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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0056
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Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618

Brotbrechen beim Abendmahl hatte er jedoch - aus Sorge vor Tumulten, wie sie in Marburg entstanden
waren - nicht eingeführt.74 Zu den expedienda zählten die Abschaffung sämtlicher Bildwerke in den Kir-
chen, die reformierte Zählung der Zehn Gebote unter Betonung des Bilderverbots, die Einführung von
Klassikalkonventen und Provinzialsynoden, das Verbot sämtlicher abergläubischer Praktiken an Festtagen,
die Verringerung der Heiligenfesttage und die Abschaffung des Leichenschmauses. Die gravamina betrafen
mehrheitlich spezielle Fälle in einzelnen Pfarreien.
Nachdem Landgraf Moritz Zindels Bericht erhalten hatte, ließ er am 20. Mai 1600 eine Resolution
(Nr. 4b) verfassen, in der er die einzelnen Punkte aus Zindels Bericht kommentierte und größtenteils bil-
ligte. Moritz mahnte jedoch zu moderatem Vorgehen und verwies insbesondere darauf, dass eine Änderung
der Dekalogzählung von einer Synode angeordnet werden müsse, die künftig mindestens einmal im Jahr in
St. Goar tagen solle. Die Einrichtung von Klassikalkonventen lehnte er zu diesem Zeitpunkt noch ab.
Obwohl Zindel von Landgraf Moritz nicht offiziell beauftragt worden war, reformierte Neuerungen in
seinem Superintendentursprengel einzuführen, scheint dieser die Maßnahmen gutgeheißen zu haben,
solange sie nicht allzu radikal waren und den Unmut der Bevölkerung heraufbeschworen.75 In Zindels
Vorstoß im Rheinfelser Teil der Landgrafschaft Hessen-Kassel zeigt sich Moritz’ erster vorsichtiger Versuch
des Konfessionswechsels.76 Seine Zurückhaltung lag darin begründet, dass er im Hinblick auf das anste-
hende Marburger Erbe Ludwigs IV., der in seinem Testament77 ausdrücklich jeglichen Konfessionswechsel
des lutherischen Hessen-Marburg untersagt hatte, keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen riskieren
wollte.78 Gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Landesherrn führte Superintendent Zindel jedoch weitere
Neuerungen ein, zu denen schließlich die Änderung der Dekalogzählung ebenso gehörte wie seit 1603 das
Brotbrechen beim Abendmahl.79
Von Seiten der lutherischen Prediger in der Niedergrafschaft - allen voran des St. Goarer Pfarrers
Johannes Greiff, - regte sich Widerstand gegen die konfessionellen Veränderungen, der in einen theologi-
schen Disput mit Zindel mündete.80 Der Landgraf musste schlichtend eingreifen. Auf einer Synode, die am
25./26. September 1604 in St. Goar tagte, wurden die Verbesserungspunkte, die Moritz bereits hatte aus-
arbeiten lassen (siehe Nr. 5), erörtert; die Geistlichen erkannten sie fast einstimmig an.81 In der Nieder-
grafschaft Katzenelnbogen war der Konfessionswechsel, den Landgraf Moritz mit den Verbesserungspunk-
ten erst 1605 - nach dem Tod Ludwigs IV. - öffentlich proklamieren sollte, also bereits im Jahr zuvor in
einigen Gemeinden schon vollzogen worden.82
5. Mandat zur Einführung der Verbesserungspunkte 23. Dezember 1605 (Text S. 69)
Mit Ausnahme des „Versuchsterritoriums“ der abgelegenen Niedergrafschaft Katzenelnbogen hielt sich der
Landgraf mit wesentlichen Veränderungen des Kirchenwesens in seinem Stammland noch zurück,83 da er
das oberhessische Erbe nicht gefährden wollte, das ihm nach dem Tod seines Onkels, Ludwigs IV. von
Hessen-Marburg, zufallen sollte.84 Nachdem dieser am 9. Oktober 1604 gestorben war, setzte sich sein Neffe

74 Ritter, Konfession, S. 183, 191. Zu den Auseinander-
setzungen in Marburg siehe unten, Anm. 97 und 100.
75 Ritter, Konfession, S. 184.
76 Menk, Konfessionspolitik, S. 105.
77 Abdrucke der betreffenden Passage zur religiösen Aus-
richtung bei Vilmar, Geschichte, S. 168 Anm. 1 und
Heppe, Einführung, S. 176f.; vgl. Rommel, Geschichte
VI, S. 72-83.
78 Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 25.
79 In der Kasseler Hofkirche wurde 1600 das Abendmahl
erstmals nach reformiertem Ritus gefeiert, Hofsom-
mer, Verbesserungspunkte, S. 19f.

80 Landgraf Moritz forderte Greiff und Zindel zu Rechtfer-
tigungsschriften auf. Ihr Inhalt ist paraphrasiert bei
Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 27f.; vgl. Rit-
ter, Konfession, S. 195-208.
81 Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 31f.
82 Ebd., S. 25, 32, 91; Heldmann, Diözese, S. 134.
83 Die Gründe für diese Zurückhaltung schildert Wolf,
Einführung, S. 73-97. Vgl. Menk, Moritz und die Rolle
Marburgs, S. 48.
84 Moritz nahm lediglich kleine Eingriffe in die bestehen-
den kirchlichen Verhältnisse vor, indem er 1598 in der
Kasseler Stadtschule und 1601 auch in Lichtenau den

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