Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0053
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Einleitung

Das Reversformular ist nicht datiert. Da es jedoch auch im Namen Philipps II. von Hessen-Rheinfels
ausgestellt ist, muss es vor dessen Tod am 20. November 1583 entstanden sein. Ende 1583 war die religi-
onspolitische Differenzierung unter den Landgrafen zwar bereits eingeleitet, die Brüder übten die Verwal-
tung der Marburger Universität jedoch noch gemeinsam aus.
Durch den Einfluss des 1576 aus Tübingen berufenen Theologen Aegidius Hunnius entwickelte sich die
theologische Fakultät in Marburg in den 1580er Jahren zu einem maßgeblichen Instrument der lutherischen
Konfessionalisierung.51 Ludwig IV. war es gegenüber seinem Bruder Wilhelm IV. gelungen, entscheidenden
Einfluss auf die Universität auszuüben. Nachdem Hunnius der Lutheranisierung in Ludwigs Landesteil die
Bahn bereitet hatte, ging er 1592 nach Wittenberg. Nachfolger auf dem Marburger Lehrstuhl für Theologie
wurde sein Schüler Johannes Winckelmann.52 Bei dessen Anstellung wurde auch ihm eine Verpflichtungs-
erklärung vorgelegt (Nr. 2). Anders als in dem Revers von 1583 waren dem Schriftstück für Winkelmann
vier Artikel vorangestellt. Diese verpflichteten die Marburger Theologieprofessoren auf die bereits genann-
ten Lehrschriften sowie zusätzlich auf die von Martin Bucer 1536 konzipierte Wittenberger Konkordie. Die
Aufnahme dieser Schrift in den Kanon der Lehrnormen ging auf die Initiative Landgraf Wilhelms IV.
zurück, der bereits 1585 eine Eidesformel für den theologischen Doktorgrad verfasst hatte, in der Bucers
Konkordie enthalten war.53
Aussteller des Revers von 1592 waren nur die beiden Landgrafen Ludwig IV. von Hessen-Marburg und
Wilhelm IV. von Hessen-Kassel. Die Brüder, deren konfessionelle Vorstellungen zwar schon weit auseinan-
dergingen, agierten hier für die Universität Marburg noch immer gemeinsam und vermittelten nach außen
den Anschein einer einheitlichen Religionspolitik.
Johannes Winckelmann gehörte zusammen mit Balthasar Mentzer54 und Heinrich Leuchter55 zu einer
Gruppe lutherischer Theologen, die Hunnius’ Schüler gewesen waren und die nach dessen Weggang 1592 in
Marburg tonangebend wurden, bis sie nach Einführung der Verbesserungspunkte durch Landgraf Moritz
1605 geschlossen nach Gießen abwanderten.56

rigen Verhandlungen über einen Consensus doctrinae
siehe ebd., S. 389 Anm. 5. Die Konkordienformel selbst
wurde von den Landgrafen nicht angenommen, Her-
melink/Kaehler, Philipps-Universität, S. 184-186.
Am 8. Juni 1578 hatten sie eine Instruktion an den Rek-
tor und die Professoren der Universität Marburg
geschickt, in der sie jegliche Polemik um die Frage der
Ubiquität Christi verboten, ebd., S. 182. Abdruck der
Instruktion bei Heppe, Generalsynoden 1, S. 168 und
Urkundenanhang, S. 113ff., 130ff.
51 Rudersdorf, Ludwig IV., S. 241; Hermelink/
Kaehler, Philipps-Universität, S. 182f.
52 Johannes Winckelmann (1551-1626) hatte in Marburg,
Heidelberg, Tübingen, Straßburg und Basel studiert und
wurde 1581 zum Doktor der Theologie promoviert. Von
1583 bis 1592 war er Hofprediger Wilhelms IV. in Kas-
sel, anschließend bis 1605 Professor an der Universität
Marburg. Als entschiedener Lutheraner musste er 1605
nach Einführung der Verbesserungspunkte durch Land-
graf Moritz die Universität verlassen. Er begab sich
zusammen mit anderen Theologen unter den Schutz
Ludwigs V. von Hessen-Darmstadt. Nachdem das Gie-
ßener Pädagogium 1607 zur Universität erhoben worden
war, erhielt Winckelmann hier eine Professur. Zwischen
1610 und 1625 amtierte er als Superintendent in Gießen,
Diehl, Kirchenbehörden, S. 80-83; Heppe, Kirchen-
geschichte 2, S. 9; Schorn-Schütte, Prediger, S. 336;

Hütteroth/Milbradt, Pfarrer, S. 409f.; ADB 43,
S.362-363.
53 Hermelink/Kaehler, Philipps-Universität, S. 185.
54 Balthasar Mentzer war am 27. Februar 1565 in Allen-
dorf an der Werra geboren worden und hatte in Marburg
studiert. 1589 wurde er Nachfolger Heinrich Leuchters
auf der Pfarrstelle in Kirtorf. 1596 wurde er zum Profes-
sor der Theologie und Ephorus der Stipendiatenanstalt
in Marburg ernannt, Hütteroth/Milbradt, Pfarrer,
S. 227; Heppe, Kirchengeschichte 2, S. 10; Mahl-
mann, Th., Stein gewordene Christologie. Balthasar
Mentzer und der Altar der Lutherischen Pfarrkirche
St. Marien, in: Kunst, H. J. / Glockzin, E. (Hg.),
Kirche zwischen Schloß und Markt. Die Lutherische
Pfarrkirche St. Marien zu Marburg, Marburg 1997,
S. 70-104.
55 Heinrich Leuchter (1558-1623) stammte aus Melsungen,
hatte in Hersfeld und Marburg studiert und war 1585
zum Doktor der Theologie promoviert worden. 1586 war
er Pfarrer in Kirtorf, von 1588 bis 1605 Superintendent
in Marburg. 1605 wurde er wegen Ablehnung der Ver-
besserungspunkte abgesetzt. 1606 amtierte er als Hof-
prediger und wurde 1608 Superintendent in Darmstadt,
Schorn-Schütte, Prediger, S. 332; Hütteroth/Mil-
bradt, Pfarrer, S. 206; Heppe, Kirchengeschichte 2,
S. 10.
56 Rudersdorf, Universitätsgründung, S. 68; ders., Lud-

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