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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0467
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2. Erbacher Kirchenordnung 1560

jeden Christen in sonderheit thun, wie vielmehr gegen einer
gantzen Gemein.
So sindt nun allhie zwo Personen, welche leyder der boßhaff-
tige Sathan, der Geist der Hurerey, dahingeführt, daß sie,
hindan gesetzt deß sechsten Gebots [Ex 20,14; Dtn 5,18], ein
zeitlang in Unzucht und unehelicher Beywohnung gelebt und
damit neben dem, daß sie dem Allmächtigen Gott hefftig
erzürnet, auch diese Kirch und Gemein nicht wenig geärgert
haben, Erkennen sich derwegen schuldig, mit ihr widerumb
zu versöhnen und ihres gegebenen Ergernuß halber gebühr-
lichen Abtrag zu thun.
Wann dann Unzucht unnd Hurerey ein solche Sünde ist, umb
welcher willen der Zorn Gottes uber die Kinder deß Unglau-
bens kömpt, Dardurch das gantze Landt verunreiniget unnd
voll Lasters wirdt und der Herr Ursach hat, zu schelten die
im Lande wohnen, Ja, das noch mehr ist, S. Paulus [1Kor
6,14-20] alle Hurer auß dem Reich Gottes außmustert, Jo-
hannes [Apk 20,15] aber ihren Theil verordnet in den fewri-
gen Pful, der mit Schwefel und Bech ewiglich brennet. Also,
nach dem diese Personen durch den Betrug deß leydigen
Teuffels und Anreitzung ihres bösen, sündthafftigen Flei-
sches in gemeldte Sünde gefallen, bitten sie euch allesampt
mit einander und einen jeden under euch, die in dieser Kir-
chen und Gemein Glieder seyd, umb Gottes und unsers ei-
nigen Erlösers Jesu Christi willen wölten ihnen ihre began-
gene Sünde zu gut halten, günstiglich verzeihen, auch Gott,
den Allmächtigen, für sie bitten helffen, daß er inen diesel-
bige gnädiglich vergeben und hinfüro mit seinem heyligen
und guten Geist regieren wölle, darmit sie einen Christlichen,
Gottseligen Wandel, dem Herrn Christo zu Ehren unnd euch
allen zur Besserung und Erbauwung, führen mögen.
Da sie auch jemandt under euch nach ihrem bösen Exempel
gleicher Weiß zu sündigen gereytzet hetten, bitten unnd ver-
mahnen sie dieselbige, sie wöllen sich nun hinfuro auch mit
ihnen bekehren, von Sünden abstehen und frommer werden,
unnd wie sie zuvor inen im Bösen gefolget, nun forthin auch
im Guten nachfolgen, darmit die Sünde bey uns nach unnd
nach gedempffet, das Böse außgerottet und der Nahmen
Jesu Christi in allen Dingen gepriesen werde.
Hie soll nun der Pfarrherr die vorgestellte Personen mit fol-
genden Worten anreden:
Hierauff frage ich nun euch, ob euch auch euwere begangene
Sünde von Hertzen leydt sindt, Ob ihr auch davon gedenckt
abzustehn und durch Anruffung Göttlicher Hülffe und Gna-
de ein besser und Christlicher Leben weder [= als] bißher
geschehen führen wöllet? Darauff wöllet laut und verständig
vor einer Christlichnen Gemein Ja sagen.
Antwort: Ja.
Spricht der Kirchendiener ferrner: Hierzu gebe der Allmäch-
tige Gott euch und uns allen die Krafft und Gnade seines
heyligen Geistes, Amen.
Lasset uns betten:
O Herr Gott, himmlischer Vatter, der du nicht lust hast an
der armen Sünder Todt, lässest sie auch nicht gern verder-
ben, sondern wilt, daß sie bekeret werden und leben [Ez
33,11], Wir bitten dich hertzlich, du wöllest die wolverdiente
Straffe unserer Sünden gnädiglich abwenden und, uns hin-
füro zu bessern, deine Gnad und heyligen Geist mildiglich

verleyhen umb Jesu Christi, deines geliebten Sohns, unsers
Herrn und Heylandts willen, Amen.
Vatter unser, etc. [Mt 6,9-13]
Es soll aber die Vorstellung auff die Sontag zu Ende der
Frühpredigt, wann ein Christliche Gemein noch beysammen
ist, geschehen, den gefallenen Personen zu mehrerm Schrek-
ken, Andern aber zur Warnung und Exempel. Wie es dann an
ihm selbsten billich, wo offentliche Ergernuß eyngerissen
und durch hochsträffliche Sünden die hohe, Göttliche Ma-
jestät erzürnet, daß derselben widerumb in öffentlicher Ver-
samlung durch hertzlich, innbrünstig unnd demühtiges Ge-
bett ein Abtrag geschehe.
Ein andere unnd weytläufftiger Form, so gebraucht soll wer-
den gegen denen, die Ehebruch begangen oder sonsten in
schreckliche Sünde gerahten und drey Sontag nach einander
vorgestellt werden
Ihr Geliebte in Christo, dem Herren. Als unser Herr und
Heylandt, Christus Jesus, Matt. am 18. Cap. [15-18], seine
Jünger underrichtet, wie es gehalten werden sol mit dem, der
seinen Nechsten beleydiget und doch seine Sünd und Un-
recht nit erkennen wölle, daß man in nemlich zuvor zu un-
derschiedlichen mahlen seines Unrechts soll erinnern und, so
er hindan gesetzt aller Vermahnungen sich zur Gebühr nicht
wölte weisen lassen, als dann in als einen Heyden und Zöllner
achten, beschleust er endtlich dieselbige Erinnerung mit die-
sen Worten: Warlich, Ich sage euch, was ir auff Erden binden
werdet, soll auch im Himmel gebunden seyn, und was ihr
auff Erden lösen werdet, soll auch im Himmel loß seyn, In
welchen Worten er seiner heyligen Christlichen Kirchen und
allen beruffenen Dienern deß heyligen Evangelii die Schlüs-
sel deß Himmelreichs vertrauwet Also und der gestalt, daß
sie mit dem Löseschlüssel allen bußfertigen Sündern das
Himmelreich auffschliessen, Gottes Huld unnd Gnade ver-
kündigen und sie von ihren Sünden entbinden sollen, durch
den Bindtschlüssel aber den unbußfertigen und ruchlosen
Sündern Gottes gerechten Zorn unnd ewige Straffe träuwen
[= androhen], ob ihnen Gott dermal eins Busse gebe, nüch-
tern zu werden auß deß Teuffels Stricke, von dem sie gefan-
gen sindt, zu seinem Willen, Auff welchen Befehl deß Herrn
Christi S. Petrus [Apg 5,1-11] Ananiam und Saphiram in
Bann erkläret, S. Paulus den Blutschänder, der seines Vat-
ters Weib genommen [1Kor 5,1-13], Und ist nachfolgends
Allezeit die Ordnung in der Kirchen Gottes gehalten worden:
Wer öffentlich sündiget, daß dessen Sünde zu gleich mit Got-
tes Wort und mit Außstossung auß der Kirchen soll gestrafft
werden, auff daß sie selbsten und andere Leut mit ihnen Got-
tes gerechten Zorn wider die Sünde betrachteten. Und erin-
nert insonderheit die Außstossung auß der Kirchen alle Men-
schen dieses Spruchs: Wer Sünde thut, der ist auß dem Teuf-
fel [1Joh 3,8.10]. Nun wil Gott nicht, daß zugleich in der
Kirchen seyen deß Herrn Christi und deß Teuffels Gliedmas-
sen.
Dargegen ist auch Gottes ernster Will, daß solche Sünder
nicht im Zorn und ewiger Straffe stecken bleiben, sondern
daß sie widerumb zu Gott bekehret und Selig werden. Wie
Gott spricht in seinem Eydt beim Propheten Ezechiel am
drey und dreissigsten Cap. [11]: So wahr alß Ich lebe, spricht
der Herr, hab Ich kein Gefallen an dem Tod deß Gottlosen,
sondern daß der Gottlose sich bekehre von seinem Wesen und
lebe. Also hat er Gnädig widerumb angenommen Adam,

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