche notdurft. U: Mit was worten ?
K: Gib uns heut unser teglich brot. U: Worümb bege-
restu eben das brot und das teglich und heut ? K: Daß
ich allein die leibs notdurft und keinen uberflus be-
geren soll und soll mein notdurft allein von den gnaden
Gottes allweg erbetten. U: Wol, denn allein von seiner
güte empfahen wir alles, was auch wir oder andere
darzu schaffen oder tun. Was bettestu weiter ? K: Daß
mir Gott meine sunde verzeihe. U: Wie sagstu ? K:
Und vergib uns unser schuld, wie wir unsern schüldi-
gern vergeben. U: Worümb setzestu hinzu, wie wir
vergeben ? K: Da müssen wir von herzen allen men-
schen verzeihen, wenn wir genad von Gott begeren.

137
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften