Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618
Neben dieser institutionellen Neustrukturierung seines Landes erließ Georg I. zahlreiche Ordnungen,
um seine Herrschaft zu konsolidieren.146 1575 veröffentlichte er eine „peinliche Gerichtsordnung“, 1577 eine
Vormundschaftsordnung, 1579 eine Verordnung gegen Kristallseher und Wahrsager, 1585 eine Judenord-
nung sowie 1587 eine Kanzleiordnung.147 Mit diesen einzelstaatlichen Verfügungen für Hessen-Darmstadt
hatte Georg I. die rechtliche und verwaltungsmäßige Abschichtung seines Landesteils von der Landgraf-
schaft vorangetrieben.
Den unter seinen Brüdern entstehenden konfessionellen Differenzen zwischen Ludwig IV. und Wil-
helm IV. als Anhängern Luthers und Calvins stand Georg I. zunächst passiv gegenüber. Er vermied jegliche
Stellungnahme, sondern versuchte, zwischen seinen Brüdern zu vermitteln.148 Durch den Einfluss des luthe-
rischen Theologen Johannes Angelus entschied sich Georg I. schließlich nach 1580 ebenfalls für das Luther-
tum und trat damit an die Seite Ludwigs IV. von Hessen-Marburg.149
12. Polizeiordnung [1574] (Text S. 139)
Zur Organisation seiner Landesverwaltung fasste Georg I. vermutlich bereits zu Beginn seiner Regierung
den Plan einer Landesordnung. Mit der Ausarbeitung wurde der Kanzler Johannes Kleinschmidt beauf-
tragt, der 1574 einen vierteiligen Entwurf vorlegte:150
a) „Christliche Policey-Ordnung“
b) „Von denen Contracten“
c) „Von Victualien, nothwendigen Handwerckern, Tagelöhnern und Dienstbotten“
d) „Landrecht der Obergrafschaft Katzenelnbogen“
Während die Ordnungen b) bis d) weltliche Belange regelten, interessiert hier die christliche Polizeiordnung
(a), in der die Kirchenzucht betont wurde.151 In der Vorrede ordnete Georg I. an, dass die hessische Refor-
mationsordnung, die 1572 gemeinsam von den Brüdern erlassen worden war, vierteljährlich nach dem
Sonntagsgottesdienst verlesen werden sollte. Da nicht jeder den Text der Ordnung besäße, sollte dieser neu
gedruckt und der Landesordnung angehängt werden. Im Abschnitt zu den Predigtgottesdiensten verfügte
der Landesherr, dass Anwesenheitslisten zu führen und die unentschuldigt Fehlenden zu bestrafen seien.
Ebenso wurde regelmäßiger Besuch der Katechismusunterweisung gefordert.
Doch nicht nur Georg I. versuchte sein Territorium mit einer Landesordnung zu festigen. Seine Brüder
arbeiteten zur gleichen Zeit an einem ähnlichen Regelwerk, das jedoch für alle Landesteile gelten
sollte.152 Solange dieses gesamthessische Unternehmen im Gang war, musste Georg I. seine partikularen
Bemühungen zurückstellen. 1589 wurde jedoch klar, dass die Samt-Landesordnung nicht zustande kommen
würde, und so sandte Georg I. am 1. Juli Kleinschmidts Entwurf zur Begutachtung an das Hofgericht in
Marburg. Dort verweigerte man jedoch die Anerkennung eines einzelstaatlichen Sonderrechts. Eine offi-
zielle Inkraftsetzung hat es also nicht gegeben; es gilt jedoch als sicher, dass Georgs I. vierteilige Landes-
ordnung seit Februar 1591 in der Obergrafschaft sowie im Amt Katzenelnbogen in Kraft war.153
Obwohl Georgs I. Landesordnung nicht die Abspaltung der Obergrafschaft vom Gesamtstaat inten-
dierte, trug dieses partikulare Recht doch zur Verselbständigung des Hessen-Darmstädter Landesteils
bei.154
146 Ebd., S. 112.
147 Ebd., S. 137, 148, 150f„ 155.
148 Ebd., S. 161.
149 Rudersdorf, Universitätsgründung, S. 65; Wal-
brach, Ludwig V„ S. 173.
150 Stobbe, Rechtsquellen II, S. 377; Weigt, Landrecht,
S. 1f.; Kellner, Landrecht, S. 134, 149. Zur Datierung
siehe Noack, Georg I„ S. 148 Anm. 227; Soldan,
Geschichte, S. 129.
151 Zum Inhalt der Polizeiordnung siehe auch Steiner,
Georg I„ S. 51-60; Heppe, Kirchengeschichte 1, S. 466.
152 Noack, Georg I„ S. 35 Anm. 68, S. 148.
153 Soldan, Geschichte, S. 130; Noack, Georg I., S. 149;
Weigt, Landrecht, S. 1.
154 Noack, Georg I., S. 150.
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Neben dieser institutionellen Neustrukturierung seines Landes erließ Georg I. zahlreiche Ordnungen,
um seine Herrschaft zu konsolidieren.146 1575 veröffentlichte er eine „peinliche Gerichtsordnung“, 1577 eine
Vormundschaftsordnung, 1579 eine Verordnung gegen Kristallseher und Wahrsager, 1585 eine Judenord-
nung sowie 1587 eine Kanzleiordnung.147 Mit diesen einzelstaatlichen Verfügungen für Hessen-Darmstadt
hatte Georg I. die rechtliche und verwaltungsmäßige Abschichtung seines Landesteils von der Landgraf-
schaft vorangetrieben.
Den unter seinen Brüdern entstehenden konfessionellen Differenzen zwischen Ludwig IV. und Wil-
helm IV. als Anhängern Luthers und Calvins stand Georg I. zunächst passiv gegenüber. Er vermied jegliche
Stellungnahme, sondern versuchte, zwischen seinen Brüdern zu vermitteln.148 Durch den Einfluss des luthe-
rischen Theologen Johannes Angelus entschied sich Georg I. schließlich nach 1580 ebenfalls für das Luther-
tum und trat damit an die Seite Ludwigs IV. von Hessen-Marburg.149
12. Polizeiordnung [1574] (Text S. 139)
Zur Organisation seiner Landesverwaltung fasste Georg I. vermutlich bereits zu Beginn seiner Regierung
den Plan einer Landesordnung. Mit der Ausarbeitung wurde der Kanzler Johannes Kleinschmidt beauf-
tragt, der 1574 einen vierteiligen Entwurf vorlegte:150
a) „Christliche Policey-Ordnung“
b) „Von denen Contracten“
c) „Von Victualien, nothwendigen Handwerckern, Tagelöhnern und Dienstbotten“
d) „Landrecht der Obergrafschaft Katzenelnbogen“
Während die Ordnungen b) bis d) weltliche Belange regelten, interessiert hier die christliche Polizeiordnung
(a), in der die Kirchenzucht betont wurde.151 In der Vorrede ordnete Georg I. an, dass die hessische Refor-
mationsordnung, die 1572 gemeinsam von den Brüdern erlassen worden war, vierteljährlich nach dem
Sonntagsgottesdienst verlesen werden sollte. Da nicht jeder den Text der Ordnung besäße, sollte dieser neu
gedruckt und der Landesordnung angehängt werden. Im Abschnitt zu den Predigtgottesdiensten verfügte
der Landesherr, dass Anwesenheitslisten zu führen und die unentschuldigt Fehlenden zu bestrafen seien.
Ebenso wurde regelmäßiger Besuch der Katechismusunterweisung gefordert.
Doch nicht nur Georg I. versuchte sein Territorium mit einer Landesordnung zu festigen. Seine Brüder
arbeiteten zur gleichen Zeit an einem ähnlichen Regelwerk, das jedoch für alle Landesteile gelten
sollte.152 Solange dieses gesamthessische Unternehmen im Gang war, musste Georg I. seine partikularen
Bemühungen zurückstellen. 1589 wurde jedoch klar, dass die Samt-Landesordnung nicht zustande kommen
würde, und so sandte Georg I. am 1. Juli Kleinschmidts Entwurf zur Begutachtung an das Hofgericht in
Marburg. Dort verweigerte man jedoch die Anerkennung eines einzelstaatlichen Sonderrechts. Eine offi-
zielle Inkraftsetzung hat es also nicht gegeben; es gilt jedoch als sicher, dass Georgs I. vierteilige Landes-
ordnung seit Februar 1591 in der Obergrafschaft sowie im Amt Katzenelnbogen in Kraft war.153
Obwohl Georgs I. Landesordnung nicht die Abspaltung der Obergrafschaft vom Gesamtstaat inten-
dierte, trug dieses partikulare Recht doch zur Verselbständigung des Hessen-Darmstädter Landesteils
bei.154
146 Ebd., S. 112.
147 Ebd., S. 137, 148, 150f„ 155.
148 Ebd., S. 161.
149 Rudersdorf, Universitätsgründung, S. 65; Wal-
brach, Ludwig V„ S. 173.
150 Stobbe, Rechtsquellen II, S. 377; Weigt, Landrecht,
S. 1f.; Kellner, Landrecht, S. 134, 149. Zur Datierung
siehe Noack, Georg I„ S. 148 Anm. 227; Soldan,
Geschichte, S. 129.
151 Zum Inhalt der Polizeiordnung siehe auch Steiner,
Georg I„ S. 51-60; Heppe, Kirchengeschichte 1, S. 466.
152 Noack, Georg I„ S. 35 Anm. 68, S. 148.
153 Soldan, Geschichte, S. 130; Noack, Georg I., S. 149;
Weigt, Landrecht, S. 1.
154 Noack, Georg I., S. 150.
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