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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0342
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Kirchenordnung 1566

ment veracht haben, sollen sie freundlich zur erkent-
nus und reu ihres gottlosen wesens getreulich under-
wiesen und ermant werden und mit dem heiligen
sacrament nicht ehe versehen, sie beweisen denn
gnugsam anzeige warer herzlicher reu und auch zu-
sagen, wo ihnen der Herr hülfe, daß sie sich zum
pfarherr und eltesten verfügen, da ihre verachtung
der kirchen beklagen, gnad und verzeihung begeren
und sich also mit der kirchen widerumb versünen
und darauf zum tisch des Herrn in der kirchen gehen
wollen. Wo sie aber zuvor auch zum tisch des Herrn
gangen, das sei lang oder kurz, und man bei ihnen
spürt ein herzlich seufzen und begird ohn aberglau-
ben zum heiligen sacrament des nachtmals, soll man
die leut, so bei den kranken seind, vermanen, weil
sie vor augen sehen die rute des Herrn, die sie etwa
besser verdient haben denn der krank, der sie aber
itzundert mit der tat befindet, daß sie mit dem kran-
ken Gott umb gnad bitten und das heilige sacrament
mit entpfahen, auf daß es desto ein ordentlicher
communion sei.
Der diener spricht zum kranken:
Lieber freund32, dieweil euch unser Herr Gott mit
schwachheit des leibs heimsucht, damit ihr euch
könnet christlich darin schicken und es Gottes wil-
len heimstellen, solt ihr wissen:
Zum ersten, daß solche unsere leibs schwachheit
und krankheit uns von Gott dem Herrn umb keiner
andern ursach willen denn allein umb der sünde zu-
geschickt wird, denn die erbsünde (geschweige die
wir selbst begangen haben), welche von Adam uns
aufgeerbet, den tod und alles, was in des tods reich
gehört und dem tod anhengt, als gebrechen, krank-
heit, elend, jamer etc. mit sich bringt, denn wo wir
ohn sünde weren und blieben, so het auch der tod
und viel weniger einerlei krankheit und ungemach
kein fuge noch recht zu uns.
(2) Damit wir aber in unsern sünden, krankheit
und allerlei anfechtung und ungemach, auch des
tods angst und not nicht verzweifeln, so leret uns
das heilig evangelium, daß Christus, Gottes Sohn
und warer mensch, uns von sünden los und selig
machen will, so wir gleuben an seine verheißung.

Solchs aber geschicht auf zweierlei weise:
1. Zum ersten, daß er uns hie auf erden durchs
evangelium und die heiligen sacrament von sünden
reiniget durch den glauben.
2. Zum andern, wenn unser gewissen dermaßen
gereiniget und mit Gott dem Vatter durch den glau-
ben versünet ist, muß auch die sünde aus unser
natur und wesen ausgefegt und getilget und wir
endhch von allen sünden gereiniget und in göttlicher
gerechtigkeit und reinigkeit volkommen werden, auf
daß wir mit Gott ewig leben konnen.
(3) Damit aber nun solchs geschehe und in uns
volnbracht werde, schickt unser lieber Herr Gott
und Vatter uns allerlei leiden, krankheit, ja auch den
tod zu, nicht der meinung, daß er mit uns zörnen
und uns verderben wolle, sondern aus großer gnade,
daß er uns hiedurch zu warer buß und glauben treibe
und endlich aus allen sünden, damit wir noch be-
haftet sein, und also auch aus allem unglück, beide
leiblich und geistlich, helfen und frei machen will.
Daher spricht der apostel Paulus (1. Cor. 11, 32):
Wenn wir vom Herrn gerichtet werden, so werden
wir gezüchtiget, auf daß wir nicht mit der welt ver-
dampt werden. Und am andern ort (Rom. 8, 28):
Denen, die Gott lieben, müssen alle ding zum besten
dienen. Item [Rm 8, 38f]: Niemand wird uns ab-
reißen von der liebe Gottes in Christo Jesu, es sei
feur, schwert, hunger, tod etc.
(4) Weil nun denn also und wir aus dem heiligen
evangelio durch den mund des Sohns Gottes unsers
heilands Christi gepredigt und mit seinem tod und
auferstehung bezeuget, des aufs allergewisset und
sicherst seind, daß alle unsere sünde von uns auf
Christum, ja auch nun von Christo ganz und gar hin-
weg getan und ewig geitlget seind, und also gar vor
Gottes angesicht kein ursach des zorn und verdam-
nus uber die gleubigen verhanden, sonder eitel gnade,
trost, leben und seligkeit, weil wir durch den glau-
ben an den Herrn Christum gerechtfertiget, friede
mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum ha-
ben, durch welchen wir auch ein zugang haben im
glauben zu dieser gnade, darin wir stehen, und rümen
uns der zukünftigen hoffnung und herrligkeit, die

32 „Lieber freund“ bis „leben und seligkeit“ Quelle: Sächs. Agende 1539/40; Sehling I, 269f.; Kölnische
Reformation 1543, Bl. 112v. 113r.
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