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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0427
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Agende 1574

solle alles geschehn zur besserung der ganzen gemein
und eines jeden christen insonderheit. Wie künten
aber diejenigen gebessert werden, welche, was da
geredt, gelesen oderh gesungen wird, nicht verste-
hen? Alle, so in der gemein zusammenkommen, sol-
len zu allem gesang, lesen, leren, beten etc., damit
Gott angerufen, geehret, gelobt und gepriesen wird,
zum wenigsten Amen sagen. Wie kann aber einer
Amen sagen, zu dem, das er nicht verstehet und nit
weiß, was damit gemeint ist? 1. Cor. 14.
Derhalben, gleich wie alle predigten, gebet und
danksagung in bekanter teutscher sprach geschehen,
also soll auch der gesang, wann der ganze gemeine
hauf beieinander ist, teutsch sein. Dieweil aber doch
in stedten, da mancherlei leut seind, viel erfunden
werden, so in schulen erzogen und das latein ver-
stehen, dergleichen oftmals frembde leut, welchen
diese sprach wol bekant, zu den gemeinen versamb-
lungen sich verfügen, mag underweilen im anfang,
ehe die ganze gemein zusammenkompt, und zur
vesper, wann ohn das wenig leut vorhanden, ein la-
teinischer psalm oder introitus gesungen werden,
doch daß iauf deni dorfen durchaus, in stedten aber
mehrerteils allein teutsche gesenge im gemeinen
brauch seien und bleiben.
Es söllen auch die gesenge aufs kürzest angestellet
und vor der predigt auf die feiertagek über eine
halbe, auf die werktage aber über ein vierteil stunde
aufs höchste nicht erstreckt werden, damit das volk
nicht aufgehalten und, ehe dann die predigt angehet,
zum überdrußl verursacht werden möge. Und soll
das volk in predigten, so oft es die gelegenheit gibt,
erinnert und vermanet werden, daß sie die gebreuch-
lichen kirchengeseng lernen und allwegen, wann in
gemeinen versamblungen gesungen, auch selbst ein

h und B i-i in B
k feier- und festtage B
l verdruß B
16 Martin Luther, Komm heil. Geist, Herre Gott; vgl.
Wackernagel III Nr. 19 S. 14; Evgl. Kgb. 98; vgl.
auch Wackernagel I Nr. 281 S. 177 und Evgl.
Kgb. 124.
17 Vgl. S. 464. 18 Vgl. S. 467.
19 Vgl. S. 468. 20 Vgl. S. 469.
21 Vgl. S. 465. 468. 469.
22 Feststehende Episteln und Evangelien sind in an-
deren Kirchenordnungen - dem mittelalterlichen

jeder vor sich insonderheit mit singen und also ein-
trechtiglich Gott loben.
Wann nun auf die gemeine sontage oder
andere festtage das nachtmal des Herren
zu halten ist, soll das ampt mit gesang,
predigt, gebet etc. folgender weise und maß
verrichtet werden
Erstlich singen die schuler mit gebogenen knien:
Komm heiliger Geist etc.16, damit die hülfe und bei-
stand des heiligen Geistes zu verrichtung des ganzen
kirchendienstes gebeten wird.
2. Darnach wird gesungen der introitus de trini-
tate17 oder de tempore auf Nativitatis18, Resurrec-
tionis19 und Pentecostes20.
3. Hierauf folget das Kyrie undm Et in terra21.
4. Nach diesen gesengen wird die epistola domi-
nicalis oder de festo22 für dem altar gelesen.
5. Nach der epistel singet man einen sequenz de
trinitate23 oder de tempore24 oder sonst einen guten
teutschen psalmen.
6. Das evangelium dominicale oder de festo wird
für dem altar gelesen.
7. Auf verlesung des evangelii wird gesungen das
symbolum apostolicum teutschn, von wort zu
wort25, oder wie es Doctor Luther paraphrastice in
gesangsweise gestelt hat26, odero das symbolum
Nicenum teutsch27. Man mag auch je bisweilen nach
dem evangelio das teutsch Grates nunc omnes28,
oder einen andern kurzen gesang singen und darauf
das symbolum Nicenum oder Athanasianum29 mit
klarer stimm dem volk für dem altar fürlesen.
8. Volgends wird die predigt angefangen, da
dann, nachdem der pfarherr vom predigstuhl ein
m +, da es nicht zu lang werden wolt, ein B
n + wie es Matheus Greiter B
o + auch B
Brauch folgend - abgedruckt, vgl. etwa Kirchenord-
nung Calenberg-Göttingen 1542 (Sehling VI, 2,
812ff.); vgl. dazu G. Kunze, Die gottesdienstliche
Schriftlesung 1, 1947.
23 Vgl. S. 465. 24 Vgl. S. 468. 469.
25 Vgl. S. 466. 26 Vgl. S. 466 Anm. 15.
27 Vgl. S. 467.
28 Vgl. S. 468.
29 Vgl. Bek. Schr. S. 26f. und 28-30.

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