Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0169
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenzuchtordnung 1543

abent die gest nit wider laden. Würde man aber
das kind nach mittag taufen und den abent ein mal-
zeit halten, so soll man des morgens kein nachkind-
bett halten. Und man soll uber keiner malzeit len-
ger dann zwo stund sitzen. Ubertrette es aber einer
und hielt mehr leut, oder säße lenger mit seinen
gevattern und gesten, dann diese unsere ordnung
vermag oder verstatte, und sehe zu, daß man sich
vollsöffe, der soll uns drei gülden zu buß unnach-
leßlich bezalen.
Und nachdem wir befinden, daß ein neue schwel-
gerei und fresserei ufkommen ist, nemlich daß die-
jenigen, so die kinder gehaben, etwan in vierzehen
tagen oder dreien wochen nach der kindtauf pflegen
in ihren heusern zu kochen, das essen mit ihnen zu
nemen und die gevattern zu überlaufen, welchs man
ein uberlaufen oder den sack18 nennet etc., so wöl-
len wir dasselbig uberlaufen oder sack ganz keins
wegs gehabt haben, sonder wöllen, so oft einer
solches ubertrette, daß derselbig derowegen umb
drei gülden gestrafft werden soll.
[8] Der cristallen19 und weissager halben.
Ist unser ernster befelch, daß man derselben per-
sonen ganz und gar kein in unsern landen leiden,
sondern, wo die mögen antroffen werden, daß man
dieselben am leib und gut one alle barmherzigkeit
straffen soll.
Und hieruf wöllen wir allen und jeden unsern
statthaltern, oberamptleuten, landvögten, ampt-
leuten, rentmeistern, kelnern, schultheißen, vög-
ten, landknechten, burgermeistern und räten der
stette und flecken, greben und vorstehern der dör-
fer erstlich sie ihres gewissens, das ein jeglicher
gegen Gott haben soll, erinnert und ermanet haben
und volgents ihnen darzu auf ihre eide und pflicht,
damit sie uns verwant sein, gebotten haben, daß
sie diese unsere ordnung vestiglich handhaben, hal-
ten und dero nachkommen, so lieb ihnen Gott,
christliche zucht und erbarkeit, auch ihre eide und

18 Von sagina = fresserei, abgeleitet ?
19 Die Kristallomantie, d. h. mit Hilfe von Kristallen
oder anderen spiegelnden Flächen die Zukunft vor-
auszusagen, entwickelte sich vor allem im ausgehen-
den Mittelalter, gelegentlich wird sie auch schon in

pflicht und unserer gnade und vermeidung unserer
ungnade und harte straff sei, welche ungnade und
straff ihnen auch von uns, da sie hierin fahrlessig
würden, gewißlich widerfaren soll. Und sonder-
lichen sollen unsere statthalter, landvögt und ober-
amptleute auf die underamptleute und gemeine un-
sers lands bevelchhabern sehen, daß dieser unser
ordnung festiglich gelebt werde. Und wo sie eini-
chen unser amptman, rentmeister, kelner, vogt,
schultheißen, burgermeister oder ratsmann oder
andere unsere beampten befünden, der für sich
erstlich selbst diese ordenung nicht vestiglich hielte
und auch die bei andern in seiner amptsverwaltung
nicht handhabte etc., den sollen sie derowegen ernst-
lichen straffen nach inhalt des artickels, der, wie
nachgemelt, von unsern amptleuten und stette-
bevelchhabern gesetzt ist.
Würden aber unsere obersten amptsbevelch-
haber, als statthalter, landvögt und oberamptleute
darin laß sein und darin die personen ansehen und
nicht dem nachgehn, wie wir verordent haben, so
wöllen wir sie darumb ungnädiglich ansehen, auch
es ihnen, so wirs in erfarung kommen, untersagen
und, wann sie sich nit bessern, sie ihrer ämpter,
digniteten und bevelchs entsetzen.
Die gemeinen oder andere amptleute vom adel
wöllen wir gleich wie oben erinnert und ermanet
haben, daß sie fleißig uf ihre undersetzte beampten
und amptsverwandten sehen, daß diese unsere ord-
nung gehandhabt werde. Würden sie es aber selbst
nit halten oder nit vestiglick darüber gegen andere
halten, so wöllen wir sie ungnediglich darumb be-
sprechen und ansehen. Wo sie aber darüber nach-
mals solcher unser ordenung nicht nachgehen wür-
den, so wöllen wir sie ungnediglich ihrer ämpter
entsetzen. Und insonderheit wöllen wir, daß die
gemeinen unsere beampten als rentmeister, keller,
vögt, schultheißen, rentschreiber oder burgermei-
ster, landknecht und dann die greben und bauer-
meister in dörfern, welche diese obgemelte dinge
selbst ubertretten, sollen diese buß doppel geben.
kirchlichen Verboten des Mittelalters genannt. Im
16. und 17. Jahrhundert war sie besonders stark ver-
breitet, vornehmlich auch in Hessen (vgl. H. Bäch-
told-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen
Aberglaubens 5, 1932/33, S. 578ff.).

153
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften