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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0145
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9. Eheordnung 1608

und -zuhalten seien, darnach unser consistorium
dißfals der ehe halben sprechen, sonst aber irer er-
gerlichen ubertrettung halber beneben der kirchen-
bues zur thurnstraff, damit sie eine anzahl von 4 bis
uff 6 oder 7 wochen nach leidt- oder unleidtlichkeitt
der zeitte | und witterung unnachleßlich zubelegen
und einer namhafften, zimlichen gelttbues nach ver-
mögen der partheien, was zuendtrichten, so beides
zu deßselben ermessen nach befundenen dingen ge-
steltt wirdt, heimweisen soll, welche bestraffung
aber doch in dem fall, da der ehelich, erbar und of-
fentlich ertheidiget und angefangen und junge leutt
zur fleischlichen vermischung vor irem hochzeitli-
chen ehrentag ire unordenliche begirden sich haben
verfuren laßen, nicht gezogen, sondern desfals allein
bei unser kirchenordnung von abstellung des sonst
gewönlichen ime gepuerlichen zirats, der spilleut
und anderer hochzeitlichen zierlichkeitt gelaßen
wirdt und die partheien mit belegung der geltt- oder
thurnstraff verschonet pleiben sollen, es wehre dan
sach, das etzlich umbstende oder einiger fernerer un-
gehorsam ein anders zuverordnen erfordern thete.
Wofern aber von dem beclagten theil allein des bey-
schlaffs gestanden oder derselb sonst erwiesen, die
ehelich zusag aber verneinett und durch das clagen-
de theil nichtt beweislich erstattet wurde, in dem
fall laßen wir es bei unsers gottseligen hern vatters
und anherns von ehesachen publicirten ordnun-
gen10 der gestaltt bewenden, das der beclagte theil,
wan er zu volnziehung der ehe guttlich nicht zu be-
handlen, der ehe halben zu absolviren, aber doch, da
die geschwechte person außer demselben fall keiner
fernern leichtfertigkeitt noch einiger hierunter ge-
brauchten bößlichen geferlichkeitt oder anleittli-
chen verfurung uberzeugtt, sondern gnugsam
kundtschafft ihres vorhin unstrefflichen und ohne
verweis und ergernus gefurten lebens und wandels
haben und furbringen wurde, sie so hoch zu dotiren,
als nach ihrer eltern vermögen ihr natürliches
pflicht- oder kindtheil und ehesteur hette sein oder,
wan ihr eltern nichts vermochtt oder sie daheren ei-
10 Eherechtliche Bestimmungen finden sich in der Refor-
mationsordnung von 1572, Sehling, EKO VIII,
S. 402-407.

nig ehesteur nichtt haben köndte, als dan ihr soviel
als von 10 bis uff 20 fl von ihme nach beschaffenheit
und | verlauff der sachen guttlich erhandlett werden
mag, zugeben und, da einig leibsfruchtt vor-
ha[nden], dieselbe zu agnosciren, zu alimentiren und
zuerzieh[en] schuldig zuercleren. Sonst aber, nichts-
doweniger, da personen irer ergerlichen ubertret-
tung h[alben] nicht allein die kirchenbues zu thuen
oder der fernern kirchencensur und -straff von un-
serm con[sisto]rio gewertig sein, sondern auch da-
ruber zur thurn- und geldtstraff von gedachtem un-
serm consistorio zu erkennen, als obgemeltt ist11,
und heimbgewißen werden sollen.
Wofern aber die geschwechte person zu irem unfall
mit ihrer leichtfertigkeitt oder in andere geferliche
oder ergerliche wege selbst ursach geben und solchs
beweißlich gemacht wurde, sol der beclagte, da er
des unehelichen beyschlaffs gestendig oder er des er-
wiesen wurde, sie zu dotiren nicht, sondern allein die
leibsfruchtt (er könne dan beweisen und darthuen,
das ein anderer der vatter darzu wehre) zu agno-
sciren, zuerziehen und gepurende alimenta so lang,
bis das kindt sein brott selbst erwerben kan, zu ver-
schaffen schuldig sein und angehalten werden soll.
Da auch jemand so vergeßlich handeln, das er mit
zwoen personen, mitt einer vor und der andern her-
nach, durch gewonliche offentliche eheverlobnus
oder mitt der ersten offentlich, mitt der andern aber
heimlich sich ehelich einlaßen und doch weiters sich
zu keiner gethaen haben wurde, in solchen beiden
fellen sol allein das erste eheverlobnus gultig und
deßen volnziehung zu thuen die ersten beide con-
trahenten schuldig, das ander und letzte aber von
eittel uncreften12 und nichtig sein, aber nichtsdo-
weniger die jenige, so nach dem ersten, offentlichen
eheverlobnus wißentlich anderwertige eheliche ver-
bundtnußen offentlich oder heimlich sollicitiret und
sich eingelaßen, derhalb beneben erstattung durch
das zweitte eheverlobnus verursachter weinkaufs-
kosten uns nach verwirckung zu gepurender straff
11 Siehe Nr. 8, oben, S. 115.
12 Von eitel uncreften = ganz und gar bedeutungslos.

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