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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0346
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Kirchenordnung 1566

ewigen tods schuldig weren, und derwegen sich ihrer
abtuen und ohn christliche erinnerung und trost
hinfaren lassen, sondern soll gute hoffnung haben,
ob sie der teufel gleich umb den leib und dieses zeit-
lich leben hinderlistiglich bracht hat, so werde ihnen
Gott doch die seele erhalten. Und sollen derhalben
die diener göttliches worts allen fleiß anwenden, daß
sie zu erkentnus ihrer sünden und göttliches zorns
uber die sünde bracht und im glauben an den Herrn
Christum gesterkt werden und also einen rechten
warhaftigen trost haben, nicht allein wider alle
schande und schmerzen des zeitlichen tods, sonder
auch wider die sünden, den teufel, die helle und tod
und verdamnus. Und hierzu soll gebraucht werden
diese oder dergleichen underschiedliche form.
Zum allerersten36 mag man fragen, warumb sie
da gefangen ligen; da wird man denn an der ant-
wort bald merken, wie es umb ihr herz stehe.
Etliche werden schweigen, nichts bekennen oder
anheben, sich zu entschuldigen, wie er unschuldig
darein komme etc. Etliche werden bekennen, aber
doch mit einem trotz. Etliche werden also beken-
nen, daß man an den worten und geberden sehen
muß, daß sie sehr bekümmert, voll leids und jamers
seind. In summa: Es laß sich einer hie sehen, wie
er wölle, so kann man daraus ursach nemen, mit ihm
zu handeln.
Alle handelung aber, er antwort, wie er wölle,
muß darauf bestehen: Ist er blöd und forchtsam,
daß man ihn mit Gottes güte und barmherzigkeit
tröste; ist er verwegen und trotzig oder ungedultig,
daß man ihm die sünde wol einreibe und ein schrek-
ken in ihn jage, daß er sich erkenne und uber seiner
mißhandlung reu und leid lerne haben. Wie nun
solche zwei stück anzugreifen und zu handlen seind,
wird hie einfeltig nacheinander angezeigt; denn mit
solchen leuten und an solchem ort will sich scharfe
kunst und subtiligkeit nicht leiden.
Vom schrecken
Weil nun die sünde, welche von weltlicher oberg-
keit mit dem schwert oder tod gestraffet werden,
ohn alles mittel wider die zehen gebott seind, soll

man von den zehen gebotten anheben, wenn man
den armen schrecken und zu erkantnus seiner sün-
den bringen will, nemlich also: Ob er auch zur pre-
dig gangen und die zehen gebott Gottes gelernet
oder gehort hab ? Sagt er, er habs nie gehort, so weiß
man, wie solchs gottlos leben zu straffen ist, wo man
nach Gott und seinem wort so gar bei gesundem leib
nichts gefragt hat, und Gott derhalben solche rohe
leut widerumb verachtet und in sünd und schand
fallen leßt.
Saget er aber, er habe es wol gewußt und gehort,
so folget, daß die sünde desto größer sei, weil er sich
davor nicht gehütet und Gottes wort nicht gefolget
hat.
Zum andern ist solche sünde nicht allein wider
Gott und sein wort, sonder auch wider die obergkeit
und den nechsten, daß ein solcher mensch zugleich
wider Gott und weltliche obergkeit gesündiget hat.
Da mag man ihn vermanen, was er tun würde mit
einem knechte oder kinde, so seinem willen nicht
geleben wolt, wie er wider seines Gottes und der
obergkeit willen mutwillig getan hat, da er gewußt,
Gott habe es verbotten, da er manchmal gesehen
an andern, so dergleichen wider Gott und obergkeit
getan, was es für ein ende mit ihnen genommen hat.
Da lerne (sprich), wie dein herz so gar verstockt
und der teufel dich so gar in seiner gewalt gehabt
habe, daß du dich Gott nicht befohlen, nicht dar-
umb gebeten hast, daß du dich seines willen halten
und der sünde widerstehn könnest, ja, daß du solch
offentlich urteil und gericht Gottes und der oberg-
keit an andern nicht hast bedacht, sondern in der-
gleichen sünde auch gefallen und darinnen beharret
und deinem nechsten nicht allein mit bösem ex-
empel, sondern auch mit der tat ohne ursach allen
schaden getan hast.
Hie findet sich nun underscheid der sünden. Ein
dieb stilt einem, der ihm nie kein leid getan hat.
Ein mörder nimpt einem leib und leben, der ihme
nie kein bös wort geben hat, allein umb gelts wil-
len. Solchs alles sihet und weiß Gott. Und weil du
dich an sein wort und warnung nicht keren, an offent-
liche schande und laster, so du an andern gesehen,

36 Der ganze folg. Teil bis S. 335 ist aus Veit Dietricks Agendbüchlein für die Pfarrherren auf dem Land 1545,
Sehling XI, 1, 531-537, übernommen worden.

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