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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0422
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Reformationsordnung 1572

derm schein der ehe oder sonstet außerhalb der ehe,
fleischlichen vermischen wurden, so sollen sie den
nechsten zu haften bracht und gegen ihnen die in
göttlichen und keiserlichen rechten26 gesetzte leib-,
lebens- und andere strafen, nach gelegenheit der
felle und eines jeden uberfahrung, ernstlich und un-
nachleßlichen vorgenommen und volnstreckt wer-
den.
Was sonstet außerhalb den itzo erzelten fellen an-
dere mehr gradus der blutverwandtnus und schwa-
gerschaft betrifft, ob wol dieselben weder im Moyse,
noch eins teils in alten keiserlichen rechten aus-
drücklich nit verboten27, jedoch dieweil in allwege
nach der gemeinen regel die nahe sippschaft und
verwandtnus umb zucht und erbarkeit willen in den
ehestiftungen zu vermeiden, solches auch in andern
der Augspurgischen Confession zugetanen chur- und
fürstentumben bis anher also gehalten worden ist und
noch, so setzen, ordenen und wöllen wir, daß in un-
sern fürstentumben, obrigkeiten und gebiet auch der
zweite und dritte grad der blutfreundschaft und
schwägerschaft, beids in gleicher und ungleicher
linien, menniglichen verboten, und niemands, der
sei gleich wer er wölle, erleubt sein soll, vor sich
selbst und ohne unsere zuvor erlangte dispensation
(die doch nicht anders dann aus sondern erheblichen
und hochwichtigen uns darzu bewegenden ursachen
allein im dritten gradu lineae aequalis etwo be-
schehen möcht) in ermelten gradibus sich zu ver-
heuraten, und da jemands dies unser verbot über-
schreiten und sich one zuvor erlangte dispensation
in diesen verbotenen gradibus verehlichen würde,
dieselben personen sollen ohn mittel aus unserm
lande relegirt und verwiesen werden.
Damit nun jederman dieser dingen wissens haben
und sich vor straf und unglück hüten möge, so sollen
die praedicanten und pfarherrn eines jeden orts, so
wol in stetten als dörfern, alle sontag das junge voik
mit ernst verwarnen, sich hierinnen zu hüten und
vorzusehen.
Es soll auch kein pfarherr einich par volks, so sich
miteinander ehelichen vertraut aufkündigen28, viel

26 Vgl. Corpus iuris civilis, Inst. 4, 18.
27 Vgl. zum ganzen Bullinger, Der christlich Eestand,
cap. 7, und CIC, Inst. 1, 10; 3, 6.
28 Vgl. Kirchenordnung 1566, 321 f.

weniger vor der christlichen gemein insegnen, er
habe dann zuvor gewiß erkündigt, daß sie einander
weder mit sippschaften noch schwagerschaft nit
verwant, und also getan seien, daß sie ein christliche
ehe mit gutem gewissen besitzen mögen. Und wo-
ferne der pfarherr einiche verwantnus, es wer sipp-
schaft oder schwegerschaft befünde, und sich darin
nicht selbst resolviren und bescheiden könte, ob sie
der ehe verhinderlich sei oder nicht, so soll er umb
aller gewißheit willen mit dem aufkündigen und in-
segnen derselben personen so lang inhalten, bis er
den fall an unsere verordente statthalter, geistliche
und weltliche rete gelangt und sich bei denselben
zuvor bescheids erholet habe.
[11] Von ehebrechern
Wie sehr auch das schändliche laster des ehe-
bruchs je lenger je mehr inreißt und überhand nimpt,
solchs ist zuviel am tage und weisens die exempel
genugsamb aus. Wann dann, jegen den wachsenden
und zunemenden lastern auch die strafen zu scherp-
fen, und uf ohne das dies laster des ehebruchs in gött-
lichen und keiserlichen rechten die leib- und lebens-
straf gesetzt ist29, so setzen, ordenen und wöllen wir,
da hinfüro in unsern fürstentumben, obrigkeit und
gebiet ein mannsperson, die sei gleich ehelich oder
ledig und eines andern mannes eheweib, einen ehe-
bruch miteinander willig und wissentlich begehn
und volnbringen, daß alsdann beid der ehebrecher
und ehebrecherin zu haften bracht, vor peinlich
recht30 gestellt, und auf vorgehende gnugsame be-
weisungen zum schwert verdampt und hingerichtet
werden sollen. Es were dann sach, daß der ehebre-
cherin mann selbst zu solchem ehebruch anreizung
und ursach gegeben, oder das weib vorhin ein leicht-
fertig person gewesen und mit andern zuvor auch
dergleichen ehebruch kündlich begangen hette, oder
auch ihr ehemann sie wieder zu sich zu nemen be-
gerte und was dergleichen umbstende mehr sein, die
sich zutragen und einen jeden richter zur miltern
straf vermöge rechtens und billichkeit bewegen
29 Vgl. schon die Lex Julia, Corpus iuris civilis, Inst. 4,
18.
30 Vgl. die Carolina, die auch in Hessen ihre Gültigkeit
hatte.

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