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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0265
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Kirchenordnung 1566

man nach alter gewonheit in der kirchen zu pre-
digen pflegt.
Zum sechsten singt die ganze kirch den christ-
lichen glauben, darauf volget die predig50.
Zum siebenden nach der predig volget das ge-
bet, die bekantnus der sünden und absolution, item
was vorleuft uf der kanzel, der kirchen zu verkün-
digen, die vermanung zu almusen und die dank-
sagung51.
Zum achten der brauch des nachtmals des Her-
ren52.
Zum neunden der segen53.
Von der versamlung nach mittag
Daß auch zu gewissen stunden, nit allein fur mit-
tage, sondern auch nach mittag, christliche ver-
samlung gehalten worden seien zu zeiten der apo-
steln, kann gnugsam aus dem neuen testament be-
zeugt werden: Acto. 5 [21] gingen sie früe in den
tempel zu lehren, widerumb aber Acto. 3 [1] seind
Petrus und Johannes miteinander hinauf in tempel
gangen umb die neunde stund, da man pflegt zu
beten, welche stund, nach unsern auern gerechnet,
kompt uberein mit der dritten stund nach mittag.
Dann offenbar, daß die jüden einen iglichen tag,
beide im sommer und winter, der tag were kurz
oder lang, in zwölf stund geteilt haben, also des
morgents, wenn der tag angebrochen, die erste, zu
mittag die sechste, am abend aber mit der sonnen
undergang die zwölfte gezelet worden ist. Denn sie
haben sich gebraucht der stund, welche die mathe-
matici inaequales, das ist ungleiche stunde, genent
haben. Daß aber bei den heiden die gottseligen an
gewissen ortern, tagen und stunden sich zusamen
getan, haben wir gewisse anzeigung Acto. 16 [13].
Daher auch bei uns in den stedten nach mittag
die christliche gemein zweimal widerumb an et-
lichen ortern zusamenkompt, an etlichen aber nur
einmal, nachdem die kirche mehr oder weniger
49 Benedicta sit semper sancta Trinitas: vgl. Agende
1574, Gesangbuchanhang Anm. 8. 9. 10. - Grates
nunc omnes: Agende 1574, Anhang Anm. 25. 26.
50 Vgl. Agende 1574, Anhang Anm. 15. 16. 17. 18.
51 Zur Frage der Predigtannexe vgl. S. 239 Anm. 8.
52 Vgl. S. 317 ff.

volks hat, auch der diener, so die arbeit zu ver-
richten haben, mehr oder weniger verhanden seind.
An welchem ort nun man zweimal nach mittag
versamlung helt, wird die erste dermaßen verrich-
tet:
Erstlich singt die ganze gemein ein psalmen oder
zwen, nach der ordnung, wie droben vermeldt54,
oder sonst zwen gesetzte psalmen55.
Zum andern volgt darauf ein lection aus den
episteln der aposteln oder die epistel nach der zeit.
Zum dritten legt man die vorgelesene schrift
aus, wie sonst in allen predigten.
Zum vierten wird die predig beschlossen mit dem
gebet und der danksagung, welche geschicht etwa
durch einen kurzen psalmen, von der ganzen ge-
mein gesungen, oder Danksagen wir alle, etc.56.
Es fallen aber vil kurzer psalmen fur im psalmen-
buch, zur danksagung Gottes gericht, daraus die
kirchen zu erwelen haben, welchen sie wollen zu
singen, als der 48. 67. 81. 87. 113. 117. 150. etc.
Endlich segnet der kirchendiener die gemein
Num. 6 [24-26] und leßt sie heimgehen.
Die letzte predig nach mittag wird furnemlich
darumb gehalten, daß die lehr des catechismi mit
fleiß getrieben werde von welchem, dieweil er vil
nutz bringt und on merklichen schaden der kirchen
nit mag underlassen werden, ist etwas zu red. Das
griechische wort f]%sco heißt so vil als sono, ich
laute, ich gebe ein ton, und f)yrjra[ seind ausruffer,
so mit lauter stim ihre sachen verrichten. Daher
kompt xarrjxsoo, das ist so viel: ich lehre und under-
weis mit lebendiger stim. Derhalben, wenn wir
reden von der lehr des catechismi, verstehen wir
nichts anders den ein kurze und klare erklerung
der fornembsten heuptpunkten der christlichen
religion, so mit lebendiger stimme bei den zuhörern
oft widerholet werden.
Es ist aber dieser brauch zu lehren sehr alt und
zu allen zeiten, wo je wolgeordnete kirchen gewesen,
geubt worden. Dann die heiligen patriarchen, ehe
53 Num 6, 24-26; vgl. Handbuch 1, 262 Nr. 355ff.
54 Vgl. S. 248.
55 Vgl. etwa die Psalmen des Babstschen Gesangbuches
1545 oder die Psalmen der Straßburger Gesang-
bücher (bei Hubert).
56 Vgl. Agende 1574, Anhang Anm. 25. 26.

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