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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0057
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Einleitung

über dessen Verfügung hinweg, indem er im folgenden Jahr offensiv mit seiner „Religionsverbesserung“
begann.85 Im Laufe des Jahres 1605 ließ Moritz den in drei Punkten86 komprimierten Konfessionswechsel in
seinem Landesteil verbreiten.87 Wilhelm Dilich berichtete in seiner Chronik:
In folgendem [1]605. jar hat L. Moritz etc. in seinen angefallene[n] erblanden des Oberfürstenthumbs drey
Religionspuncten in besserung zu richten und mit den kirchen im Niderfürstenthumb, graf- und herschaften zu
confirmiren und zu vereinigen vorgenommen, alß I. daß die gefährliche und unerbauliche disputationes de per-
sona Christi ingezogen und von der allenthalbenheit Christi und was deren anhengig in concreto und nicht
abstracto geleret, II. daß die zehen Gebott Gottes, wie sie der Herr selbsten geredt, mit seinen eignen fingern auff
die steinern tafeln und von Mose in der Bibel geschrieben, vollkömlich geleret un[d[ gelernet, auch die noch von
Babsthumb uberbliebene bilder abgethan, und dass zum III. in der administration und gebrauch des h. abend-
mals das gesegnete brot nach der insatzung des Herren gebraucht und gebrochen werden sollen.88
Im ersten Punkt wurde also ein Ende der christologischen Streitigkeiten bzw. die Ablehnung der luthe-
rischen Ubiquitätslehre gefordert. Der zweite Punkt suchte die Zehn Gebote nach dem biblischen Wortlaut,
also einschließlich des Bilderverbots, zu lehren. Obwohl Landgraf Philipp I. bereits 1527 Anweisungen
gegeben hatte, die Bildwerke aus den Kirchen zu entfernen,89 waren keine umfangreichen Maßnahmen
ergriffen worden, so dass 1605 noch viele Bildtafeln und Skulpturen vorhanden waren.90
Der dritte Punkt drang auf das Brotbrechen beim Abendmahl anstelle der bis dahin verwendeten
Hostien. Diese Praxis entsprach dem Wortlaut der Bibel, gleichzeitig wollte man die römische Transsub-
stantiationslehre und Luthers Vorstellung von der leiblichen Gegenwart Christi in Brot und Wein erset-
zen.91 Moritz’ Abendmahlsverständnis basierte auf dem Nassauischen Bekenntnis, einer von Christoph
Pezel verfassten Bekenntnisschrift der Dillenburger Synode von 1578, die ihre Abendmahlsauffassung aus-
drücklich in die Tradition der Confessio Augustana stellte.92
Landgraf Moritz verstand das Augsburgische Bekenntnis als Grundlage seiner Verbesserungspunkte. Er
wollte nichts gänzlich Neues schaffen, sondern das Kirchenwesen strikter handhaben und die Reformation
auf diese Weise vollenden.93 Moritz ging es erklärtermaßen um die „Verbesserung“ der Hessischen Refor-

Dekalog mit dem Bilderverbot vortragen ließ Heppe,
Einführung, S. 6; Hofsommer, Verbesserungspunkte,
S. 16f., 20; Vilmar, Geschichte, S. 167; Maurer,
Katechismus, S. 12; Ritter, Konfession, S. 176
Anm. 127.
85 Arnold, Reform, S. 65; Hofsommer, Verbesserungs-
punkte, S. 33; Menk, Zweite Reformation, S. 163; ders.,
Konfessionspolitik, S. 104, 108; ders., Absolutistisches
Wollen, S. 182; Ritter, Konfession, S. 174f.; Ruders-
dorf, Ludwig IV., S. 251-257.
86 Die Zählung der Verbesserungspunkte variiert auch in
den Akten. Der zweite Punkt wurde mehrfach in seine
beiden Inhalte (Dekalog und Bilderverbot) unterteilt,
woraus sich die Zählung von vier Punkten ergab, Vil-
mar, Geschichte, S. 170 Anm. 1; Hofsommer, Verbes-
serungspunkte, S. 8 Anm. 1; Heppe, Einführung, S. 15
Anm. *; Maurer, Bekenntnisstand, S. 50 Anm. 65.
87 Zur Überlieferung und zum Datum der Einführung siehe
Ritter, Konfession, S. 213 Anm. 205: „Es existieren
verschiedene Mandate, in denen die Einführung der Ver-
besserungspunkte angeordnet wurde. Hofsommer, Ver-
besserungspunkte, S. 8, bezog sich auf einen Erlass des
Landgrafen vom 21.06.1605, der sich im StA Marburg
innerhalb der damals noch nicht neu geordneten Mar-
burger Kirchenakten befand. Nach Rommel, Geschichte
VI, S. 562, wurden die Verbesserungspunkte am
18.06.1605 proponiert und von Moritz erst im Dezember

1605 per Edikt erlassen. Das in HLO [= Klein-
schmidt, Sammlung] II, Nr. 94, S. 553f. abgedruckte
Edikt zur Einführung der Verbesserungspunkte datiert
vom 27.12.1605. Nach AEKiR Boppard, Stiftsarchiv
St. Goar, A 6, S. 385f. wurden die Verbesserungspunkte
in der Niedergrafschaft [=Katzenelnbogen] per Dekret
vom 05.10.1605 erlassen“. Vgl. auch Arnold, Reform,
S. 67 Anm. 30; Menk, Zweite Reformation, S. 173;
ders., Konfessionspolitik, S. 109; ders. Absolutistisches
Wollen, S. 185; Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 8
Anm. 1. Wischhöfer, Kirche als Ort, S. 224 erwähnt,
dass in Kassel bereits im Februar 1605 eine Befragung
der Bürgerschaft zu den Verbesserungspunkten durch-
geführt worden sein soll.
88 Dilich, Chronica, S. 353.
89 Kleinschmidt, Sammlung II, S. 552f.
90 Arnold, Reform, S. 69; Hofsommer, Verbesserungs-
punkte, S. 17; Griewank, Verbesserungswerk, S. 53;
ders., Verbesserungspunkte, S. 10; Kümmel, Skizze,
S. 187-199; Wischhöfer, Kirche als Ort, S. 228.
91 Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 17; Griewank,
Verbesserungspunkte, S. 10, 13.
92 Abdruck des Nassauischen Bekenntnisses in BSRK
S. 720, 723-725 und Sehling, EKO X. Vgl. Ritter,
Konfession, S. 181f.
93 Ritter, Konfession, S. 176; vgl. Goeters, Genesis,
S. 58; Rudersdorf, Hessen, S. 282.

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