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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0265
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15. Kirchenordnung 1556

Der Sechste unwirdige hauff Sein alle die, welche
den gebrauch des Hern Nachtmals nicht wissen oder
nicht lernen wöllen. Und kan das sonder91 sünde
nicht geschehen, Dann unwissenheyt ist eyn frucht
des unglaubens, Und was auß dem glauben nicht
kompt, das ist sünde. Ob nun yemandts vorhanden
were (wie zubesorgen ist), der von dem rechten,
heylsamen gebrauch des Herrn Nachtmals nicht
wuste, der neme diß für eyn summarien und für ey-
nen schlechten92 unnd gemeynen unterricht dieses
gantzen handels,
Zum Ersten, Das er gleube unnd bekenne, das er
eyn armer sünder sei und des Götlichen zorns mit
seiner nachvolgenden straaff an leib und seel wert
sei.
Zum andern, Das diesem zorn Gottes eyn gleichs
| E2r | ist geschehen durch den unschuldigen todt
Jesu Christi, seines lieben Sohns.
Zum dritten, Das dieser Christus mit seinem
todt unser eygen sol sein und darumb heyssets eyn
Testament. Und der Herr spricht selbs: Das ist mein
Leib, der für euch gegeben wirt. Das ist mein Blut,
das für euch vergossen wirt93.
Zum Vierdten, Das der herr Christus disen theu-
ren, Edlen schatz, Wiewol er am Creutz erworben
ist, Doch nach seinem wolgefallen unnd nach seiner
eygen Ordnung außteylen will unnd also befolhen
hat, nemlich durchs Evangelium und Sacrament.
Zum Fünfften. Welche nun in diesem Sacrament
wöllen miterben sein, die sollen mit dem vorberür-
ten glauben zu des Herrn Taffeln kommen und alda
den wahren Leib und Blut Christi vermittelst oder
mit dem sichtbaren Sacrament des brodts und
weins, aber doch unsichtbarer und unbegreifflicher
weise, zur speise ires glaubens, hertzens und seel es-
sen unnd trincken und gewißlich gleuben, Es werde
inen mit disem Sacrament als durch eyn pfandt oder
wie mit Siegeln oder Brieffen gentzlich ubergeben
alles, was uns der ewige Gott in seinem lieben Sohn
verheyssen hat. Und wenn wir hievon essen unnd
trincken, das wirs thun sollen zu seiner gedechtnus
91 Ohne.
92 Schlichten, einfachen.
93 Mt 26,26-28; Mk 14,22-24; Lk 22,19-20; 1Kor 11,23-25.
94 Vgl. 1Kor 11,26.

und inn unserm hertzen bewaren biß er wider-
kompt94 und uns zum offen- | E2v | baren gebrauch
des erbguts kommen lesset, Da er uns seine brieff
und siegel ubergeben hat. Diß ist der grundt, der
anfangk und das ende des gantzen handels von des
Herrn Nachtmal.
Welche nun nach diser weise ire sünde, das
Evangelium, das Abentmal, das Wort und Christum
nicht kennen, die wissen von dem Nachtmal nicht
vil zu sagen und were inen besser darvon geblieben.
Dann wie solten sie des Herren Leib unterschey-
den95, so sie weder Herren noch Leib kennen, Wissen
nicht, was der leib für sie worden sei, Dencken we-
nig daran, das sie Gott inn dem leibe versünet hat.
Zum Siebenden, Ist das auch eyn unfletiger miß-
brauch des Herrn Nachtmals, das etliche in gleiß-
nerei96 vorgeben, Sie wöllen dem Herrn eynen dienst
daran thun, als were es umb seinetwillen unnd nicht
vilmehr umb unsertwillen zugericht. Er wils uns auß
gnaden geben, So wenden wirs umb und wöllen yhn
mit unser gleißnerei und bettelei reicher machen.
Zum Letzten. Ist gebreche[n] bei den Krancken
und Schwangern weibern, welche des Herren Abent-
mal wol jar unnd tag underwegen97 liessen, wann sie
nicht kranck oder schwanger weren, Machen auß
des Herrn Nachtmal eyn Apotecken und meynen
dann, sie essen etwas da, das zur geburt bätlich98 sei.
Wiewol es zugleuben ist, das diser unchristlicher
mißbrauch etwan auß eynem guten anfangk erwach-
sen sei, Nemlich |E3r| Das die Schwangern weiber
die anliegenden todesangst und färligkeyt der unge-
wissen geburt bedacht, sich durch buß und besse-
rung ires lebens zu Christo gewandt haben und sei-
nes heyligen Nachtmals genossen, der meynung, ob
sie iren leib und leben an die Geburt solten setzen,
so wolten sie sich doch uber diesem werck als die
gehorsamen kinder Gottes finden lassen. Wans die
meynung noch hette, were es wol zudulden.
Und alda habt ir nun die vornemlichen gebre-
chen, welche euch zu des Herren Nachtmal unwirdig
machen, und darzu, wie irs seliglich und mit nutz
95 Erkennen, Grimm, DWb 24, Sp. 1751.
96 Heuchelei.
97 Unterbleiben.
98 Nützlich, hilfreich, FWb 3, Sp. 126f.

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