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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0174
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Stipendiatenordnung 1546

logiae heißen, damit die jugent mit solchen und
dergleichen praemiis und ehren zu hohern und wei-
tern studiis gereizet werden.
[7] Diese stipendiaten alle, sie seien pedagogici,
academici tardiores oder acutiores ingeniis, sollen
alle in dem kogelhaus22, das wir sonderlich darzu
mit stuben, kamern und aller notturft bauen lassen
haben, wonen, daselbst mit dem prefecto disputiren,
declamiren und predigen.
[8] Es soll auch in unser universitet die versehung
gescheen, damit die lectiones theologicae und dan
in linguis und artibus, so den stipendiaten zu horen
vonnöten, dermaßen in die stunden geteilt werden,
daß eine lection der andern, sonderlich lectionibus
theologiae kein verhinderung geschee und die stu-
diosi theologiae also beides auswarten und horen
mogen.
[9] So sollen auch alle disputationes23 und ubun-
gen also underscheiden und geteilt werden, daß sie
den obgemelten dreierlei ingeniis bequem und nutz
sein. Dan die, so erstlich aus dem pedagog kom-
men, sollen ordentlich nacheinander, morgens so sie
aufstehen, abents, wan sie schlafen gehen, und uber
tisch ein capitel aus der bibel lesen, damit sie tex-
tuales werden, und darnach in den disputationibus
vleißig zuhoren. Die andern aber, so ingeniosiores
und itzo baccalaureandi sein, sollen ordentlich dis-
putiren und declamiren, welche exercitia der de-
canus theologiae regiren soll, wie in andern facul-
tatibus, und soll dem decano von solcher disputa-
tion des jars vier gulden, dem respondenten zwen
albos und dem arguenten ein halber albos aus den
bonis academiae gegeben werden. Und soll in dem
disputiren darauf gesehen werden, daß man nicht
unrechte materien, daraus zerrottung der warheit

22 Vgl. Anm. 11.
23 Aus der akademischen Lehrtätigkeit des Mittelalters
werden im protestantischen Bereich die Disputatio-
nen beibehalten, ja, sie werden sogar dort, wo sie
unter der Einwirkung des Humanismus eingegangen
waren, wieder hergestellt. Die Thesen zu den Dis-
putationen wurden aus allen philosophischen Diszi-
plinen genommen. Neben dem Magister, der zu prä-
sidieren hat, werden je ein Respondent (Baccalau-
reanden oder Magistranden) und ein Argumentant
bestellt und auch bezahlt. Zum ganzen vgl. Paul-
sen I, 271ff.
24 Nach der Neugestaltung der Universität Wittenberg

und spaltung folgen mocht, furnehme, sonder daß
sie von rechten nutzlichen materien und mit ge-
wonlichen rechten worten reden und disputiren,
und soll sie im solviren der president oder decanus
vernunftiglich leren und dirigiren, damit sie grund-
lich von den materien, darvon sie disputiren, ant-
worten konnen.
Aber die baccalaurii sollen nicht alleine dispu-
tiren und declamiren, sondern auch predigen und
sacrament reichen in der stat oder nehest gelegenen
dorfern, doch in gegenwertigkeit des prefecti oder
decani theologiae, auf daß sie kein rotten oder
secten anrichten.
[10] Und soll der erste gradus baccalaureatus
allen gemein sein und ein jeder, so er complirt und
die lectiones, welche darzu verordenet seind, gehort
hat, zeugnis seines studii begeren.
[11] Aber die zeit in excellentioribus ingeniis soll
drei oder vier jar sein, nemblich daß der stipendiat
zwei jar artes inferiores sub praeceptore und dabei
eine oder zwo lectiones in theologia, die andern
zwei jar alle theologos hore, disputire und decla-
mire zu teutsch und latein.
Aber die tardiores sollen funf oder mehr jar
haben, damit sie nicht verkörtzt und im anfang ver-
warlost werden.
[12] So dan die stipendiaten, welche zur schule
oder ad artes, wie obgemelt, vor anderm geschickt
befunden werden, titulum magisterii nemen wollen,
soll der decanus theologiae in examine sein, oder
dasselbig examen publice gescheen wie zu Witten-
berg24 und die freiheit oder licentia, so solch magi-
strandis bis daher gegeben, so viel moglich und sich
nach ermessung der prefecti tun lassen will, ab-
gestrickt und entzogen werden, nemblich daß der
in den dreißiger Jahren enthalten die Statuten aus
dem Jahr 1533 (C. E. Foerstemann, Liber Deca-
norum Facultatis Theologicae Academiae Viteber-
gensis, 1838, S. 152 ff.) auch die Bestimmungen über
die Examina. Auf die Beziehungen zwischen Witten-
berg und Marburg weist Hermelink 74 Anm. 68
hin: Melanchthon war im Jahre 1536 mit dem da-
maligen Rektor der Wittenberger Universität, Mil-
chius, in Marbmg gewesen; aus dem Jahre 1544
stammt der Eintrag des Rektors Drach in die An-
nalen der Marburger Universität, wonach man sich
für Marburg ein Exemplar der Theologischen Sta-
tuten von Wittenberg verschaffte.

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