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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0138
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Hessen-Kassel

Endlichen und furs dritte, so haben die visitatores uber die-
ses sich zuerkunden, wie es mit den kirchen-, kasten-, hos-
pital- und pfargutern beschaffen und ob es darmit allerseits
nach unser kirchenordnung [Reformationsordnung von 1572,
Sehling, EKO VIII, S. 398] gehaltten werde. Darmit denn
diese christliche und gotselige anordnung im schwang und
ubung erhaltten und nicht in abgang komme, sollen die su-
perintendenten in ihrem ampt laut der kirchenordnung hal-
ten und zusehen, das dieser anordnung gemeß gelebt werde.
Zudem sollen alle unnd jede metropolitani auff die pfarren in
ihrer praefectura gute inspection und auffsehen unnd jerlich
zum weinigsten mit ihnen vier conventus classicos haltten, in
welchen jedes mals erstlich eine predigt von einem pfarherrn
uffm landt praesentibus reliquis pastoribus, 2. darauff eine
censur von gehalttener predigt und colloquia de aliquo doc-
trinae christianae capite, 3. eine censura vitae et morum tum
ipsorum pastorum tum auditorum geschehen soll. Da dann
etwa ein mangell entweders an einem pfarrherrn oder der
gemeine angezeiget wurde, so soll der metropolitanus sich an
denselbigen ortt und kirchen verfügen, den mangel mit meh-
rerm erkundigen und wo müglich verbeßern oder, da es die
wichtigkeit erfordertt, an daß consistorium berichten.
Darmit auch die selige erkantnus der wahren religion inn die
liebe jugend gebracht, erhaltten und uff die nachkommen
gepflantzet werde, so sollen die kinder, beits, knaben und
megtlein, nicht allein, wann sie zum ersten mahl zum
h. nachtmal gelaßen und confirmirt werden, zuvor ihr be-
kantnis nach allen fünff hautpstucken christlicher lehr dem
pfarherrn thun, sondern sie sollen auch dieselbe jahr ihre be-
kantnis zu mehrer und fernerer behaltnis alzeit ein halb jar
nach der confirmation fur dem pfarherrn wiederholen und
darauff zum andern mahl communiciren; deßgleichen, wan
und so offt sie zur gevatterschafft ersucht und gebetten, sol-
len sie nicht ehe zugelaßen werden, sie haben den fur ihrem
pfarhern ihr bekantnis und rechenschafft der hoffnung, so in
ihnen ist, wiederumb gethan [1Petr 3,15], wie dan in glei-
chem sie ferners thun sollen, wen sie sich verehlichen wollen.
Und soll der pfarherr keine, sie seyen auch, wer sie wollen,
aufferkundigen [= dreimalig von der Kanzel aufbieten] noch
copuliren [= einsegnen], sie haben dann dieser unser gotsee-
liger ordnung gehorsamblich sich unterworffen. Auff daß
aber die leute und zuhörer solcher ordnung sich bequem und
dem ministerio geburlichen gehorsam leisten, auch des son-
tags die predigten und ubung des catechismi [Katechismus
von 1607, oben, Nr. 7c] nicht verseumen und sich deß auß-
pleibens und sonsten des uppigen [= leichtfertigen] tantzen
auff dem lande unndt leichtfertigen lebens und wesens ent-
haltten, sollen unsere beamptten allenthalben den pfarrherrn
uff ersuchung unnachleßig die hand bieten und die ubertret-
ter straffen.
Von den ordnung der eltesten und kirchen disciplin
Dieweil zu erlangung des obgesetzten zwecks und erlangung
der wahren gottseeligkeit in unnd bey den gemeinen die kir-
chendisciplin und -zucht auch zum hochsten von nöthen,
dieselbe aber dem pfarrern nicht allein zu schwer, sondern
auch wegen allerhand privat affecten und respecten, die sich
bey solcher disciplin ereugen möchten, verdechtig sein kont-
ten, so sollen ihnen, wie dem in unser hochgeertten herrn
vatters gottseeligen andenckens vor diesen außgegangen kir-
chenordnung, so wir hiemit erwiedern [= wiederholen], wol

versehen und verordnet, in allen und jeden christlichen ge-
meinen unserer lande stette, flecken undt dorffern, ohne
oder mitt mittel uns zugethan und uns unterworffen, nach
große, gelegen- oder beschaffenheit und notturfft derselben
eine gewiße anzahl aus den eltisten, frommer, redlicher und
gottseeliger leutt, so ob dem wortt Gottes christlichen glau-
ben und deßen wahren fruchten mit ernstlicher, christlicher
liebe eyffern und selbest auch eines auffrichtigen, erbarn
unnd unstrefflichen wandels und lebens jederzeit geweßen,
von eines jeden ortts pfarherrn mit zuziehung seiner collegen
und mitdienern am wortt erwehlet und angeordnet und, das
es allenthalben also zu werck gerichtet werde, ein jeder su-
perintendent in seinem bezirck und deßen anbefohlenen kir-
chen mit vleiß verschaffen soll, welche angeloben zu sagen
und schuldig sein sollen, ohne einiges ansehen der personen
nicht allein ins gemein alle und jede in ihrer gemeinde of-
fenbarlich begangene oder sonst kunt- und ruchtbar ge-
machte gottslesterlichen oder in ander wege unheimlichen
reden, irthumb, handel, laster und ergernus, sondern was
sich deßen an ihren nechst geseßenen nachbarn und deren
haußhaltung halben, da sie dieselbe Gottes wort und willen
zu wieder und den haußgenoßen zum ergerniß fuhren wur-
den, ergerlichs oder straffwurdiges vernehmen, zu sampt de-
ßen gewißen und satsamen grund, deßen sie sich durch vlei-
ßiges nachforschen zu vorderst zu erkunden, zu jeden 8 oder
14 tagen in gemeiner versamblung des predigampts und ih-
rer, der eltesten, anzuzeigen und waß zu vorkommung und
beßerung deßen furzunehmen, zu berhatschlagen und zu
schlißen, auch darauff furderlichst zu werck zu richten und
zu effectuiren und in dem gleich woll gemeiniglich dahin se-
hen, daß der straffwirdige von seiner unchristlichen mei-
nung, reden oder irthumb in der lehr des worts Gottes oder
ceremonien oder waß er sonst in leben oder wandel erger-
lichs verbrochen, abzustehen, durch den pfarherrn fur das
erste, andere oder mehrmahlen allein bruderlich abgemahnet
und, wan er deß gestendig oder uberzeugt, aber sich daran
nicht kehren noch dem volgen wird, ein solches alsdan den
andern kirchendienern, ob deren vorhanden, und samptli-
chen eltesten angezeigt und der straffellige nachmals christ-
und ernstlich erinnert und vermahnet.
Wen aber auch ein solche vermahnung noch nicht fruchten
solte, daßelbige alles mit allem umbstentlichen bericht alles
verlauff an des ortts superintendenten unverseumblich [ver-
schrieben: verseumblich] bracht, der inmittelst den ungehor-
samen zu dem gebrauch der heiligen sacramenten, ob ers in
beharrender unbußfertigkeit begerete, biß uff fernern be-
scheid nicht zulaßen befehlen soll und von demselben fort-
than an diß unser consistorium verschrieben werden, daß
den verbrechern darauff den nehesten gleichfals furkommen
laßen, daruber hören, abermals erinnerlich vermahnen und
nach befindung seiner halstarigkeit entweder ihm mit ver-
bietung des gebrauchs der heiligen sacramenten oder auch,
wie hievon weiter hernach verordnung beschehen wird, gar
aus der christlichen gemein und von Gott selbest durch
rechtlich erkentnis und bescheyd außschließen, excommu-
niciren und in den kirchenban ercleren; ein solches ihr ver-
bott oder außschließungurtheil und banserclerung auch sei-
nen ordentlichen pfarherrn, andern zur abscheuw, offentlich
von der cantzel abzuleßen, zuschreiben und befehlen soll,
alles biß zu ides verbrechers befundener wahrer rewe, buß
und bekehrlicher beßerung.

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