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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0137
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8. Konsistoriumsordnung 1610

r-r Text von 1608, zu S. 112: Von den visitationibus:
In diesem gleich durchgehenden visitationswerck, welchem
jeder zeit zwen consistoriales, ein theologus und ein politicus
beyzuwohnen und vorzusein [haben], sollen erstlichen die
pfarrherrn in eines jeden superintendenten bezirck zusam-
men gefordert, nicht allein in der lehr, ob und wie sie in der-
selben beharren, nicht zuruck lernen, sondern wachsen und
zunemen, instituto colloquio gehöret und daß sie die studia
nicht hinweg legen, sich allein auff postillen begeben, son-
dern die bibel vleißig leßen und studiren, mit ernst vermah-
net und angehaltten werden, sondern es soll auch vleißige
inquisition geschehen, ob und wie sie ihr ampt treulich und
mit erbawung verrichten, auch mit untädlichem leben und
wandel führen; darauff die befundene mengel entweder als-
balt corrigirt oder ad plenam consistorii deliberationem sol-
len referiret und darinnen statuiret werden, wie ein jeder
pfarrer in seinem officio zu continuiren und geburlichen an-
zuhaltten sey.
Zum andern, die mengel bey den zuhörern belangt, soll den
pastoribus in illo conventu volgendes mittel proponirt und
daruber ihre meinung und ob sie noch etwas nutzlicher, sol-
chen mengeln abzuhelffen, zurathen wusten, gehört, auffge-
zeichnet und in acht genommen werden. [gestrichen: Vor-
schlag und mittel, wie der gemeine man zur erkentnis der
chr. religion zu bringen und darin zu erhaltten sey].
Anfangs nun muß ein algemeine gleich durchgehende verhör
aller zuhörer in der gemein (darin von dem grösten biß zu
dem geringsten die mans personen und denn volgends auch
die weibs personen, haußvetter und haußmutter) von den
bloßen funff hauptstucken christlicher religion, ob sie diesel-
bigen auch erzehlen unnd verstehen konnen (doch privatim
und einer nach dem andern mit aller sanfftmut zu verhoren),
angestelt und gehaltten werden.
Zum andern, nachdem aus diser verhor die obgedachten bei-
den mengel ohngezweiffelt bey dem großen theil werden
kundt werden, so soll man auff solche eingenommene erkun-
digung der mengell hernach der gantzen gemein in der kir-
chen mit christlichem eyffer und bescheidenheit furhaltten
und anzeigen, daß ein großer mangel sich bey den mehrer
theilen befinden werden, und aber solche grobe blindheit und
unwißenheit bey solchem hellen licht deß evangelii [vgl.
2Kor 4,4] eine große schande, sunde und solcher mangel ist,
das in solcher blindheit niemand sich deß wahren glaubens
noch des christlichen titels mit warheit rhumen, ja niemand
Gott recht erkennen, anruffen, ehren noch seelig werden kan,
so verstehe und merke ein jeder, daß ihne bey seiner ewigen
seeligkeit zum höchsten daran gelegen, das ihme aus solcher
blindheit und unwißenheit zum erkantnis und verstand der
funff hauptstucken als des fundaments unsers christen-
thumbs geholffen werde, derowegen soll er von hertzen girig
sein, die mittel, dardurch ihm geholffen, in aller gehorsamb-
keit an die hand zu nehmen.
Diese mittel aber sind zweyerley. Das erste mittel, dadurch
ein jeder die fünff hauptstuck kan erzehlen lernen, ist, daß er
den pfarrer, so alle sontag die funff hauptstuck in der kirchen
deutlich und verstendlich der gantzen gemein fursagen und
mit den kindern wiederholen wird, vleißig höre. Da er aber
solches dadurch nicht faßen kan, ihme die 5 hauptstuck da-
heimen durch seine kinder oder aber durch den opfferman
und pfarrer fursagen und leßen laßen.
Das ander mittel, dardurch ein jeder die funff hauptstuck

nicht nur bloß erzehlen, sondern auch verstehen und diesel-
bigen zu seiner erbawung, zu trost und gottseeligkeit gebrau-
chen moge, ist dißes, daß ein jeder pfarrer sontags nach mit-
tage an stat der gewonlichen predigt die 5 hauptstuck alle-
zeit erstlichen gantz nacheinander mit deutlicher stimme der
gemeine furleße, darauff in einer predigt ein hauptstuck gar
kurtz und einfeltig erklere. Und damit die leute daßelbe in
einem exempel oder histori desto baß faßen und behaltten
moge[n], sollen darzu eine histori und text aus der bibel, da-
rin daßelbe hauptstuck fundirt ist, vorleßen und kurtzlich,
ohne einfuhrung anderer spruche, erkleren. Als wann er das
erste hauptstuck, die zehen gebot, erkleren will, soll er darzu
das neunzehende und zwantzigste cap. exodi ableßen und
daraus zeigen, erstlich, wer die zehen gebot gegeben hat,
nemlich Gott, zum andern, mit was ernst, majestet und her-
ligkeit die zehen gebot gegeben, zum dritten, wie sie lautten,
zum viertten, wie wir an dieselben wort verbunden, zum
funfften, zu welchem ende und nutz sie gegeben seind und
wie ein mensch durch erzehlung der zehen gebot seine sünde
erkennen und hinfuro nach den zehen gebotten gotseelig zu
leben lernen soll. Auß diesen kan ein jeder die zehen gebot
balt verstehen und leichtlich behaltten. Gleicher gestalt kan
und soll es mit den andern hauptstucken gehaltten werden.
Wann nun dieße hauptstucke also in 5 wochen einmahl und
in 10 wochen 2 mal der gemeine furgehaltten werden, so soll
den die ander verhor eben wie die erste repetirt und darinnen
vernommen werden, wie sich ein jeglicher gebeßert. Welche
den woll bestehen, sollen aus dem register der ignoranten
außgethan und nicht ferner zur verhorung gefordert, sondern
allein zur vleißigen ubung derselben wie auch besuchung der
kinderlehr angemahnet werden. Bey den andern aber soll ein
jeder pfarrer mit zuziehung der senioren anhaltten, biß sie
auch zum verstand ihres glaubens kommen, doch soll hierinn
mit den albern [= einfältigen], gare alten unnd ubelhorigen
ein unterscheid gehaltten und gedult mit ihnen gehabt wer-
den. Damit dißem also treulich und christlich nachgelebt
werde, so sollen unsere beampten und burgermeister keinen
zum burger oder einwohner ehe auff- und annehmen, er brin-
ge dan zuvor von den pfarrern ein zeugnis, das er die
5 hauptstucke christlicher religion zu erzehlen und seines
glaubens rechenschafft zu geben wiße. So sollen auch die
pfarrern die newen eheleute nicht eher außruffen, viel wei-
niger copuliren und einsegnen noch jemand zu gevatter ste-
hen laßen, es sey dan gewiß, das sie obgemelte 5 hauptstuck
recht können. Wenn nun der anfang solcher unterweisung in
den hauptstetten und, da der convent oder synodus ange-
stelt, von den visitatoribus mit rhat des synodi also gemacht,
so soll nach demselben exempel ein jeder pfarrer mit hülffe
des superintendenten in den stetten und des decani in dörf-
fern eben diß in seiner kirch und gemeine mit allem vleiß und
anruffung Gottes anstellen und verrichten und deßwegen
dem consistorio bericht thun und darbey, wo mangel furfiele,
sich bescheid erholen. Wann nun der arme, gemeine man das
fundament seines christenthumbs also gefaßet und verstehet,
so kan er mit dest großerm verstand und nutz die predigten
horen und konnen als dan die pfarrern die 5 hauptstuck in
ihren predigten etwan außfurlicher erkleren, auff das das
wort Gottes reichlich unter uns wohnen [Kol 3,16; vgl.
Mk 4,13-20] und frucht bringe zur ehre und außbreitung des
nahmens Gottes.

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