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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0143
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9. Eheordnung 1608

vorhanden, insonderheit aber darunter keine ge-
fehrde3 oder andere verhindernußen an freiwilligem
consens gebraucht und furgangen und der beclagte
theil elterlichen gewalts vorhin erlassen, so soll, da
die sach zu gerichtlicher außubung gelangt und das
clagendt theil keinen disfalß zu recht erforderten
volnkommenen beweiß haben konte, denjenigen, so
volnziehung der ehe suchett, zu dem iuramento
suppletorio in fellen, da daßselbig sonst pro matri-
monio von gemeiner rechte wegen billich statthaben
kan, zuverstatten unverbotten sein, oder auch, da
noch nichts erwiesen were noch auch erwiesen wer-
den mochte und der beclagte theil dem clagern iu-
ramentum litis decisorium pro contracto inter ipsos
matrimonio deferirte, alß dan in obgesetztem fall,
wan nemlich keine sondere ungleichheit noch gefär-
de oder dergleichen sich befunde, der clagende theil,
so er will und guttes nahmens, auch also gethan ist,
das er ohne verdacht und argwon und man kein
rechtmeßige ursach hatt, des meineydts von ime
sich zubefahren, darzu gelaßen und auff erstatteten
eydt solche ehe zuvolnziehen aufferlegt werden.
Wofern aber der beclagte theil in vorbesagtem fall
noch minnerjärig undt zugleich elterlichem gewaltt
unterworffen und beide theil zwar der ehelichen ver-
sprechnus einander gestendig, | des beclagten theils
vatter aber oder, da der nicht mehr in leben, deßel-
ben mutter oder andere seine noch lebende eltern
sich eine solche ehe nichtt wolten gefallen laßen, so
soll zwar zuforderst, bevorab, da keine merckliche
ungleicheit in ankunfft4, standt, wandel und nah-
rung noch einige andere erheblich oder verhinderli-
che ursach der verwidderung5 vorhanden, umb ein-
willigung beider theill nochmals, einander ehelich zu
versprechen und darbei, was sich geburt zu thuen,
mit den eltern gehandlet und mit vleis versuchtt
werden, das die verehelichung und deroselben voln-
ziehung ertheidiget6 und erhalten werde. Wo aber
nichts bei den eltern zu erhalten sein wirdt, so soll
derselbig beclagte theil solcher berumpten heimli-
chen eheverlöbnus halben den clägern unverbunden
sein, sondern eine solche ohne der eltern vorwissen
3 Hinterlist, böse Absicht.
4 Herkunft.

und ohne zuvor erlangte bewilligung furgangne ver-
spruchnus vor beiderseits unverbindtlich und nich-
tig erclert werden.
Dan wir in sonderheit aller undt jeder minnerjarigen
und vätter- oder elterlichen gewalts unerlaßener,
sondern derselben noch unterworffener personen
heimliche eheverlobnuß, das ist, so ohne vorgehende
ehrliche werbungen an dero eltern, als recht, auch
ein loblich gewohnheit und herkommen ist, zuge-
schehen und ohne derselben rath, vorwißen und be-
willigung erpracticiret und erhandlet werden, hier-
mitt allerdings verbotten haben und in diesen per-
sonen anderst nichtt, dan wan sie ehrlich uff vorge-
hende geburliche, erbare werbung mitt guttem wi-
ßen und bewilligung gedachter noch minnerjärigen
personen eltern ertheidigett und beschloßen sindt,
keines wegs gestatten, sondern, da uber dis unser
verbott, dergleichen nach publication dieser unser
ordnung vorgenommen und gestanden oder sonst
beybracht wurde, sollen alsdan beide theil umb sol-
cher irer leichtfertigkeit und ungehorsambs willen
zum wenigsten mitt | der thurnstraff acht tage lang
belegtt und solche zeitt uber mitt waßer und brott
gespeisett oder auch herter nach gestaltt des ver-
brechens unnachleßig gestrafft und ein solches un-
sern beampten von unserm consistorio bevolen wer-
den, die dem auch zu gehorsamen schuldig sein sol-
len.
Wan aber die contrahirende personen nicht minder-
järig, sondern volstendigen alters und uber 25 oder
mehr jahr, aber doch noch beide oder deren eine in
der eltern gewaltt wehren, in solchem fall soll die
ehe weniger nicht dan auch in nehest vorgehendem
fall ohne vorgehende geburliche werbung und ehr-
erbietige ersuchung der eltern umb rath, consens
und bewilligung und ohne erlangung derselben wider
dero eltern willen verbundtlich nicht versprochen
noch davor, wan die eltern zu einwilligung nicht zu-
behandlen sindt, gehalten und anderst nichtt dan
ehrlich und also, wie vorstehet, ahngefangen wer-
den, sondern ebenmeßig durchaus bei der straffe, als
5 Verweigerung.
6 Verhandelt, ausgehandelt.

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