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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0263
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Kirchenordnung 1566

chen er schreibt, und begeret auch widerumb ihrer
vorbitt (Rom. 1,9; Coloss. l,3ff.; 1. Thess. 1, 2f;
2. Thess. 2, 1 f; 1. Timot. 2, 1 ff; Ephes. 6, 18-20).
Es haben auch alle gottseligen, so weit voneinander
gesessen oder gezogen seind, in dem valete begeret,
daß ja einer dem andern mit seinem gebet bei Gott
wölle behülflich sein.
Zum sechsten folget die beicht oder bekantnus
der sünden mit der absolution35. Darnach ist an
etlichen ortern der gebrauch, daß man nach der
predige uf der kanzel etwas verkündiget und der
ganzen gemein zu wissen tut. Aber in unsern und
andern kirchen werden diese ding dem volk vor-
nemlich angezeiget:
Erstlich, wenn etwan ein fest Christi oder sonst
ein feiertag in derselbigen wochen kompt, oder
wenn ein bettag oder christliche versamlung von
wegen gegenwertiger not der kirchen oder des lands
gehalten werden soll, alsdann wird von der kanzel
angezeigt, daß sie uf bestimpte tage zur predigt,
zum gebet und danksagung sich fleißig schicken.
Item, so in consessu seniorum36 einer umb offent-
licher begangner missetat und ergernis willen in
bann getan und solchs der ganzen gemein zu offen-
baren beschlossen ist. Darzu werden auch ufgeruf-
fen mit namen die personen, so sich in den ehestand
begeben wöllen und solchs darumb, so jemand dar-
in zu reden hat, daß solchs beizeit geschehe und
hernach still schweige37.
Item, so etwan ein man sein weib, oder ein weib
ihren man ein zeitlang verlassen und von ihm ge-
wichen und die not erfordert, daß solche person
offentlich citirt werde, damit sie uf bestimpte zeit
erscheine und ihrer desertion und abtrettens ursach
anzeige.
Desgleichen geschicht auch, so von kranken und
angefochtenen menschen ein gemein gebet von der
ganzen versamlung erfordert wird.
Es soll auch zuletzt nach der predigt nimmer
underlassen werden die vermanung zur almusen
für die armen und nottürftigen, welchs allwege mit
etlichen zeugnissen der h. schrift geschehen soll,
wie wir dann sehen, daß die lieben apostel mit
35 Vgl. S. 237f. 36 Vgl. S. 212 Anm. 54. 37 Vgl. S. 323.
38 Vgl. auch F. Schmidt-Clausing 113 (Zürcher
KO 1535).

allem fleiß der armen notturft sich angenommen
haben (1. Cor. 16, 1-3; 2. Cor. 8; 9; Galat. 6, 6)38.
Es sollen aber alle predige dahin gerichtet wer-
den, daß aus Gottes wort alles wol, bedechtig, ver-
nünftig und verstendlich vorgetragen würde, was
zu nutz und besserung dienet, damit nicht ursach
gegeben werde zu allerlei unrichtigkeit und gezenk.
So vil haben wir diesmal wöllen anzeigen von aus-
legung der schrift oder predigt.
Das siebende stück des kirchenampts, das ist der
dinge, so man in der christlichen gemein pflegt zu
verrichten, ist die ausspendung der h. sacrament
vornemlich das nachtmal des Herrn. Vorzeiten,
wenn man des Herrn abendmal halten wolt, hieß
man die catechumenos, das ist diejenigen, so noch
im catechismo unterrichtet werden und die taufe
nit empfangen hatten, abtretten und aus der kir-
chen weichen, wie wir bei vielen alten scribenten
lesen39. Wie aber das nachtmal zu halten sei, wird
hernach an seinem ort gnugsam gesagt werden40.
Das achte stück stehet in der danksagung, dann
es ist billich und auch notwendig, daß man in der
ganzen versamlung der gleubigen Gott dem Herrn
danksage für seine unaussprechliche woltaten, so
er zu allen zeiten uns erzeiget. Derhalben auch der
apostel Paulus der danksagung Gottes, so durch
den kirchendiener in der gemein Gottes geschehen
soll und die kirche Amen antworten, austrucklich
gedenket [1. K 14, 16]. So lesen wir auch Mat. 26
[30]; Mar. 14 [26], daß Christus und die aposteln
nach dem brauch des abendmals den lobgesang ge-
sprochen haben, welchem exempel Christi die erste
und elteste kirche nachgevolget und also gehalten
hat; dann, so sagt Justinus41, welcher der vor-
nembste in der kirchen ist, der betet und saget
dank nach seinem vermögen, das volk aber spricht
Amen, und ein jeder wird teilhaftig des, so durch
die danksagung gesegnet ist; wiewol ohne das bil-
lich, nachdem wir alle der gnaden und vilfaltigen
gaben Gottes teglich genießen, daß wir auch der-
halben allesampt Gott dem Herrn in offentlicher
christlicher versamlung dafür lob und dank sagen.
So lesen wir auch in den episteln Pauli, daß wir
39 Vgl. S. 267 Anm. 18ff. 40 Vgl. S. 305ff.
41 Justinus Martyr, Apol. 1, 67, 5; MPG 6, 429; Flor.
patr. 2, 111.

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