Agende 1574
heilsame lehr nicht leiden werden, sondern nach
ihren eigenen lüsten werden sie ihnen selbst lehrer
aufladen, nach dem ihnen die ohren jucken und wer-
den die ohren von der warheit wenden und sich zu
den fabeln kehren. Du aber sei nüchtern allenthal-
ben, leid dich, tu das werk eines evangelischen predi-
gers, richte dein ampt recllich aus.
4. Nach diesem allem soll der superintendens oder
sein substitut den ordinanten also anreden50:
Geliebter bruder im Herren, ihr habt nun gehört,
was euwer ampt sei, und das nicht aus menschen ge-
danken. sondern aus dem befelch und verordenung
unsers Herrn Jesu Christi und seiner heiligen apostel,
wie dann solchs alles in der heiligen schrift, bevoraus
aber in den episteln des apostels Pauli an Timo-
theum und Titum, weiter und mit mehren worten
dargetan und erkleret wird. Damit aber jederman
dieses so viel desto besser verstehe, ihr es auch selbs
fleißiger betrachtet und jederzeit in gutem frischen
gedechtnus behaltet, will ichs in kurze gewisse stück
fassen.
1. Welcher zu einem pfarherrn oder lehrer der kir-
chen Gottes verordnet wird, der soll die ganze lehr
der christlichen religion, welche in den büchern des
alten und neuwen testaments, der propheten und
apostel schriften tradirt wird und in den dreien sym-
bolis Apostolico, Niceno und Athanasiano, derglei-
chen in der Augspurgischen Confession, sampt ihrer
Apologia51kürzlich verfasset und erkleretist, rein und
unverfelscht, treulich und fleißig der gemeine Gottes
fürtragen, nach derselben form und richtschnur alle
seine predigten, lehr, trost, vermanung etc. richten
und anstellen, und soll sich hiervon keine gunst der
menschen, kein forcht noch gefahr abwenden oder
abschrecken lassen. Aber des ungeistlichen losen ge-
schwetzes, wortgezenk und der nerrischen unnützen
fragen soll er sich genzlich entschlagen und, da etz-
jiche selbs erdachte oder von andern aufbrachte
falsche lehr auszubreiten und zu vertedigen under-
sttinden, die soll er aus grund göttlicher schrift mit
klaren und unfehlbarem beweis refutiren und wider-
legen, den irrtumb deutlich zeigen und mit aller
50 Diese ,,Anrede“ lehnt sich stark an die Kirchenord-
nung 1566 (vgl. S. 204f.) an, die Unterabschnitte 3
und 4 sind jedoch neu formuliert.
sanftmütigkeit alle irrige widerumb auf den rechten
weg bringen. Er soll einen jedern, in seinem stande,
ampt und beruf fleißig und treuw zu sein, mit fleiß
erinnern und ermanen, alle heimliche und offent-
liche sünde, schand und laster strafen, allen ein-
reißenden ergernissen mit gebürlichem ernst in be-
sonderen und offentlichen vermanungen aus Gottes
wort begegnen, alle kranke, bekümmerte, betrübte
und geengstigt herzen und gewissen aufrichten,
sterken und trösten.
2. Die sacramenten der heiligen christlichen kir-
chen soll er nach ausweisung göttlichs worts unwe-
gerlich und treuwhch dispensiren, von wem sie ein-
gesetzt, was da gegeben und überreicht werde, was
ihr nutz und frucht sei, oftmals erkleren und dem
volk einbilden, auch mit sonderm fleiß darauf sehen,
daß sie von niemand entheiliget und mißbraucht
werden.
3. Er soll auch nicht allein für und für vor alle not-
turft der ganzen allgemeinen christlichen kirchen,
besonderlich aber für seine befohlene gemein mit
großem ernst und andacht beten, sondern neben sei-
nen adiuncten und senioribus darauf sehen, daß
nach der reinen göttlichen lehr auch christlich und
erbarlich gelebt und die in Gottes wort und fürst-
licher ordenung52 gezeigte und befohlene kirchen-
zucht und disciplin gehalten und gehandhabt werde.
4. Den catechismum und kinderlehr soll er mit
großem fleiß treiben und die keuptstück christlicher
lehr beide, alten und jungen personen, einbilden,
die kranken fleißig besuchen, die im Herrn ent-
schlafene christen zum begrebnus beleiten und
christlich bestatten, die armen, kasten, hospitalen,
schulen soll er ihm vor allen dingen lassen befohlen
sein und ein fleißigs aufsehens haben, daß nicht al-
lein die güter und jährlichs einliommens treulich zu-
samen gehalten, eingemanet, ausgeteilet und be-
rechnet und darvon nichts entwendet und entzogen,
sondern auch den personen treulich vorstanden, in
christlicher zucht und erbarkeit gehalten und die
jugend in guten künsten und allen christlichen tu-
genden auferzogen und angewiesen werden.
51 Gegentiber der Kirchenordnung 1566 (vgl. S. 204)
ist die Zufügung der Augsburgischen Confession und
der Apologie neu.
52 Vgl. die Reforrnationsordnung 1572, S. 394ff.
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heilsame lehr nicht leiden werden, sondern nach
ihren eigenen lüsten werden sie ihnen selbst lehrer
aufladen, nach dem ihnen die ohren jucken und wer-
den die ohren von der warheit wenden und sich zu
den fabeln kehren. Du aber sei nüchtern allenthal-
ben, leid dich, tu das werk eines evangelischen predi-
gers, richte dein ampt recllich aus.
4. Nach diesem allem soll der superintendens oder
sein substitut den ordinanten also anreden50:
Geliebter bruder im Herren, ihr habt nun gehört,
was euwer ampt sei, und das nicht aus menschen ge-
danken. sondern aus dem befelch und verordenung
unsers Herrn Jesu Christi und seiner heiligen apostel,
wie dann solchs alles in der heiligen schrift, bevoraus
aber in den episteln des apostels Pauli an Timo-
theum und Titum, weiter und mit mehren worten
dargetan und erkleret wird. Damit aber jederman
dieses so viel desto besser verstehe, ihr es auch selbs
fleißiger betrachtet und jederzeit in gutem frischen
gedechtnus behaltet, will ichs in kurze gewisse stück
fassen.
1. Welcher zu einem pfarherrn oder lehrer der kir-
chen Gottes verordnet wird, der soll die ganze lehr
der christlichen religion, welche in den büchern des
alten und neuwen testaments, der propheten und
apostel schriften tradirt wird und in den dreien sym-
bolis Apostolico, Niceno und Athanasiano, derglei-
chen in der Augspurgischen Confession, sampt ihrer
Apologia51kürzlich verfasset und erkleretist, rein und
unverfelscht, treulich und fleißig der gemeine Gottes
fürtragen, nach derselben form und richtschnur alle
seine predigten, lehr, trost, vermanung etc. richten
und anstellen, und soll sich hiervon keine gunst der
menschen, kein forcht noch gefahr abwenden oder
abschrecken lassen. Aber des ungeistlichen losen ge-
schwetzes, wortgezenk und der nerrischen unnützen
fragen soll er sich genzlich entschlagen und, da etz-
jiche selbs erdachte oder von andern aufbrachte
falsche lehr auszubreiten und zu vertedigen under-
sttinden, die soll er aus grund göttlicher schrift mit
klaren und unfehlbarem beweis refutiren und wider-
legen, den irrtumb deutlich zeigen und mit aller
50 Diese ,,Anrede“ lehnt sich stark an die Kirchenord-
nung 1566 (vgl. S. 204f.) an, die Unterabschnitte 3
und 4 sind jedoch neu formuliert.
sanftmütigkeit alle irrige widerumb auf den rechten
weg bringen. Er soll einen jedern, in seinem stande,
ampt und beruf fleißig und treuw zu sein, mit fleiß
erinnern und ermanen, alle heimliche und offent-
liche sünde, schand und laster strafen, allen ein-
reißenden ergernissen mit gebürlichem ernst in be-
sonderen und offentlichen vermanungen aus Gottes
wort begegnen, alle kranke, bekümmerte, betrübte
und geengstigt herzen und gewissen aufrichten,
sterken und trösten.
2. Die sacramenten der heiligen christlichen kir-
chen soll er nach ausweisung göttlichs worts unwe-
gerlich und treuwhch dispensiren, von wem sie ein-
gesetzt, was da gegeben und überreicht werde, was
ihr nutz und frucht sei, oftmals erkleren und dem
volk einbilden, auch mit sonderm fleiß darauf sehen,
daß sie von niemand entheiliget und mißbraucht
werden.
3. Er soll auch nicht allein für und für vor alle not-
turft der ganzen allgemeinen christlichen kirchen,
besonderlich aber für seine befohlene gemein mit
großem ernst und andacht beten, sondern neben sei-
nen adiuncten und senioribus darauf sehen, daß
nach der reinen göttlichen lehr auch christlich und
erbarlich gelebt und die in Gottes wort und fürst-
licher ordenung52 gezeigte und befohlene kirchen-
zucht und disciplin gehalten und gehandhabt werde.
4. Den catechismum und kinderlehr soll er mit
großem fleiß treiben und die keuptstück christlicher
lehr beide, alten und jungen personen, einbilden,
die kranken fleißig besuchen, die im Herrn ent-
schlafene christen zum begrebnus beleiten und
christlich bestatten, die armen, kasten, hospitalen,
schulen soll er ihm vor allen dingen lassen befohlen
sein und ein fleißigs aufsehens haben, daß nicht al-
lein die güter und jährlichs einliommens treulich zu-
samen gehalten, eingemanet, ausgeteilet und be-
rechnet und darvon nichts entwendet und entzogen,
sondern auch den personen treulich vorstanden, in
christlicher zucht und erbarkeit gehalten und die
jugend in guten künsten und allen christlichen tu-
genden auferzogen und angewiesen werden.
51 Gegentiber der Kirchenordnung 1566 (vgl. S. 204)
ist die Zufügung der Augsburgischen Confession und
der Apologie neu.
52 Vgl. die Reforrnationsordnung 1572, S. 394ff.
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