Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0349
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1566

chen soll man es bleiben lassen und sie den armen
leuten wol einbilden und oft fürsagen, sonst macht
man sie irre, wenn mans immer von einem spruch
zum andern füret.
Wenn nun dem armen das gewissen dermaßen ge-
reiniget ist, wie es denn folgen muß, weil Gott durch
seinen Geist bei dem wort sein und wirken will, mag
man denn auch zum andern troststück greifen und
dem armen beide, die schand, so er für der welt
tragen, und den tod, so er offentlich leiden muß,
nicht ausreden, sonder mit Gottes wort lind und
leicht machen auf diese weise.
Trost wider die schande und den tod
Daß er alle anfechtung, so ihm schand und tods
halber under augen kommen werden, lerne fest aus-
schlagen und sich an den allerhöhesten trost halten,
es scheine für der welt, wie es wölle, sei ihm doch
das ewig leben durch Christum erworben und gewiß
zugesagt. Darumb, lieber freund, lerne schaden und
gewinn fein gegeneinander abrechnen. Du und alle
welt haltet itzund dies für ein schaden, daß du, ehe
denn dein natur erfordert, sterben mußt. Wolan, laß
es ein schaden sein. Was ist aber dies dagegen, daß
du nach diesem elenden leben solt ein kind des ewi-
gen lebens sein ? Daß du nun durch den tod zu sol-
cher verheißung gefordert würdest, solt du (wie es
in der warheit ist) für ein gewinn achten und nicht
für ein schaden. Sterben ist ja schrecklich, aber die-
sen allein, so nichts denn sterben und kein hoff-
nung des künftigen ewigen lebens haben. Dieselbig
hoffnung hast aber du, was woltest du denn sehr
klagen ? Du verleurest vieleicht zehen oder zwenzig
jar, die du sonst lenger hettest mögen leben. Wer
weiß, wie es dir deines leibes und seelen halb in sol-
cher zeit würde ergangen sein ? Itzund aber wirst
du durch den tod nur gefordert, daß du desto ehe
von allem unglück entledigt werdest und dort zu
den ewigen gütern kommest. Denn das ist dein hoff-
nung, darauf du getauft bist, daß du durch den tod
Christi solt zum ewigen leben kommen. Das ist dein
hoffnung, welche dir durch die empfahung des hei-
ligen sacraments ist vergewisset, daß du ja nicht
zweifelst, der leib Christi, der dir im brot geben, sei
für dich hingeben, und sein blut, welchs du im wein

getrunken, sei für deine sünde vergossen worden.
Wie könd man dir das ewige leben immer mehr ge-
wisser machen und neher bringen ? Darumb laß dich
den zeithchen tod nicht erschrecken, sonder tröst
dein herz mit dem ewigen leben, welchs dir gewiß
von Christo erworben und nicht allein anfenglich in
der heiligen tauf, sonder auch itzund in der nießung
des hochwürdigen sacraments ist zugesagt. Diesen
tod aber lerne erkennen als ein solchs werk, durch
welches du der sünde gar abstirbest, welche dir
durch Christum vergeben ist.
Ja, sprichst du, es ist aber schendhch, also umb
der sünden willen sterben vor jederman. Wolan, du
hast kein andern tod verdienet. Darumb trag ihn,
wie es deine sünde dir auflegen und mit sich brin-
gen; darneben vergiß dennoch auch nicht der ehr,
so an solchem schmehchen tod, wie du leidest,
hanget.
Daß du am ersten nicht allein stirbest wie ein dieb
und mörder, sonder, ob du schon ein dieb oder mör-
der bist, stirbst du demnach auch wie ein christ, der
du beides für Gott und der welt bekennest, erstlich
deine sünde, damit du solchen tod verdienet hast,
und darnach das leiden und verdienst Christi, durch
welches du glaubst vergebung deiner sünde und das
ewige leben. Solches heißt ein christenglaube und
christliche bekantnus, welches für Gott mehr und
höher zieret denn solche weltliche schande für der
welt immer mehr schenden kann.
Zum andern ist dies auch ein ehr, welche du in
deinem sterben solt erkennen lernen, daß eben die-
ser tod, weil er aus Gottes ordnung umb deiner sünde
willen dir ist aufgelegt, ein werk ist, in welchem du
Gott als deinem Herrn den letzten gehorsam leisten
solt: Denn weil du Gott in dem bist ungehorsam
gewest, daß du die sünde nicht geflohen hast, solt
du jetzt ihm in dem gehorsam sein, daß du solche
verdiente straff willig und gerne leidest, niemand
drumb feind seiest, jederman, auch denen, so dich
darzu zum teil verursacht oder am ersten einbracht
haben, gerne und willig vergebest. Wenn du solches
tust und dich also in dein sterben schickst, solt du
wissen, daß es Gott gedienet sei und du ihm den
rechten gehorsam leistest. Nun weißt du aber je
selbst, daß Gott dienen nicht schmehch, sonder ehr-
lich und Gott wolgefelhg sei. Weil nun dies Gottes

333
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften