Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618
mationsordnung von 1572 und der Agende von 1574, er wollte die innerevangelischen Gegensätze durch die
Rückbesinnung auf den biblischen Wortlaut überbrücken.94 Ob er tatsächlich vom Erfolg dieses Ansatzes
überzeugt war, erscheint fraglich. Moritz suchte vor allem aus politischen Gründen Anschluss an die cal-
vinistischen Strömungen in der Kurpfalz, in Nassau, Hanau-Münzenberg, Ysenburg-Büdingen und den
Niederlanden.95
Im Sommer 1605 hatten die Superintendenten den Pfarrern ihrer Sprengel die Verbesserungspunkte
übermittelt.96 Da die Neuerungen in zahlreichen Gemeinden auf Widerstand stießen,97 berief Moritz im
Dezember 1605 sämtliche Superintendenten und Landvögte nach Kassel zu einem Konvent, um die
Situation zu beraten. Als Ergebnis der Synode erließ er ein Mandat (Nr. 5), in dem er die drei Verbesse-
rungspunkte noch einmal nannte und erläuterte. Das Mandat war für die Superintendenten gedacht, die
sich hiermit gegenüber den Pfarrern und Gemeinden ihrer Sprengel auf die landesherrliche Anordnung
berufen und die Umsetzung der Verbesserungpunkte mit größerem Nachdruck anweisen sollten.98
Während die Neuerungen in der Residenzstadt und der Superintendentur Kassel reibungslos eingeführt
wurden,99 stießen sie trotz Bekräftigung durch das Mandat vielerorts auf erbitterten Widerstand, vor allem
in Marburg, Hersfeld, Schmalkalden und in Eschwege.100
6. Mandat für die Superintendenten zur Provinzialsynode 17. Januar 1607 (Text S. 71)
Bisher hatte Landgraf Moritz seine Kirchenreform nur kraft seiner landesfürstlichen Suprematie und seines
ius episcopale, auf das er sich explizit berief, eingeführt. Bedrängt vom anhaltenden Widerstand gegen den
Konfessionswechsel, bemühte er sich Anfang 1607 darum, die Reformen auch verfassungsrechtlich zu ver-
ankern. Die kirchliche Verfassungsgewalt der hessischen Kirche war traditionell die Generalsynode, die
zwischen 1568 und 1582 jährlich getagt hatte.101 Dieses Organ wollte Moritz nun wiederbeleben, wofür er
zunächst Provinzialsynoden einberief.102
Der Landgraf wies also die Superintendenten von Kassel, Eschwege, Marburg und Rheinfels/St. Goar
an, sich am 17. Februar mit den Pfarrern ihrer Sprengel zu versammeln, um sich über Predigten, Austeilung
des Abendmahls, Bettage, Katechismusunterricht u. a. auszutauschen und die Zeremonien in sämtlichen
Kirchen des Landes zu vereinheitlichen.103 Die politischen Räte, die ebenfalls zu den Partikularsynoden
geladen waren, erhielten weitgehend gleichlautende Anweisungen wie die vier Superintendenten. Ein Schrei-
ben vom 21. Januar 1607 für die Synode in Marburg ist an die beiden Räte Rudolf Wilhelm Rau von
Holzhausen und Dr. Hermann Vultejus gerichtet.104 Als Ergebnis der Partikularsynoden,105 die auf das
94 Arnold, Reform, S. 66; vgl. Hofsommer, Verbesse-
rungspunkte, S. 14.
95 Zeller, Irenik, S. 98; Griewank, Verbesserungswerk,
S. 50f.; ders., Verbesserungspunkte, S. 11f.
96 Ein spezielles Einführungsmandat scheint es nicht gege-
ben zu haben, siehe oben, Anm. 87.
97 Die Verbesserungspunkte riefen ein großes publizisti-
sches Echo hervor. Die Schriften, die zwischen 1605 und
1647 hierzu entstanden, verzeichnet Vilmar, Ge-
schichte, S. 306-335 Beilage V. Vgl. zur theologischen
Polemik auch Griewank, Verbesserungswerk, S. 55-57;
Menk, Moritz und die Rolle Marburgs, S. 51f.; ders.,
Zweite Reformation, S. 169. Der Widerstand gegen die
Verbesserungspunkte gehört zu den sehr gut erforschten
Aspekten der mauritanischen Reform, siehe Menk,
Moritz und die Rolle Marburgs, S. 48-57; Hocke, Auf-
ruhr, S. 25-28; Holzapfel, Kampf, S. 17-23; Lang-
schied/Unglaube, Von gebrochenem Brot, S. 29-65.
98 Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 98.
99 Arnold, Reform, S. 74; Hofsommer, Verbesserungs-
punkte, S. 81.
100 Arnold, Reform, S. 70; Trossbach, Moritz, S. 141-
151; Hocke, Aufruhr, S. 25-28.
101 Menk, Absolutistisches Wollen, S. 199f.; Hofsommer,
Verbesserungspunkte, S. 165.
102 Heppe, Einführung, S. 55; Menk, Zweite Reformation,
S. 176.
103 Heppe, Einführung, S. 55f.; vgl. Hofsommer, Verbes-
serungspunkte, S. 167.
104 Dieses Schriftstück ist im textkritischen Apparat unse-
rer Edition dokumentiert. Drei Konzepte der Ausschrei-
ben vom 18. Januar 1607 finden sich auch in StaatsA
Marburg, Best. 17 I Nr. 5131.
105 Die Synodalabschiede sind überliefert in StaatsA Mar-
burg, Best. 17 I Nr. 5131. Zur Kasseler Synode siehe
Heppe, Einführung, S. 56-58; Hofsommer, Verbesse-
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mationsordnung von 1572 und der Agende von 1574, er wollte die innerevangelischen Gegensätze durch die
Rückbesinnung auf den biblischen Wortlaut überbrücken.94 Ob er tatsächlich vom Erfolg dieses Ansatzes
überzeugt war, erscheint fraglich. Moritz suchte vor allem aus politischen Gründen Anschluss an die cal-
vinistischen Strömungen in der Kurpfalz, in Nassau, Hanau-Münzenberg, Ysenburg-Büdingen und den
Niederlanden.95
Im Sommer 1605 hatten die Superintendenten den Pfarrern ihrer Sprengel die Verbesserungspunkte
übermittelt.96 Da die Neuerungen in zahlreichen Gemeinden auf Widerstand stießen,97 berief Moritz im
Dezember 1605 sämtliche Superintendenten und Landvögte nach Kassel zu einem Konvent, um die
Situation zu beraten. Als Ergebnis der Synode erließ er ein Mandat (Nr. 5), in dem er die drei Verbesse-
rungspunkte noch einmal nannte und erläuterte. Das Mandat war für die Superintendenten gedacht, die
sich hiermit gegenüber den Pfarrern und Gemeinden ihrer Sprengel auf die landesherrliche Anordnung
berufen und die Umsetzung der Verbesserungpunkte mit größerem Nachdruck anweisen sollten.98
Während die Neuerungen in der Residenzstadt und der Superintendentur Kassel reibungslos eingeführt
wurden,99 stießen sie trotz Bekräftigung durch das Mandat vielerorts auf erbitterten Widerstand, vor allem
in Marburg, Hersfeld, Schmalkalden und in Eschwege.100
6. Mandat für die Superintendenten zur Provinzialsynode 17. Januar 1607 (Text S. 71)
Bisher hatte Landgraf Moritz seine Kirchenreform nur kraft seiner landesfürstlichen Suprematie und seines
ius episcopale, auf das er sich explizit berief, eingeführt. Bedrängt vom anhaltenden Widerstand gegen den
Konfessionswechsel, bemühte er sich Anfang 1607 darum, die Reformen auch verfassungsrechtlich zu ver-
ankern. Die kirchliche Verfassungsgewalt der hessischen Kirche war traditionell die Generalsynode, die
zwischen 1568 und 1582 jährlich getagt hatte.101 Dieses Organ wollte Moritz nun wiederbeleben, wofür er
zunächst Provinzialsynoden einberief.102
Der Landgraf wies also die Superintendenten von Kassel, Eschwege, Marburg und Rheinfels/St. Goar
an, sich am 17. Februar mit den Pfarrern ihrer Sprengel zu versammeln, um sich über Predigten, Austeilung
des Abendmahls, Bettage, Katechismusunterricht u. a. auszutauschen und die Zeremonien in sämtlichen
Kirchen des Landes zu vereinheitlichen.103 Die politischen Räte, die ebenfalls zu den Partikularsynoden
geladen waren, erhielten weitgehend gleichlautende Anweisungen wie die vier Superintendenten. Ein Schrei-
ben vom 21. Januar 1607 für die Synode in Marburg ist an die beiden Räte Rudolf Wilhelm Rau von
Holzhausen und Dr. Hermann Vultejus gerichtet.104 Als Ergebnis der Partikularsynoden,105 die auf das
94 Arnold, Reform, S. 66; vgl. Hofsommer, Verbesse-
rungspunkte, S. 14.
95 Zeller, Irenik, S. 98; Griewank, Verbesserungswerk,
S. 50f.; ders., Verbesserungspunkte, S. 11f.
96 Ein spezielles Einführungsmandat scheint es nicht gege-
ben zu haben, siehe oben, Anm. 87.
97 Die Verbesserungspunkte riefen ein großes publizisti-
sches Echo hervor. Die Schriften, die zwischen 1605 und
1647 hierzu entstanden, verzeichnet Vilmar, Ge-
schichte, S. 306-335 Beilage V. Vgl. zur theologischen
Polemik auch Griewank, Verbesserungswerk, S. 55-57;
Menk, Moritz und die Rolle Marburgs, S. 51f.; ders.,
Zweite Reformation, S. 169. Der Widerstand gegen die
Verbesserungspunkte gehört zu den sehr gut erforschten
Aspekten der mauritanischen Reform, siehe Menk,
Moritz und die Rolle Marburgs, S. 48-57; Hocke, Auf-
ruhr, S. 25-28; Holzapfel, Kampf, S. 17-23; Lang-
schied/Unglaube, Von gebrochenem Brot, S. 29-65.
98 Hofsommer, Verbesserungspunkte, S. 98.
99 Arnold, Reform, S. 74; Hofsommer, Verbesserungs-
punkte, S. 81.
100 Arnold, Reform, S. 70; Trossbach, Moritz, S. 141-
151; Hocke, Aufruhr, S. 25-28.
101 Menk, Absolutistisches Wollen, S. 199f.; Hofsommer,
Verbesserungspunkte, S. 165.
102 Heppe, Einführung, S. 55; Menk, Zweite Reformation,
S. 176.
103 Heppe, Einführung, S. 55f.; vgl. Hofsommer, Verbes-
serungspunkte, S. 167.
104 Dieses Schriftstück ist im textkritischen Apparat unse-
rer Edition dokumentiert. Drei Konzepte der Ausschrei-
ben vom 18. Januar 1607 finden sich auch in StaatsA
Marburg, Best. 17 I Nr. 5131.
105 Die Synodalabschiede sind überliefert in StaatsA Mar-
burg, Best. 17 I Nr. 5131. Zur Kasseler Synode siehe
Heppe, Einführung, S. 56-58; Hofsommer, Verbesse-
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