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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0477
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Agende 1574

dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest.
Einer trage des andern last, so werdet ihr das gesetz
Christi erfühen, - daß auch ein jeder hinder sich
denke, sein herz und gewissen, sein wort und werke
examinir und fleißig erwege, ob er etwa auch selbst
schuldig sei und in heimlichen oder offenbaren sün-
den stecke, und, da er sich mangelhaftig befindet,
bei zeiten, dieweil ihm Gott noch gelegenheit darzu
gibt, sich bekehre und ihm durchs predigampt or-
dentlicher und von Gott selbst gezeigter weise hel-
fen lasse in betrachtung, daß auf die sünde aus Got-
tes unwandelbaren willen gewißlich die zeitliche und
ewige strafe erfolgen muß über alle, so sich nicht be-
kehren und buß tun. Welche sich aber mit gleubigem
bußfertigem herzen zu Gott bekehren, denen wird
die ewige strafe erlassen, die zeitliche aber, ob sie
gleich nicht allweg außen bleibt, oder aufgehaben
und abgeschafft wird, pfleget sie ihnen Gott doch
zum wenigsten zu miltern und seine gnade und geist
zu geben, daß sie die desto besser tragen und alle an-
fechtung des bösen feinds ausstehen und überwin-
den künten, wie solchsdieexempelDavicUs,Manasse
und anderer bezeugen. Diese christliche erinnerun-
gen und vermanungen seind bei jetzt gedachter ac-
tion notwendig, dann sie geben dem vorgestelten be-
trübten sünder sterk und trost, steuren den Jesterun-
gen der ungeistlichen und geben gute underweisung
und warnung den einfeltigen gutherzigen christen.
Was die superintendenten in iliren ordent-
lichen visitationibus fürnemen und ver-
richten sollen70
Ein jeder superintendens soll vermöge seines be-
rufs alle in seinem bezirk gehörige kirchen aufs aller-
fleißigst und treulichst zum wenigsten im jahr ein-
mal visitiren und solche visitation, die dann in sted-
ten am füglichsten verrichtet werden kan, folgender
gestalt ansteUen:
Erstlich soll er in gegenwertigkeit und mit zutun

k kastendiener C
70 Dieser Abschnitt ist der Generalsynode 1573 zur Be-
ratschlagung übergeben und fast unverändert in die
Agende eingegangen. Vgl. oben S. 408 Anni. 1 zu C
und den Abschied der Generalsynode 1573, Abschn.
2, S. 368; Heppe, Generalsynoden I, 114.

fürsthcher amptleute und befelchhaber, dergleichen
der burgermeister und etzhcher des rats, der stadt
casten und hospitals rechnung anhören und mit
fleiß daran sein, daß nach gehaltener rechnung alles,
was die vorsteher dem casten und hospital schuldig
bleiben an gelt und frucht, von stuncl an erlegen und
überlifern müssen.
Er soll auch sich fleißig erkündigen, ob etwa
irrung, mangel und gebrechen vorhanden, und was
sich deren befindet, mit hülf und zutun der obrigkeit
des orts hinlegen und zurechtbringen und vornemb-
lich darauf sehen, daß den kirchen nichts entwendet
oder entzogen, sondern, da etwas ahenirt und ver-
eußert were, daß dasseibig widerumb herbei bracht,
restituirt und erstattet werde71. Was ihm aber mit
hülf und zutun jetzt gedachter oberkeit zu rectifici-
ren, restituiren und erstatten bedenkhch und schwer
faUen wolt, in solchem die castenmeister und hospi-
talsvorsteher, die fürstliche verordente rete, oder im
fal der not den landsfürsten selbst zu ersuchen und
sich alda rats und hülf zu erholen anweisen und an-
halten.
Zum andern söllen auch alle pfarherrn sampt den
greben und castenmeistern im ampt von den dörfern
in die stadt gefordert und gleicher gestalt wie jetzt
vermeldet die castenrechnung von ihnen angehort,
die resten eingefordert, die irrung, gebrechen und
mangel geschlichtet, hingelegt und erstattet werden.
Weiter soll der superintendens die pfarherrn und
kirchendienerk der stedt und dörfer einen jeden in-
sonderheit fürnehmen und ihn bei seinen pflichten,
damit er Gott uncl1 seiner kirchen und dem lands-
fürsten verwandt, auf folgende articul undfragstüclc
klare, richtige antwort zu geben vermanen:
1. Ob er die fürnembsten articul unserer christ-
Uchen religion vermöge proplietischer und apostoli-
scher schriften, wie die in der Augspurgischen Con-
fession72 kürzlich verfaßt seind, seiner befohlener
gemeine auch fleißig und treulich fürtrage.
i fehlt C
71 Vgl. dazu Abschied der Generalsynoden 1568, Ab-
schn. 3, S. 348f. und 1569, Abschn. 5, S. 353.
72 Hier fehlt — gegenüber der Lehrverpflichtung im
Ordinationsformular, vgl. S. 453 - die Brwähnung der
Apologie. Der Artikel schließt sich jedoch eng an den
Abschn. 1 der Reformationsordnung 1572, S. 395, an.

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