Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0465
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
2. Erbacher Kirchenordnung 1560

b KO 1602: entstehe. Im Fall, er aber im Predigen geübt,
mag er vor der gantzen Christlichen Versamlung gehöret
werden.
Von der Ordination eines newen angehenden
Kirchendieners
Da aber jemand von neuwem zum Ministerio beruffen wür-
de, sol er in dieses Hohe und Heylige Ampt durchs Gebet
und Aufflegung der Hände zuvor ordinirt unnd investirt wer-
den. Wie denn die Jünger und Aposteln Christi diese Cere-
moni anfenglich selbsten gebraucht und in der Kirchen Got-
tes nachmals jederzeit ist erhalten worden. Nun schreibt
aber S. Paulus an seinen Jünger, den Timotheum [1Tim
5,22]: Die Hände lege niemand bald auff, mache dich auch
nicht theilhafftig frembder Sünden. Und ist in etlichen Alten
Conciliis heilsamlich versehen worden, daß ohn vorgehend
Examen niemand zu einem Kirchendiener sol ordinirt wer-
den. Da auch wider solchen Gebrauch gehandelt, solle es die
Kirchen für nichtig halten. Derwegen junge Personen nicht
so bald zur Ordination zugelassen werden sollen, sondern zu-
vor ein geraume Zeit im predigen sich uben, damit man ihr
Lehr und Leben, ihren Fleiß und Eyffer nottürfftiglich ex-
ploriren und, ob diß Hohe, Allerheiligste Ampt ihnen zu ver-
trauwen sey, erforschen möge.
Würden sie tüchtig erfunden, sol ihnen mit Vorwissen der
Obrigkeit ein Tag zum Examine und folgendts zur Ordina-
tion angekündet werden, da denn durch zween oder drey
Kirchendiener in beysein der Obrigkeit oder deren Räth und
Beampten der Examinand solo befragt werden von den für-
nembsten Haupt Puncten unser Christlichen Religion und zu
ende mit Ernst vermahnet werden, daß er die Gaben, so in
ihm sind, ferrner erwecken wölle durch das Gebett, fleissiges
studiren in der heyligen Schrifft wie auch in andern der rei-
nen Theologen nützlichen Schrifften, bevorab deß teuwren
Lehrers Doct. Lutheri und anderer etc.
Form der Ordination
Ihr Geliebten in Christo, dem Herrn. Demnach der Wolge-
borne Herr, Herr N., Graff zu Erpach und Herr zu Breuberg,
unser Gnediger Herr etc., gegenwertigen N. von N. zu einem
Kirchendiener, Diacono und Caplan der Kirchen N. gnedig-
lich bestellt und angenommen, also der gestalt, daß er da-
selbsten neben seinem Pfarrherrn die Gemein in Gottes Wort
unterweisen, zum Glauben, Lieb und andern Christlichen
Tugenden vermahnen, derselben auch mit einem Gottseligen
Wandel und guten Exempel vorgehen sol, weil er zuvor in
den Artickeln Christlicher Religion gnugsam unnd nach Not-
turfft verhört, auch zum heyligen Predigampt tüchtig erfun-
den worden, So wil nun die Notturfft erfordern, daß er nach
alter Christlicher Gewonheit ordinirt und mit Anruffung
Göttlicher Hülffe, auch Aufflegung der Hände, zu dem hey-
ligen Ministerio confirmirt werde.
Denn dieses Ampt, darein er nunmehr tretten wil, nicht ein
Menschlich Werck, sondern ein Ampt Gottes, deß H. Gei-
stes, ist, welcher, wie er vorzeiten durch die Propheten ge-
redt, folgendts die Jünger Christi hierzu düchtig gemacht,
also wil er auch noch hinfüro durch das Predigampt in uns
Kräfftig sein, unsere Hertzen bekehren, erleuchten, erneuw-
ren und endtlich Christo Jesu, dem obersten Ertzhirten und
Bischoffe der Seelen, zuführen.
Wöllen derwegen auß Gottes Wort Anfangs anhören, was ei-

nes rechten Predigers und Seelsorgers Ampt sey unnd wie er
sich darinnen Christlich und Gottseliglich verhalten solle.
Dasselbig lehret uns gar eygentlich unser Herr Jesus Chri-
stus und mit ihm sein Ausserwehlter Rüstzeug, der heylige
Apostel Paulus, Denn Matth. am 28. [18-20] spricht der
Herr Christus zu seinen Jüngern: Mir ist gegeben aller Ge-
walt im Himmel und auff Erden. Darumb gehet hin und leh-
ret alle Völcker und tauffet sie im Namen deß Vatters und
deß Sohns und deß heyligen Geistes. Lehret sie halten alles,
was Ich euch befohlen habe und sihe, Ich bin bey euch alle
Tage, biß an der Welt Ende.
S. Paulus aber schreibet an Titum im 1. Cap. [5-9]: Derhal-
ben ließ ich dich in Creta, daß du soltest vollend anrichten,
da ich es gelassen habe, und besetzen die Stätte hin und her
mit Eltesten, wie ich dir befohlen habe. Wo einer ist unta-
delich, eines Weibes Mann, der glaubige Kinder habe, nicht
berüchtiget, daß sie Schwelger und Ungehorsam sind. Denn
ein Bischoff sol untadelich sein als ein Haußhalter Gottes,
nicht Eygensinnig, nicht Zornig, nicht ein Weinsauffer, nicht
Bochen, nicht Unehrliche Handthierung treiben, sondern
Gastfrey, Gütig, Züchtig, Gerecht, Heylig, Keusch, und hal-
te ob dem Wort, das gewiß ist und lehren kan, auff daß er
Mächtig sey, zu ermahnen durch die Heylsame Lehre und zu
straffen die Widersprächer.
Derselbige Apostel sagt widerumb in der 2. [Epistel] an Ti-
moth., am 3. Cap. [14-17]: Du aber bleib in dem, das du
gelehrnet hast und dir vertrawet ist, sintemal du weissest,
von wem du gelehrnet hast. Und weil du von Kind auff die
heylige Schrifft weissest, kan dich dieselbige unterweissen
zur Seligkeit durch den Glauben an Christo Jesu. Denn alle
Schrifft, von Gott eingegeben, ist nutz zur Lehre, zur Straff,
zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, daß ein
Mensch Gottes seye volkommen, zu allem guten Werck ge-
schickt.
Und gleich darauff im folgenden 4. Capitel [1-5]: So bezeuge
ich nun vor Gott und dem Herren Jesu Christo, der da
Künfftig ist zu richten die Lebendigen und die Todten mit
seiner Erscheinung und seinem Reich: Predige das Wort, hal-
te an, es seye zu rechter Zeit oder zur Unzeit, straffe, dräwe,
ermahne mit aller Gedult und Lehre, denn es wird ein Zeit
sein, daß sie die Heylsame Lehre nicht leiden werden, son-
dern nach ihren eignen Lüsten werden sie ihnen selbsten Leh-
rer auffladen, nach dem ihnen die Ohren jucken, und werden
die Ohren wenden von der Warheit und sich zu den Fabeln
kehren. Du aber sey nüchtern allenthalben, leide dich, thue
das Werck eines Evangelischen Predigers, richte dein Ampt
fleissig auß.
Auß diesen Worten Christi unnd seines Apostels ist offen-
bahr, daß ein Lehrer unnd Kirchendiener auff folgende Punc-
ten gut Achtung geben solle:
Erstlich, daß er die gantzen Lehr der Kirchen Gottes Rein
und Unverfälscht, fleissig und trewlich fürtrage, wie sie in
den Schrifften der Propheten unnd Aposteln tradirt wird
unnd nach der Richtschnur Göttliches Worts alle seine Pre-
digten richte, auch sich alles losen Geschwetzes unnd Wort-
gezäncks gantzlich entschlagen.
Zum andern, daß er auch öffentliche Sünde, Schand und La-
ster mit gebürendem Ernst straffe.
Zum dritten die Krancke, Betrübte unnd Bekümmerte Hert-
zen tröste und besuche.

445
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften