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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0400
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Abschied 1579

ein jeder an seinem ort geburlich einsehens zu tun
und dieses auch zu gebürender richtigkeit zu prin-
gen nicht underlassen werde.
[3] Was dan zum dritten die sontagsdenze, kir-
messen, fastnacht und andere dinge, darvon viel
hoch ermelter unserer gnedigen fursten und herrn
dabevor ausgangene Reformation meldung tut9, an-
langt, obwol im nechsten Marpurgischen abschied
von dispensation der sontagsdenze halber in denen
amptern, da man mit andern obrigkeiten vermengt
oder benachpart ist, erwehnung beschen10, jedoch
dieweil seithero befunden, daß solches ad falsa nar-
rata beschen, so ist verabschiedet, daß es diesfals so-
wol der sontagsdenze als anderer dinge halben
stracks bei wol aufgerichter Reformation zu lassen
und daß sonderlich die superintendentes in ihren
järlichen visitatiombus allenthalben vleißiges nach-
forschens haben, ob auch desfals der ordnung allent-
halben gelebt und von den beampten darauf mit
vleiß gesehn werde; dan so sie bei den beambten
einige mangel oder fahrlessigkeit befunden, sollen
sie dieselben hierumb zu rede setzen und in namen
hochgedachter unserer g. fursten und herrn zu stei-
fer und fester handhabung der ordnung mit vleiß
vermahnen oder ihren f. gnaden selbst deswegen ge-
burlich einsehens zu haben, davon undertenigen be-
richt und anzeig tun.
[4] So ist auch zum vierten des artikels von der
offenen poenitenz erwehnet worden11 und darbei vor
gut angesehen, dieweil die publica poenitentia nicht
eben zur gravirung, sondern vornehmlich ad aedifi-
cationem und zur besserung des poenitenten ge-
meint, daß derowegen hierunter gute christliche be-
scheidenheit zu gebrauchen und die publica poeni-
tentia nicht eben von eins jeden schlechten und be-
vorab vorlangst begangenen auch von der obrigkeit
gestraften und nunmehr schir vergessenen excesses
wegen oder auch in solchen fellen, da der beschul-
digte excess noch dunkel und nicht ausfindig ge-
macht, sondern allein in frischen und solchen lastern

9 Vgl. die Reformationsordnung 1572, Abschn. 7.
10 Vgl. denAbschied der Greneralsynode 1578, Abschn.5.
11 Vgl. die Agende S. 457ff.
12 Es folgen Spezialgebrechen; vgl. Heppe, General-
synoden II, 67 ff.

vorzunehmen, die offentliche am tage sein und dar-
mit ein offentlich ergernus der ganzen kirchen Got-
tes begangen und angerichtet ist; und sollen gleich-
wol die superintendentes ein jeder seine undergebene
pastores in stetten und dörfern vermahnen, daß sie
bevorab in fellen, so in der ordnung nicht richtig ex-
primirt sein, ihres gutdunkens und gefallens die
offene poenitenz denleuten, sonderlich so sich dessen
aus bedenklichen ursachen beschweren, nicht aufle-
gen, sondern solchs zuvorders ein jeder an seinen
superintendenten gelangen lassen und mit dessen
und der obrigkeit rat und gutachten hierunter
handle und verfahre, damit solche poenitenz, die
allein den ubertrettern zur besserung gemeinet,
nicht in mißbrauch und verachtung gerate.
Hierbei auch ist erinnerung beschen, daß mit der
poenitenz nicht den nechsten zu eilen, sondern die
poenitentes zuvor notturftig zu underrichten und
dan erstet, wan vera poenitentiae signa vermerkt,
auch sie sich mit der obrigkeit zuvorderst abgefun-
den, es wer dan, daß desfals der mangel bei der ob-
rigkeit befunden wurde, zur offenen buß zuzulassen
sein.
Ob auch jemands zur offenen poenitenz einmal zu-
gelassen und hernacher in eodem delicti genere oder
sonstet wieder offentlich peccirte, obwol denselben
und niemants so herzlich reu und leid vor seine be-
gangene sunde hat, die poenitenz und absolution zu
verweigern, so werden doch die praedicanten einen
solchen poenitenten propter reiteratum delictum
desto ernsthafter zur besserung zu vermahnen und
anzuhalten wissen12.
Signatum Cassel, den 26. Junii anno domini
157913.
Von wegen meines gnedigen fursten und herrn,
Landgraf Wilhelms zu Hessen etc.:
Reinhard Scheffer14, canzler sst.
Bartholomaeus Meier, sup. zu Cassel sst.
Christian Grau, sup. zu Allendorf sst.
13 Die Unterschrift des Rates Ludwigs Johann Ried-
esel zu Eisenbach (vgl. Anm. 3) fehlt in allen Tex-
ten.
14 Vgl. zu Reinhard Scheffer, S. 350 Anm. 29; Bar-
tholomaeus Meier, S. 348 Anm. 7; Christian Grau,
S. 350 Anm. 34.

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