Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

9. Kirchenordnung für Solms-Laubach [1576-1580]

mechtigen vatters, von dannen er kommen wirdt, zu
richten die lebendigen und die todten.
Der dritte articul, von der heiligung:
Ich glaub in den heiligen geist, eine heilige chri-
stenliche kirche, die gemeine der heiligen, vergebung
der sünden, auferstehung des fleisches und ein ewi-
ges leben, amen.
Das dritte hauptstuck ist das heilige gebett, welches
uns der her Christus selber gelehret hat, Mathei am
6. [9-13] und Lucae am 11. cap. [2-4]:
Unser vatter, der du bist im hiemel.
Die erste bitt: Geheiliget werde dein nhame.
Die andere bitt: Zukomb dein reich.
Die dritte bitt: Dein wille geschehe wie im hiemel
also auch auf erden.
Die vierdte bitt: Unser täglich brodt gib uns heut.
Die fünffte bitt: Und vergib unß unsere schuldt, als
wir vergeben unsern schuldigern.
Die sechste bitt: Und fhüre uns nicht in versuchung.
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Die siebende bitt: Sondern erlöse uns von dem bö-
sen, dan dein ist das reich und die krafft und die
herlichkeit von ewigkeit zu ewigkheit, amen.
Das vierdte hauptstuck christenlicher lehr ist das
sacrament der heiligen tauff.
Was ist die tauff?
Antw.: Die tauff ist nicht allein schlecht wasser,
sondern sie ist das wasser in Gottes gebott gefasset
und mit Gottes wortt verbunden.
Sollich wortt Gottes beschreiben die heiligen
evangelisten Matheus und Marcus am letsten64, da
der herr Christus spricht: Gehet hin in alle weldt,
lehret alle heiden und tauffet sie im nhamen des vat-
ters, des sohns und des heiligen geistes. Wer glaubt
und getauft wirdt, der soll selig werden. Wer aber
nicht glaubt, der wirt verdambt.
Das fünfft hauptstuck christlicher lehr ist das hoch-
wurdige sacrament des altars oder abendtmal des
herrn.
64 Mt 28,19; Mk 16,15-16.
65 Am Rand: Mathei 26 [26-28], Marci 14 [22-24], Lucae
22 [19-20], 1. Corinth. 11 [23-25],

Was ist das sacrament des altars?
Antwurt: Es ist der wahre leib und blut unsers
hern Jhesu Christi, under dem brodt und wein uns
christen zu essen und zue drincken von Christo
selbß ingesetzt. Solliches beschreiben uns die heili-
gen evangelisten Matheus, Marcus, Lucas und
S. Paulus65: Unser herr Jhesus Christus, in der
nacht, da er verrathen ward, nam er das brodt,
danckt und brachs und gabs 15v | seinen jungern
und sprach: Nemet hin, esset, das ist mein leib, der
fur euch gegeben wirdt. Solches thut zu meinem ge-
dechtnus. Desselbigen gleichen nam er auch den
kelch nach dem abendtmahl, danckt und gab inen
den und sprach: Nemet hin und drincket alle dar-
aus, dieser kelch ist das newe testament in meinem
blut, das fur euch und fur viele vergossen wurdt zur
vergebung der sunden. Solches thut, so offt irs
drincket, zu meinem gedechtnus.
Darauf volgen nun etliche christliche gebett, die
auch ein ider christ soll wissen.
Des morgens, so du aus dem bett aufstehest, soltu
dich segenen und also sprechen: das walte Gott vat-
ter, sohn und heiliger geist, amen; darauf knient
oder stehendt den glauben66, vatter unser67 und vol-
gent gebett beten:
Ich dancke dir, mein himlischer vatter, durch
Jhesum Chistum, deinen lieben sohn, das du mich
diese nacht vor allem schaden und gefhar behütet
hast, und bitte dich, du wollest mich diesen tag auch
gnediglich behüten vor sünden und allem übel, das
dir alle mein thuen und leben gefalle, dan ich bevel-
he mich, mein leib und seele und alles in deine hen-
de. Dein heiliger engel sey mit mir, das der böse
feindt keine macht an mir finde, amen.
Daruf frölich an die arbeit gegangen und etwan
ein christlich liedt, was christliche andacht gibt, ge-
sungen68. 116r |

66 Apostolisches Glaubensbekenntnis, BSLK S. 21.
67 Mt 6,9-13.
68 Luthers Morgensegen, BSLK S. 521.

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