Einleitung
Hierbei handelt es sich nm ein Exemplar, das in Michelstadt benutzt worden ist, wie aus einem Zusatz
hervorgeht, der überschrieben ist mit „Frue- und abendtgebett, wie mans in der kirchenn zu Michelstatt
pflegt zu halten“.40
Alle drei bekannten Handschriften der Erbacher Kirchenordnung von 1549/50, die als Vorläuferinnen
der gedruckten Kirchenordnung von 1560 angesehen werden können, sind heute verloren. Erhalten geblie-
ben ist lediglich eine auf 1558 datierte Handschrift, die im Staatsarchiv Wertheim41 aufbewahrt wird. In
diesem Exemplar sind die Kapitel zum Teil in anderer Reihenfolge als im Druck angeordnet, zudem finden
sich zahlreiche Korrekturen der Hauptschreiberhand. Der Vermerk auf dem Titelblatt: itzund gedruckt zu
Franckfurt ... legt den Schluss nahe, dass das Wertheimer Exemplar im Zusammenhang mit dem Druck
entstanden sein wird. Zahlreiche Textabweichungen gegenüber diesem charakterisieren die Handschrift von
1558 jedoch nicht als unmittelbare Druckvorlage.
Es kann ferner ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Wertheimer Handschrift um eine der drei
verlorenen Fassungen der Erbacher Kirchenordnung handelt: Zum einen ist das Wertheimer Exemplar auf
1558 datiert, wohingegen die drei übrigen Handschriften nicht datiert gewesen sein sollen. Zum anderen
enthält der Wertheimer Text als einziger am Schluss ein zusätzliches Blatt mit der Überschrift „Ex epistola
Philippi Melanchth.“. Die anschließend zitierten Sätze stammen zwar wörtlich aus Melanchthons Brief
vom 3. Dezember 1557, sie stellen jedoch lediglich Auszüge aus diesem Schreiben dar. Auch die von Erwin
Preuschen detailliert beschriebenen Korrekturen Melanchthons im Text entsprechen nicht der Wertheimer
Fassung. Diese Handschrift kann also auch nicht das Exemplar sein, das Melanchthon und Brenz zur
Begutachtung vorgelegt worden ist. Da der Text auch nicht die Michelstädter Besonderheiten aufweist,
muss das Wertheimer Exemplar als ein völlig neuer Fund für die Erbacher Reformationsgeschichte ange-
sehen werden, welcher der Forschung bislang unbekannt geblieben ist.42
Christoph Weismann konstatierte 1990: „Die einigermaßen spannende Entstehungs- und Textgeschichte
der Kirchenordnung wird erst durch eine gründliche Edition aller Fassungen zureichend aufgehellt werden
können“.43 Weismann übersah, dass durch den Verlust des Erbacher Archivs keine der drei damals bekann-
ten Handschriften erhalten geblieben ist. Unsere Edition kann also nicht alle textgeschichtlichen Fragen der
Kirchenordnung erhellen, aber mit Hilfe der Handschrift von 1558 zumindest einige Entstehungszusam-
menhänge aufdecken.
Die gedruckte Erbacher Kirchenordnung von 1560 umfasst 15 Kapitel, die sich mit der Anstellung und
Amtseinführung der evangelischen Geistlichen, den Zeremonien sämtlicher Kasualien, dem Katechismus-
unterricht und dem Predigtamt, den Feiertagen, dem Kirchengesang und den Kirchenbüchern befassen.44
An Umfang und Inhalt kommt die Erbacher Kirchenordnung einigen anderen Regelwerken gleich, etwa den
landgräflich-hessischen, der brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 sowie der württember-
gischen von 1553, und die genannten Ordnungen wurden auch als Vorlage für verschiedene Passagen des
Erbacher Drucks herangezogen: Die Abschnitte zu Eheeinsegnung und Begräbnis folgen denjenigen der
brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 45 und der Katechismus entspricht den 1535 von
Johannes Brenz verfassten Lehrfragen, die nicht nur in die württembergische Kirchenordnung von 1536,
sondern auch in die von Schwäbisch Hall von 1543 einflossen.46 Generell können auch Veit Dietrichs Agend-
40 Preuschen, Kirchenordnung, S. 23f.
41 StaatsA Wertheim, G Rep. 24 Nr. 20.
42 Für den Hinweis auf dieses Exemplar danke ich Erwin
Müller, Nikolaus Matz Bibliothek (Kirchenbibliothek)
Michelstadt.
43 Weismann, Katechismen 1, S. 609 Anm. 24. Vgl. ebd.,
S. 608 Anm. 23; Preuschen, Kirchenordnung, S. 23
Anm. 16 und 18.
44 Zum Inhalt der Ordnung siehe Scriba, Mittheilungen,
S. 25-36; Kunz, Kirchenordnung, S. 45f.
45 Sehling, EKO XI, S. 200-204; vgl. Preuschen, Kir-
chenordnung, S. 36.
46 Sehling, EKO XVI, S. 121-123; Sehling, EKO
XVII/1, S. 93-95, 124-128; vgl. Weismann, Katechis-
men 1, S. 609; Preuschen, Kirchenordnung, S. 37.
415
Hierbei handelt es sich nm ein Exemplar, das in Michelstadt benutzt worden ist, wie aus einem Zusatz
hervorgeht, der überschrieben ist mit „Frue- und abendtgebett, wie mans in der kirchenn zu Michelstatt
pflegt zu halten“.40
Alle drei bekannten Handschriften der Erbacher Kirchenordnung von 1549/50, die als Vorläuferinnen
der gedruckten Kirchenordnung von 1560 angesehen werden können, sind heute verloren. Erhalten geblie-
ben ist lediglich eine auf 1558 datierte Handschrift, die im Staatsarchiv Wertheim41 aufbewahrt wird. In
diesem Exemplar sind die Kapitel zum Teil in anderer Reihenfolge als im Druck angeordnet, zudem finden
sich zahlreiche Korrekturen der Hauptschreiberhand. Der Vermerk auf dem Titelblatt: itzund gedruckt zu
Franckfurt ... legt den Schluss nahe, dass das Wertheimer Exemplar im Zusammenhang mit dem Druck
entstanden sein wird. Zahlreiche Textabweichungen gegenüber diesem charakterisieren die Handschrift von
1558 jedoch nicht als unmittelbare Druckvorlage.
Es kann ferner ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Wertheimer Handschrift um eine der drei
verlorenen Fassungen der Erbacher Kirchenordnung handelt: Zum einen ist das Wertheimer Exemplar auf
1558 datiert, wohingegen die drei übrigen Handschriften nicht datiert gewesen sein sollen. Zum anderen
enthält der Wertheimer Text als einziger am Schluss ein zusätzliches Blatt mit der Überschrift „Ex epistola
Philippi Melanchth.“. Die anschließend zitierten Sätze stammen zwar wörtlich aus Melanchthons Brief
vom 3. Dezember 1557, sie stellen jedoch lediglich Auszüge aus diesem Schreiben dar. Auch die von Erwin
Preuschen detailliert beschriebenen Korrekturen Melanchthons im Text entsprechen nicht der Wertheimer
Fassung. Diese Handschrift kann also auch nicht das Exemplar sein, das Melanchthon und Brenz zur
Begutachtung vorgelegt worden ist. Da der Text auch nicht die Michelstädter Besonderheiten aufweist,
muss das Wertheimer Exemplar als ein völlig neuer Fund für die Erbacher Reformationsgeschichte ange-
sehen werden, welcher der Forschung bislang unbekannt geblieben ist.42
Christoph Weismann konstatierte 1990: „Die einigermaßen spannende Entstehungs- und Textgeschichte
der Kirchenordnung wird erst durch eine gründliche Edition aller Fassungen zureichend aufgehellt werden
können“.43 Weismann übersah, dass durch den Verlust des Erbacher Archivs keine der drei damals bekann-
ten Handschriften erhalten geblieben ist. Unsere Edition kann also nicht alle textgeschichtlichen Fragen der
Kirchenordnung erhellen, aber mit Hilfe der Handschrift von 1558 zumindest einige Entstehungszusam-
menhänge aufdecken.
Die gedruckte Erbacher Kirchenordnung von 1560 umfasst 15 Kapitel, die sich mit der Anstellung und
Amtseinführung der evangelischen Geistlichen, den Zeremonien sämtlicher Kasualien, dem Katechismus-
unterricht und dem Predigtamt, den Feiertagen, dem Kirchengesang und den Kirchenbüchern befassen.44
An Umfang und Inhalt kommt die Erbacher Kirchenordnung einigen anderen Regelwerken gleich, etwa den
landgräflich-hessischen, der brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 sowie der württember-
gischen von 1553, und die genannten Ordnungen wurden auch als Vorlage für verschiedene Passagen des
Erbacher Drucks herangezogen: Die Abschnitte zu Eheeinsegnung und Begräbnis folgen denjenigen der
brandenburg-nürnbergischen Kirchenordnung von 1533 45 und der Katechismus entspricht den 1535 von
Johannes Brenz verfassten Lehrfragen, die nicht nur in die württembergische Kirchenordnung von 1536,
sondern auch in die von Schwäbisch Hall von 1543 einflossen.46 Generell können auch Veit Dietrichs Agend-
40 Preuschen, Kirchenordnung, S. 23f.
41 StaatsA Wertheim, G Rep. 24 Nr. 20.
42 Für den Hinweis auf dieses Exemplar danke ich Erwin
Müller, Nikolaus Matz Bibliothek (Kirchenbibliothek)
Michelstadt.
43 Weismann, Katechismen 1, S. 609 Anm. 24. Vgl. ebd.,
S. 608 Anm. 23; Preuschen, Kirchenordnung, S. 23
Anm. 16 und 18.
44 Zum Inhalt der Ordnung siehe Scriba, Mittheilungen,
S. 25-36; Kunz, Kirchenordnung, S. 45f.
45 Sehling, EKO XI, S. 200-204; vgl. Preuschen, Kir-
chenordnung, S. 36.
46 Sehling, EKO XVI, S. 121-123; Sehling, EKO
XVII/1, S. 93-95, 124-128; vgl. Weismann, Katechis-
men 1, S. 609; Preuschen, Kirchenordnung, S. 37.
415