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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0185
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Stipendiatenordnung 1560

Welche sie nun dieser gschickligkeit befinden, die
söllen sie mit nottürftigen briefen und zeugnussen,
von was eltern, alter, sitten und geschickligkeit sie
seien, versehen und sie zugleich mit überschickung
solcher zeugnusbrieve dem rectori14, decano15, auch
den verordenten examinatoribus und ephoro16, die
in unserer universitet jederzeit sein werden, prae-
sentiren.
Darauf söllen alsbald rector, decanus sampt den
verordenten examinatorn und ephoro zusammen-
kommen, die praesentirte knaben, der seien einer
oder mehr, vor sich fordern, sie nottürftiglich in
rudimentis grammatices examiniren, auch ihnen
teutsche argumenta vorgeben, und sie allein on hilf
dieselben teutsche argumenta ins latein transferie-
ren lassen. Da sie dann nach beschehener nottürf-
tiger examination die praesentirte knaben einer
solchen geschicklicheit befinden werden, daß sie
ihre fundamenta grammatices zimblichen gefaßt
und ihrer geschicklicheit nach zum wenigsten in
primam classem paedagogii17 gesetzt und auf-
genommen werden mögen, sie alsdann vor stipen-
diaten zulassen, in den catalogum stipendiatorum18
verzeichnen, auch obgemelten verordenten ein-
nemern der stipendien befelch tun, sie järlichen mit
zwenzig gülden zu versehen.
Im fall aber rector, decanus, examinatores und
ephorus nach genugsamer examination die prae-
sentirte knaben einer solchen geschicklicheit, wie
jetzo gemeldet, nicht befinden würden, so söllen sie
solche knaben reiicirn und sie denen, so sie prae-

14 Derzeitiger Rektor: Johannes Oldendorp, vgl. unten
Anm. 44.
15 Dieser Zeit wahrscheinlich Andreas Gerhard Hype-
rius, vgl. S. 25 Anm. 7.
16 Vgl. Anm. 12.
17 Zur Einteilung des Pädagogiums in verschiedene
Klassen vgl. S. 156 Anm. 16.
18 Vgl. Anm. 8.
19 Die Particularschulen des 16. Jahrhunderts schlos-
sen sich in ihrem Lehrplan weitgehend dem Mittel-
alter an. So unterrichteten auch sie (nicht nur die
Stifts- und Klosterschulen) vornämlich das Latei-
nische, vgl. Wolff 78ff.; 126ff. 132. Zum Unter-
richtsstoff vgl. Wolff a. a. O.;W, Diehl, Die Schul-
ordnungen des Großherzogtums Hessen II, Monu-
menta Germaniae Paedagogica 28, 1903, S. 9f. (Ent-
wurf der Marburger Schulordnung).
20 Während in den Städten vom Mittelalter her Stadt-

sentirt hetten, widerumb zuschicken mit vermel-
dung der ursachen, warumb sie noch zur zeit in
unser universitet vor stipendiaten nicht aufgenom-
men oder zugelassen werden könten. Und soll in
dem allen, es werden die praesentirte knaben zu-
gelassen oder reiicirt, durch rectorem, decanum,
die examinatores und den ephorum kein partei-
licheit überal gebraucht, sondern aufrichtig, on
alles ansehens der personen, stett oder flecken, da-
her die praesentation bschehen ist, gehandlet wer-
den, wie wir solchs berürtem rectori, decano, exa-
minatoribus und ephoro vertrauwet, auch hiermit
auf ihre eid und pflicht eingebunden haben wöllen.
Weil dann das fundamentum in grammatica,
welches der schlüssel ist zu allen freien künsten, von
den jungen knaben erstlich in den particularschulen
wolgelegt werden muß19, so sollen sich pfarherr,
burgermeister und seniores einer jeden statt und
flecken dessen sonderlich befleißigen, daß sie ihre
schulen in gute ordenung und wesen bringen und
darin underhalten, auch sie mit fleißigen und ge-
schickten schulmeisteren versehen, welche die ju-
gent getreulich beid, in guten sitten und lehr, der-
maßen instituiren, daß sie in den examinibus, wann
sie praesentirt werden söllen, bestehen und nicht
leichtlich zu reiiciren sein mögen.
Trüge sichs nun zu an einem oder mehr orten
unserer fürstentumb und zugehörigen graf- und
herrschaften, da gute particularschulen sein20, daß
daselbst die meng guter ingenien und knaben ob-
gemelter geschicklicheit und also mehr tüchtige
schulen bestanden, ging die Reformati onszeit vor
allem daran, auch auf Dörfern Particularschulen zu
errichten (vgl. die Generalsynode von 1568, bei
Heppe, Generalsynoden II, 52f.). Die Schwierig-
keit bestand dabei in der Versorgung der Schulen
und Unterhaltung der Lehrer. So konnten Schulen
vornämlich nur dort errichtet werden, wo Altarstif-
tungen vorhanden waren, die dafür eingesetzt wer-
den konnten, vgl. auch Wolff 109f. 120f. — Gute
Particularschulen der Reformationszeit sind inner-
halb Hessens vor allem in Wetter (bei der Aufhebung
des Stifts schon 1528 eingerichtet, Wolff 117. 371 ff.;
später unterrichtete hier der aus Wetter stammende
Justus Vultejus, unter ihm erlehte die Schule ihre
Blütezeit, vgl. Strieder 16, 349), in Marburg
(Wolff 123ff. 251ff.), Kassel (Wolff 271 ff.), Esch-
wege (Wolff 297ff.), Homberg (Wolff 341ff.) und
Schmalkalden (Wolff 307ff.) gewesen.

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