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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0247
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14c. Kirchen- und Zuchtordnung 1555

[Sitten- und Kirchenzuchtmaßnahmen]
Item, so imandt gefundenn wurd in der kirchen, der
sich fullerei unnd trunckenschafft mit wortenn oder
geberdenn ungeistlich unnd ungeschicklich hielte,
der sol ernnstlich davor angesehenn, auch nach gros-
se der uberfarung mit dem thornn13 darumb ge-
strafft werdenn. |
Item, es soll auch auf die sontage unnd veror-
dente feirtage kein kindelbeth14 gehaltenn werden,
sonnder nach ausgang der sechs wochenn15 mach je-
mandt, dem das geliebet, seine gefattern zue gaste
ladenn, unnd sol die beschwerliche gewesen unord-
nung hiemit gentzlich verpottenn sein bey straf eins
goltg[uldens].
Item, die offenn spinnestubenn16 sollenn auch
verpottenn sein unnd die sie ufhielt unnd die sich
auch darin versamlenn, sollenn auch gestrafft wer-
denn umb einenn guldenn, so offt das uberfarenn
wirt.
Item, wir wollenn auch verpottenn haben, das
des abentz nach neun uhrenn in dem bierkruge kein
bier geschenckt oder gelassenn werde. Und auf das
idermann gewarnet, so sol man in ider stath unnd
dorf mit der glockenn leuthenn, das sie bey zeitenn
die bierkruge unnd strassen rewmenn, unnd wer
darnach uf der strassenn singenn oder schreienn be-
tretenn17, sollen gestrafft werdenn umb ein halbenn
gulden.
Item, wir verpietenn denn ackerknechtenn, so in
der arndzeit18 des sontags morgenn frue ausgehenn,
schneidenn unnd nach mittag widderkommen unnd

c Schrift stark verblasst, ergänzt nach Curtze, Gesetz-
gebung, S. 59.
d Schrift stark verblasst. Curtze, Gesetzgebung, S. 59
liest: mennlichs.
13 Turm, Gefängnis.
14 Hier ist die Kindbettschenkung gemeint, ein Gastmahl,
das Freunden und Verwandten am Ende der Wochen-
bettzeit als Dank für die geleistete Unterstützung ausge-
richtet wurde, vgl. ähnliche Anweisungen in der Hohen-
loher Polizeiordnung von 1571, Sehling, EKO XV,
S. 157 und Anm. 12.
15 Zur Aussegnung der Wöchnerinnen siehe oben, S. 217
Anm. 7.

schwelgenn unnd sauffenn dan die ganze nacht, das
sie sulchs genzlich abstellenn sollenn bey straf eins
halbenn guldenn, darin der ungehorsamer gefallenn
sein soll, so offt er ubertretenn wirt.
So wollenn wir auch mit ernst verpottenn haben
alle gotteslesterung, schwerenn, fluchenn unnd an-
der unnutze, schentliche wort. Do jetzunt aber sol-
lich unnd zuvorab Go[ttes gepott verachtet]c | unnd
vonn ime gotteslesterung gehort wurde, der soll da-
rum mit allem ernst gestrafft werden.
Item, uf denn dorfernn wollenn wir die hochzeit,
kermeß19 unnd kindelbeth20 genzlich verpottenn ha-
benn, also das niemandt dieselbenn one vorgehende
antzeigung unsers oder unser bevelhaber verleub-
nus21 anrichtenn noch halten soll bey ungnediger
straff, nemlich zehenn goltguldenn. Dann wir ge-
meint, hinfurt nach eins idenn reichtumb unnd ver-
mugenn ordnung unnd maß zu gebenn oder geben zu
lassenn, wieviel personen [meniglich]dladen solle,
zudem, das wir auch zusehenn wollenn, das wir
durch verheiratung frombter auslendischer perso-
nenn unser stede unnd dorfer [nicht] betrangt oder
beschwert werdenn.
Wir wollenn auch bei gleicher straf, nemlich ze-
henn goltguldenn, verpottenn habenn, das niemandt
in stedtenn oder dorfer gehuset oder geherbergt wer-
denn soll, so in offentlichen ehebruch oder hurerei
lebenn, unnd wo burgermeister oder vorstender hi-
rin seumig, nachlessig oder durch die finger se-
henn22, wollenn wir sie davor ansehenn unnd straf-
fen.

16 In den Spinnstuben traf sich in den Wintermonaten die
jugendliche unverheiratete Dorfbevölkerung, vorwie-
gend die Mädchen. Die Spinnstuben boten die Möglich-
keit geselliger Vergnügungen und Ausschweifungen aller
Art, Medick, Spinnstuben, S. 19-49.
17 Angetroffen wird.
18 Erntezeit.
19 Kirchweihfeste.
20 Siehe Anm. 14.
21 Erlaubnis.
22 Darüber hinweg sehen, es dulden.

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