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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0191
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Einleitung

Johanns I. bei seinem Schwager Graf Bernhard VIII. zur Lippe auch die beiden Reformatoren Hermann
Hamelmann aus Lemgo und der gräfliche Hofprediger Johann Wilhelm Torrentius aus Detmold.104
Zur Eröffnung der Synode verlas Philipps IV. Sekretär Hermann Ulner die gräfliche Proposition. Hier-
nach waren zwei reformbedürftige Punkte zu beraten, zum einen die Mängel innerhalb des geistlichen
Standes im allgemeinen, zum anderen die unterschiedlichen Gottesdienstzeremonien im besonderen. Hin-
sichtlich der in Angriff zu nehmenden Kirchenordnung antworteten die Prediger Bertold Cael, Jost Abel,
Reinhard Hefentreger, Dietrich Nikolaus Rafflenboel und Stephan Spee, [es] sei vor ungevehr vier und zwent-
zig jaren durch graff Philipsen, itzo den eltern, als das wort Gottes erstlich in dieser graveschafft angefangen zu
predigen, ein kirchenordnung zustellen bevohlen worden, wilche mein g. her, graff Wolradt, auch vor gut gehalten
und biß daher in geprauch plieben. So darin etwas zuendern etc., wollen sie zu der hern bedencken stellen, auch
zum kunftigen synodo iren muglichen vhleiß darin vorwenden.105 Mit der Kirchenordnung, die vor ungevehr vier
und zwentzig jaren - also 1532 - entstanden und seither gebraucht gewesen sein soll, muss die Agende
gemeint sein, die Johannes Hefentreger Ende der 1520er Jahre verfasst und nach der er in seinen beiden
Wirkungsorten Waldeck und Niederwildungen die kirchlichen Zeremonien vollzogen hatte. Die Geistlichen
sollten nun eine neue Kirchenordnung entwerfen, nemlich de aetate, examine et confirmatione ordinandorum,
item de caeremoniis, de feriis ecclesiasticis etc.106 Dieser Entwurf sollte am 4. Mai auf der Generalsynode in
Korbach beraten werden.
Zur Ausarbeitung des Regelwerks wurden die neu ernannten Superintendenten Johannes Lycaula, Rein-
hard Hefentreger und Dietrich Nikolaus Rafflenboel sowie die gräflichen Räte Hermann Nellen, Melchior
Göbel und Nikolaus Weigel bestellt.107 Auf der Grundlage von Hefentregers Vorarbeiten wurde ein Text
verfasst, den Jeremias Homberg am 22. Mai 1556 durchsah.108 Sein Gutachten, das jeden einzelnen Punkt
des Entwurfs detailliert kommentiert, belegt, dass dieser bereits weitgehend der später gedruckten Fassung
der Kirchenordnung entsprach.
Neben dem an Jeremias Homberg gesandten Text ist noch ein weiterer Entwurf einer Kirchenordnung
überliefert, den Homberg selbst gemeinsam mit Matthäus Tasch und Dietrich Nikolaus Rafflenboel im
Auftrag Johanns I. angefertigt hatte.109 Hierin schlugen die drei Luthers Katechismus und Bibelüberset-
zung sowie Melanchthons Loci communes als Lehrtexte vor, ferner plädierten sie für die Kirchenzeremo-
nien, die im landt zu Duringen [= Thüringen] gebräuchlich waren.
Am 15. September sandte Jeremias Homberg einen weiteren Ratschlag110 an Johann I., worin er ent-
schieden dafür eintrat, die wittenbergische ordenung der altenn warenn kirche in Waldeck einzuführen. Hier
hatte er vermutlich die Wittenberger Kirchenordnung von 1533 oder ganz allgemein die kursächsischen
Ordnungen im Blick,111 denn als Begründung führte er an, dass deren Inhalt ohnehin bereits in der Graf-
schaft verbreitet sei und zahlreiche andere Landeskirchen sich ebenfalls an der sächsischen Ordnung ori-

nen Sekretär Melchior Göbel (Linden) und Graf Samuel
seinen Rat Johann Hake, siehe das Synodalprotokoll bei
Curtze, Kirchenverfassung, S. 161f.
104 Synodalbericht im StaatsA Marburg, Best. 115.7 Gene-
ralia Nr. 4, Abdruck in Curtze, Kirchenverfassung,
S. 161-164. Vgl. Schultze, Reformationsgeschichte,
S. 199f. Zu Hermann Hamelmann (1526-1595) siehe
NDB 7, S. 585.
105 StaatsA Marburg, Best. 115.7 Generalia Nr. 4. Abdruck
in Curtze, Kirchenverfassung, S. 163f. Nr. 10.
106 Ebd.
107 Siehe den Bericht „Die martis post Laetare ad superin-

tendentes et visitatores Corbachii habita“, StaatsA
Marburg, Best. 115.7 Generalia Nr. 4.
108 Lateinische Fassung: StaatsA Marburg, Best. 115.7
Generalia Nr. 4; siehe auch die ausführliche Paraphrasie-
rung bei Schultze, Reformationsgeschichte, S. 201f.
Vgl. ebd., S. 199-201; Wassmann, Waldeck, S. 39f.
109 StaatsA Marburg, Best. 115.7 Generalia Nr. 5, Abdruck
in Curtze, Kirchenverfassung, S. 164-166 Nr. 11.
110 StaatsA Marburg, Best. 115.7 Generalia Nr. 4, Abdruck
in Curtze, Kirchenverfassung, S. 170f. Nr. 16.
111 Abdruck der Wittenberger Ordnung von 1533 in Seh-
ling, EKO I, S. 700-710.

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