Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0180
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Grafschaft Waldeck

2. Die Einführung der Reformation 1525-1538

Obwohl in der benachbarten Landgrafschaft Hessen bereits früh evangelisch gepredigt wurde, lässt sich in
der Grafschaft Waldeck zunächst keine reformatorische Bewegung feststellen. Lediglich die Pfarrer Diet-
mar Westenuten in Neerdar, Rüdiger Reinekerken in Mengeringhausen sowie Nikolaus Naukler in Sach-
senhausen sollen sich schon um 1520 zu Luthers Lehre bekannt haben.11 Mitte der 1520er Jahre führten die
Waldecker Grafen schließlich die Reformation ein.12 Den Anfang machte Philipp IV. (reg. 1513-1574) im
Wildunger Landesteil.13 Philipp II. hingegen, der das Eisenberger Land regierte, konnte sich bis zu seinem
Tod 1524 nicht zur neuen Lehre durchringen. Erst sein Sohn Philipp III. (reg. 1524-1539) führte hier
ebenfalls die Reformation ein.14 Die beiden Grafen betrieben ihre Religionspolitik in den folgenden Jahr-
zehnten gemeinsam, wie an zahlreichen in beider Namen erlassenen Ordnungen und Mandaten ersichtlich
ist.
1. Landordnung 28. August 1525 (Text S. 177)
Erste Anzeichen dafür, dass sich die Grafen der Reformation zugewandt hatten, finden sich in der Land-
ordnung von 1525. Das Regelwerk, das von Philipp III. von Waldeck-Eisenberg und seinem Vetter Phi-
lipp IV. von Waldeck-Wildungen für die gesamte Grafschaft erlassen worden war, umfasst drei Teile:
erstens eine umfangreiche Gerichtsordnung, die den größten Teil des Werks einnimmt,15 zweitens mehrere
Regelungen zu Güterverkauf und -verleihung, Ehebruch, Messfeier sowie Evangeliumsverkündigung und
drittens eine Dorfordnung. In unserer Edition werden nur die Abschnitte zu Ehebruch und Gottesdienst aus
dem zweiten Teil der Ordnung abgedruckt.16
Die Geistlichen wurden aufgefordert, das Evangelium rein und lauter zu predigen und sich allein der
Ihere und außleigunge bewerter Doctor [zu] gebrauchen. Diese Wortwahl lehnt sich an eine Formulierung des
zweiten Nürnberger Reichstags von 1523 an.17 Ob die Waldecker Textpassage einen reformatorischen Impe-
tus hat, ist umstritten. In der Angabe, dass die Schrift nach Auslegung „bewährter Doktoren“ verkündigt
werden sollte, sah Walther Köhler „deutlich eine katholische Konzession“.18 Der Hinweis auf die „Dokto-
ren“ könnte jedoch auch auf Luther und andere Reformatoren verweisen.19
Ein eindeutig evangelisches Kennzeichen der Landordnung ist jedoch, dass die Landesherren neben der
Regelung der Gottesdienste auch die bisher der bischöflichen Jurisdiktion unterstehende Ehegerichtsbarkeit
an sich zogen: Ehesachen sollten nach der Landordnung vor das Waldecker Gericht, so man nennet unge-
botten dingk, zitiert werden.

11 Schultze, Reformationsgeschichte, S. 71f.; Wass-
mann, Waldeck, S. 25f.
12 Schneider, Reformator, S. 10; Wassmann, Waldeck,
S. 28; Pannekoek, Theologie, S. 7-12.
13 Zu Philipp IV. siehe Varnhagen, Grundlage, S. 48-56;
Schultze, Reformationsgeschichte, S. 72; Schneider,
Reformator, S. 4; ders., Johann Hefentreger, S. 105f.
14 Zu Philipp III. siehe Varnhagen, Grundlage, S. 137-
153; Schultze, Reformationsgeschichte, S. 76-80. Phi-
lipp IV. und Philipp III. hatten 1521 im Gefolge des
hessischen Landgrafen am Wormser Reichstag teilge-
nommen. Hier hatten sie Sympathien für Luthers Lehre
entwickelt, Schneider, Johann Hefentreger, S. 108f.

15 Curtze, Kirchenverfassung, S. 47.
16 Den vollständigen Abdruck bieten Wetekam/Martin,
Landesordnung, S. 8-33. Vgl. ebd., S. 6; Menk, Bezie-
hungen, S. 76 und Anm. 1; Wassmann, Waldeck, S. 27f.
17 DRTA.JR 3, S. 746f.
18 Köhler, Einfluß, S. 84. Als nicht zwingend reformato-
risch schätzt auch Schneider, Reformator, S. 13; ders.,
Johann Hefentreger, S. 109f. die Landordnung ein.
19 Einen reformatorischen Gehalt sehen Varnhagen,
Grundlage, S. 141 Anm. **; Schultze, Reformations-
geschichte, S. 80; Demandt, Geschichte, S. 528; Med-
ding, Korbach, S. 141 und Steinmetz, Geschichte,
S. 124f.

160
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften