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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0412
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Reformationsordnung 1572

und was sie für ein leben führen. Da dann bei einem
oder mehr einicher strafbarer fehl oder mangel er-
funden würde, als wann sie ihre gewöhnliche predig-
ten, administration der sacramenten, visitation der
kranken oder kinderlehr verseumpten, in neid, haß,
geiz, hurerei oder füllerei lebten, unzüchtige wort
oder geberde führten, mit leichtfertigen leuten sich
behingen oder solchs ihren weib, kindern und ge-
sinde verstatteten und nachsehen, sich in politische
gezenk und hadersachen mengten und was der din-
gen mehr sein, die einem predicanten seines berufs
und ampts halber nicht anstehen und zu offentli-
chem ergernus der gemein gereichen, so soll ein jeder
superintendens in seinem bezirk dieselben erstet
privatim, volgents auf den special synodis in jegen-
wertigkeit etzlicher anderer predicanten deshalben
zur besserung adhortiren und vermahnen, und, da
ein solche vermahnung nicht helfen will, denselben
an ihren jahrbesoldungen etzwas, es sei an frucht
oder geld, nach gelegenheit der überfahrung abzie-
hen und es armen leuten austeilen lassen, desglei-
chen nach gelegenheit der überfahrung sie in die kir-
chen oder andere örte zu bestricken9, auch endlichen,
wofern dieselbige straf nicht frucht schaffen wolte,
solche incorrigibiles entweder ad tempus suspendi-
ren oder auch nach gelegenen sachen und mit rat
und approbation des special oder general synodi
ganz ab officio removiren.
Was aber delicta graviora als criminalsachen,
die ein leibstraf auf sich hetten, betrifft10, die wöllen
wir uns von landsfürstlicher obrigkeit wegen zu
strafen hiermit vorbehalten haben. Darumb auch
unsere beampten eines jeden orts macht haben sol-
len, nach denen predicanten, die dergleichen laster,
so wie obstehet, straf des lebens auf sich trügen,
wirklich begangen hetten, zu greifen, die in unsere
9 bestricken = gefangennehmen, einschließen; Vgl. J.
W. Grimm, Deutsches Wörterbuch I, 1854, Sp. 1685.
10 Dieser Abschn. ist wörtlich dem Abschied der Gene-
ralsynode 1571, Abschn. 5, S. 357 entnommen. Vgl.
auch Kirchendienerordnung 1537, Abschn. 6, S. 96
und Kirchenordnung 1566, S. 212.
11 Vgl. Kirchendienerordnung 1531, Abschn. 2, S. 72;
Kirchendienerordnung 1537, Abschn. 6, S. 95f.;
Kirchenordnung 1566, S. 211 f. Dem ganzen Ab-
schnitt liegen die Beratungen der Generalsynoden
1569 (vgl. Abschied der Generalsynode 1569, Ab-
schn. 5, S. 353) und 1571 (vgl. Abschied der General-

haft zu bringen, die sachen an uns gelangen zu lassen
und darüber bevelchs und bescheids zu gewarten.
Aber sonstet in levioribus delictis soll keiner unserer
beampten macht haben, einichen predicanten anzu-
greifen oder in haften zu ziehen ohne unser, der für-
sten special bevelch.
[3] Von annehmung und beurlaubung der
predicanten
Nachdem auch in vorigen unsers geliebten Herrn
Vaters gottseligen ordnungen* 11 klar versehen, wel-
cher gestalt ein jeder predicant, der werde gleich
praesentirt von wem er wölle, ehe dann er zum pfar-
dienst gelassen wird, zuvor durch den superinten-
denten desselben zirks examinirt und anders nicht,
denn so er tüchtig und geschickt befunden, zugelas-
sen, ingeführt und gepürlicher weis confirmirt wer-
den soll, so wöllen wir dieselbige ordnung hiermit
erneuwert, bekreftigt und unsern superintendenten
mit gnedigem ernst bevohlen haben, daß sie hieran
kein fahrlessigkeit oder mangel erscheinen lassen,
auch in dem niemands überall, die collaturn und
praesentationen stehen gleich zu wem sie wöllen,
übersehen, dann ob wir wol nicht gemeint sein, un-
sern undertanen vom adel und andern, die an etz-
lichen pfarren in unsern fürstentumben und gebiet
des iuris patronatus et praesentandi küntlichen be-
rechtigt, an derselben ihrer gerechtigkeit einichen
intrag zu tun, jedoch dieweil die examination und
confirmation der praesentirten personen allzeit der
geistlichen iurisdiction, die uns in diesen unsern
fürstentumben, landen und gebiet durch den Passau-
ischen vertrag und in anno etc. 55 gevolgten Augs-
purgischen reichsabschied12 zugeeignet und bekref-
synode 1571, Abschn. 6, S. 358f.) zugrunde. - Die
Ordnungen des Hüttenbergs und von Nassau-Saar-
brücken weichen hier erheblich von ihrer Vorlage ab
(vgl. S. 346).
12 Zum Passauer Vertrag vgl.: E. A. Koch, Neue und
vollständige Sammlung der Reichsabschiede, III,
1747, S. 18; Friedr. Hortleder, Von Rechtmäßig-
keit, Anfang, Fort- und endlichen Außgang des
Teutschen Kriegs (1546-1558), 1618, 14. Cap. 5.
Buch, S. 1040. - Zum Augsburger Reichsabschied:
E. A. Koch aaO. S. 18; Karl Brandi, Der Augs-
burger Religionsfriede vom 25. September 1555,

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